Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 11

。。。。。。。。 Beilage zur Gleichheit°°°°°°°° 1911

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Aus der Inhaltsverzeichnis: Wir rufen euch. Von Emma Döly. Geschichte unseres Hausrats: Alte Bratgeräte. Von Hannah Lewin­Für die Dorsch. Vom Lesen der Kinder. Von Toni Sußmann. Hausfrau. Feuilleton: Lied der Holzhauer. Von Wolfgang Goethe . Der Held. Von Wilhelm Holzamer .

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Wir rufen euch.

Von Emma Dölb.

Heraus, ihr Frauen, aus Haus und Fabrik, Jetzt gilt's, euer Recht zu erringen. Aus dumpfer Stube, aus gift'gem Betrieb, Aus des Alltags ehernen Schlingen, Heraus zum Kampf. Weh' über die Frau'n, Die heute nicht mit uns gehen;

Nur stumpfen Sinn's auf sich selber schau'n, Doch sich und die Zeit nicht verstehen. Jahrtausende laften auf unfrem Geschlecht, Und der freie Geist schien zu schlafen. Mit Füßen getreten ward unser Recht Und gelobt nur die Tugend der Sklaven. Doch ein Ende hat auch die finsterste Nacht, Nun gilt es, den Morgen zu schauen. Heraus, ihr Frauen der Arbeit, erwacht, Und helft uns die Zukunft bauen.

Wen kümmert's, wie schwer unser Leben verrinnt? Man sagt uns: dulde und liebe.

Und reißt von der säugenden Brust uns das Kind, Stößt hinein uns ins Wirtschaftsgetriebe.

Wenn nachts der Lärm der Maschine schweigt, Erloschen des Herdes Flammen,

Dann fitzen wir noch, vornübergebeugt,

Und flicken die Lumpen zusammen.

Mit unsrem geknechteten, harten Los Bezahlen die Herrn ihre Schulden.

Wir ziehen dem Staate die Kinder groß Und sollen doch schweigen und dulden. Wir schaffen mit flinken Händen die Pracht, Mit der sich die Reichen umgeben. Nun wollen wir aus des Elends Nacht Unfre fordernde Stimme erheben.

Sie stellen Gesetze und Rechte auf,

Wir sollen vor ihnen uns beugen.

Sie halten die Hand an des Schwertes Knauf , Um uns feine Schärfe zu zeigen.

Sie sprechen heuchelnd, mit lüfternem Trug: Die Freiheit des Weibes ist fündig." Wir aber sagen: Nun ist es genug. Und sprechen uns selber mündig.

Wir wollen in längst überlebten Brauch Uns nicht mehr geduldig fügen. Und steht eine Welt von Feinden auf: Wir wollen kämpfen und siegen. Wir werden siegen. Das Rad der Zeit Läßt sich nicht rückwärts drehen; Und über die Hindernisse von heut Wird morgen donnernd es gehen.

Aus der Geschichte unseres Hausrats.

Bon Hannah Lewin- Dorsch. Alte Bratgeräte.

Das Braten ist eine uralte Kunst der Menschheit, die bereits der altsteinzeitliche Jäger übte. Lange bevor man dazu gelangt war, in einem Gefäß mit Wasser etwas zu kochen, verstand man das Braten. Daraus ergibt sich von selbst, daß einige der einfachsten Bratgeräte auf ein ganz beträchtliches Alter zurückschauen können. Eines der ältesten dieser Geräte ist wahrscheinlich der Bratrost. Die Gelehrten, die sich mit der sogenannten Wortforschung befassen, leiten die Bezeichnung Rost" in verschiedener Weise ab; einige

von ihnen behaupten, das Wort bedeute ursprünglich nichts weiter als Eisen, es sei in ihm einfach der alte Name für dieses Metall enthalten. Diese Erklärung geht also von der Anschauung aus, der Rost sei unter allen Umständen ein eisernes Gerät, was aber durch­aus nicht der Fall ist, wie wir gleich sehen werden. Daher glaube ich, daß eher diejenigen recht haben, die den Namen Rost " von Rohr ableiten. Der Rost ist nämlich ursprünglich ein hölzernes Gerät, und die Ableitung aus dem Wort Rohr" würde uns er fennen lassen, wie er entstanden ist: nämlich aus miteinander vers flochtenen Rohrstäben, die ein geeignetes Material für diesen Zweck bilden. Aus Rohr und aus Schlingpflanzen flechten sich noch jetzt viele Naturvölker ihre rasch gefertigten Bratroste. Bei wachsenden Ansprüchen und wo Holz reichlich vorhanden und schnell zu be schaffen ist, gelangt man dann ohne Mühe zu diesem sesteren und widerstandsfähigeren Stoffe, der sich dauerhafter und stärker im Gefüge erweist. So ist der hölzerne Rost entstanden, der sich außerordentlich lange im Gebrauch erhalten hat. In deutschen neben dem eisernen Küchen des Mittelalters begegnet er uns-

