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Für unsere Mütter und Hausfrauen

schwörungen mit dem Ausland an. Kurz, er benahm fich genau so wie später Ludwig XVI.   in Frankreich  , als ihn das revolutio­näre Volk gefangen setzte. Andererseits wurde die Bourgeoisie bes reits von geheimem Grauen gepackt vor der Macht des arbeitenden Volkes. Es wurde ihr immer banger vor den bewaffneten Bauern und Lehrlingen, und schon haßte sie ihren heutigen Rampfgenoffen, die revolutionäre Masse, mehr als ihren gestrigen Feind, das despo­tische Königtum. Jm Parlament überwog bereits die gemäßigte Richtung der Presbyterianer". Diese wollten, nachdem sie die Staatskirche in ihrem Sinne umgestaltet hatten, von einem weiteren politischen Kampfe nichts wissen und drängten zu einem Kompromiß mit dem König. Jm Heere waren es Generäle, die durch ihre Krieg führung offenkundigen Verrat begingen zugunsten der töniglichen Sache. Das trieb die Independenten zu entschlossenerem Vorgehen. Die Reinigung des Heeres von presbyterianischen   Elementen gab ihm erst wieder seine volle Schlagfertigkeit. Das gesäuberte Heer, dessen Führer Cromwell war, in dessen Reihen aber die revolutio= nären Gleichmacher" auf die einfachen Soldaten einen immer größeren Einfluß ausübten, wurde nun der ausschlaggebende Faktor bei den weiteren Ereignissen. Nach den entscheidenden Siegen über bie föniglichen Truppen suchte das Parlament, da es vom König nichts mehr zu befürchten hatte, das Voltsheer aufzulösen. Das Heer antwortete damit, daß es sich als selbständige Macht konsti­tuierte. In einer großen Demonstration auf einer Heide bei New­ market   am 4. Juni 1647 nahm die Armee ein feierliches Manifest an, in dem sie erklärte, sie sei kein Söldnerheer, gemietet, um der Willkür der Staatsgewalt zu dienen, sondern es feien ,, freie Männer des Voltes von England, zusammengetreten und in Waffen geblieben in der Erkenntnis und dem Bewußtsein der Verteidigung ihrer und des Volkes begründeten Rechte und Freiheiten". Offiziere und Sol­baten verpflichteten sich durch Unterschrift, nicht eher auseinanders zugehen oder sich trennen zu lassen, bis sie die Gewißheit hätten, baß wir als Staatsbürger und die freigeborenen Voltsangehörigen Englands nicht fürderhin solchen Unterdrückungen, Vergewaltigungen und Mißbräuchen ausgesetzt sein werden wie bisher". Die Sol­baten arbeiten den Entwurf einer republikanisch- demokratischen Ver­fassung aus, dem sie den Titel geben Volksvertretung auf der Grundlage allgemeinen Rechts, um alle vorurteilslosen Leute zu vereinigen".

Nach einer zweiten, noch größeren Demonstration bei Cambridge  rückte das Heer vor die Hauptstadt. Darauf erfolgt im Juli 1647 eine Gegendemonstration der presbyterianischen   Bourgeoisie, nament lich der reichen Kaufmannschaft, in London  , die die Minderheit, die Independenten, aus dem Parlament treibt und ein Votum gegen die Armee durchsetzt. Nunmehr besetzt die Armee am 7. August London  , um das Parlament zu schüßen". Einige der Presby­terianer werden aus dem Parlament ausgestoßen und in die Verbannung geschickt. Am 20. August erzwingt Cromwell, die Hand am Schwerte  ", im Parlament die Zurücknahme der gegen die Armee gefaßten Beschlüsse und den Ausschluß einer weiteren Anzahl von Presbyterianern. Im Jahre 1648 entfachten ihrer seits die Presbyterianer im ganzen Lande Aufstände für Gott und König Karl" und riefen aus Schottland   eine Armee von 40 000 Mann nach England herbei. Doch die revolutionäre Armee zeigt sich der Lage gewachsen. Nachdem die Heerführer in Windsor  einen Tag im tiefsten Gebet Gott   um Erleuchtung gebeten hatten, beschlossen sie, die Aufstände mit eiserner Faust zu unterdrücken und dann Karl Stuart   ,,, diesen Blutmenschen", zur Rechenschaft zu ziehen. Bald find die Aufstände niedergeworfen und die Schotten zurückgeschlagen. Inzwischen erheben die Presbyterianer aber in London   ihr Haupt; sie zetteln in der Stadt Aufstände an, und auch das Parlament ergreift wieder Partei gegen die Armee. Die geheimen Verschwörungen der presbyterianischen   Bourgeoisie mit dem König werden immer deutlicher. Das Volk, vertreten durch die Armee, begreift die Gefahr, die über der Sache der Freiheit schwebt, und beschließt, durch energisches Handeln die Lage zu retten. Die Armee bemächtigt sich des Königs und bringt ihn auf ein ödes Felsens schloß an der Meerestüste. Nach einem letzten Versuch, das Parla­ment zu einem entscheidenden Vorgehen zu bewegen, beschließt die Armee, an das außergewöhnliche Urteil Gottes und aller guten Leute zu appellieren". Einen ganzen Tag brachte die gesamte Armee in Windsor im Gebet zu, damit Gott   sie erleuchte und ihr den rechten Weg zeige, was zu tun sei. Von Gott   erleuchtet", beschließt sie, nach London   zu marschieren, das Parlament zu säubern und den König unschädlich zu machen. Sie besetzt am 2. Dezember 1648 die Vororte von London  . Am 6. Dezember umstellt der Oberst Pride, ein früherer Arbeiter, das Parlamentshaus mit seinen Truppen und läßt 81 presbyterianische Mitglieder gewaltsam wegführen. Das nunmehr aus Independenten bestehende sogenannte Rumpfparla