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noch im vierzehnten Jahrhundert; er scheint damals vorzugsweise beim Braten von Fischen und von sehr weichem, zartem Fleisch zur Anwendung gekommen zu sein. In einem Kochbüchlein jener Zeit finden wir für das Braten eines ganz jungen Ferkels die An­weisung: Lege es auf einen hölzernen Rost und brate es sanft!" Und beim Hecht und Aal wird dem geschickten Koch empfohlen: ,, Backe ihn auf einem hölzernen Roste!"

Uns mag heute ein Bratrost aus Holz, noch dazu beim offenen Herdfeuer, als sehr ungeeignet dünken, weil ihm keine lange Dauer beschieden ist. Zweifellos ist ein solcher aber doch bedeutend länger brauchbar geblieben, als wir uns im ersten Augenblick vorstellen. Der Braten wurde ja nicht direkt über die helle Flamme gestellt; schon des sich stark entwickelnden Rauches wegen mußte man das vermeiden; sondern man stellte ihn vorsichtig beiseite, nur in die Nähe der lichten Glut. Man ließ das Fleisch bei der Glut braten", wie es einmal im Gudrunliede heißt. Für besondere Fälle und für kürzere Zeit nur fonnte man den Holzrost sogar einmal un mittelbar über die Flamme schieben; das bereits erwähnte Koch­buch ordnet für das Braten eines Stockfisches an:" Binde ihn auf zwei Stäbe und lege ihn auf einen hölzernen Rost; dann laß das Feuer allenthalben darunter herstreichen, daß er erst erwärme!"

Die Form der uns aus dem deutschen Mittelalter bekannten Bratroste bleibt fast immer gleich: die Roste sind viereckig und auch vierbeinig. Wir können uns am besten ein Bild von ihnen machen, wenn wir sie vergleichen mit gewissen vierbeinigen, eisernen Unter­fäßen für Bügeleisen, die man heute noch vielfach zu sehen bes fommt: über zwei äußere Tragböcke legen sich vier bis sechs Quer­stäbe. An der einen Schmalfeite befindet sich ein Handgriff, der manchmal eine Öse zum Aufhängen trägt. Meist waren diese Geräte ganz einfach und schmucklos gearbeitet; einige Abbildungen beweisen. aber, daß in vornehmeren Küchen auch ornamental verzierte Egem­plare vorkamen. Seltene Ausnahmen waren es wohl, wenn man, wie aus Frankreich bezeugt ist, hin und wieder silberne Bratroste besaß. Als besondere Formen des Rostes haben wir den runden und den Doppelrost zu betrachten. Der erstere ruht auf drei Füßen und hat einen nach oben ragenden Griff; er scheint viel seltener gewesen zu sein als der viereckige. Eigentümlich und in gewissem Sinne vielleicht sehr praktisch sind die Doppelroste, von denen in Museen eine Anzahl uns erhalten sind. Stellen wir uns zwei ge­wöhnliche Bratroste vor, deren Geflecht nicht eine ebene Fläche bildet, sondern gefäßartig gewölbt ist. Diese beiden Roste, von denen ein jeder seine vier Beine hat, stülpt man aufeinander. Der Doppelrost ruht nun auf den vier Beinen des einen, während die vier des anderen nach oben in die Luft starren. Ansiatt daß man wie beim einfachen Rost den Braten selbst umdrehen muß, wenn er auf einer Seite fertig gebraten ist, kehrt man hier einfach den ganzen Doppelrost um, so von den acht vorhandenen Beinen immer abwechselnd je vier gebrauchend. Diese Doppelroste haben, wie es scheint, in der Hauptsache für große Fleischstücke gedient. Nicht felten zeigen sie auch die Form eines Fisches; es mag in der Tat gerade beim Fisch recht wünschenswert gewesen sein, nicht das Tier selbst, das ja leicht zerfällt, auf dem Roste umwenden zu müssen, sondern mit einem einzigen Handgriff den ganzen Rost mit seinem Inhalt zu drehen. Man hat diese Doppelroste daher auch wohl geradezu als Fischroste bezeichnet.