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ment" handelte endlich mit der nötigen Energie. Es wurde bes schlossen, den König vor einem außerordentlichen Gerichtshof des Verrats anzuflagen, weil er gegen das Parlament Krieg angefangen habe. Als das auf zwölf Mitglieder zusammengeschmolzene Ober­haus, die Kammer der Lords, fich widerfegen wollte, erklärte das Parlament, das Volk sei die einzige Quelle aller gerechten Ges walt, und da vom Volke nur die Mitglieder des Unterhauses ge= wählt feien, so habe alles, was vom Unterhaus ausgehe, auch ohne Oberhaus und König Kraft und Geltung. Dann wurde ein Ge­richtshof aus 150 Personen gebildet, aus Mitgliedern des Unter­hauses, Offizieren und Richtern. Mehr wie die Hälfte von ihnen drückte sich aus Feigheit oder Unzuverlässigkeit um das übertragene Richteramt. Die übrigen 68 Mann ließen sich dadurch nicht abhalten, ihres Amtes zu walten. Karl Stuart  ", wie der König jezt genannt wurde, mußte viermal zum Verhör vor dem Gerichtshof erscheinen und wurde als Tyrann, Verräter, Mörder und Landesfeind zum Tode verurteilt. Drei Tage gestattete man ihm noch zur Vorbereitung und zum Abschied von seinen Kindern. Am 28. Januar führte man den Verurteilten in das Schloß Whitehall  , aus dem er zwei Tage später durch ein Fenster das Schafott bestieg. Am 30. Januar 1649 ftel das Haupt des Instruments des Herrn. Karl I.   starb mit Fassung. Der Scharfrichter ergriff das abgeschlagene Haupt an den Haaren, zeigte es dem Volte und rief: Das ist der Kopf eines Verräters."

Mit raschen Schritten eilte jetzt die Revolution ihrem Ziele zu. Am 6. Februar wird das reaktionäre Oberhaus, die Kammer der Lords, als unnütz und gefährlich" abgeschafft. Am 7. Februar beschließt das Parlament, daß die Herrschaft eines Königs oder einer einzelnen Berfon als ohne Nutzen, lästig und gefährlich" ab­zuschaffen sei. Am 19. Mai wird England durch Parlamentsbeschluß zur Republik   erklärt, die fortan von den höchsten Behörden der Nation, den Vertretern des Volfes im Parlament und den Personen regiert werden soll, die jene als Beamte und Minister für das Wohl des Volkes anstellen und einsetzen werden, und zwar ohne einen König oder ein Haus der Lords".

So wurde in England im Mai 1649 zum erstenmal in der neu­zeitlichen Geschichte die demokratische Verfassungsform, die Republik  verwirklicht. Es war ganze und gründliche Arbeit, die den starken Arm und den revolutionären Geist des arbeitenden Volkes verriet.

Nur elf Jahre lang vermochte sich damals in England das großartige Werk der Revolution zu halten. Noch war die poli­tische Herrschaft des arbeitenden Volkes um ganze Jahrhunderte verfrüht. Noch mußte das Heft schließlich in den Händen der be­sitzenden Klassen bleiben. Diese aber warfen sich, entsetzt über die Macht und Entschlossenheit des Volkes, der Reaktion in die Arme. Das ermöglichte es Cromwell, seine Führerrolle in der Revolution dazu zu benutzen, um sich zum unumschränkten Diktator der Repu blit aufzufchwingen. Seine Herrschaft als Lord- Protektor" hatte bloß das Ergebnis, der Republik   das Grab zu graben und der Wiederherstellung der Monarchie vorzuarbeiten. Im Jahre 1660, nach Cromwells Tode, wurden die Stuarts wieder auf den Thron berufen. Bald sah es in England äußerlich so aus wie vor der Revolution, das Haus der Lords war wiederhergestellt, das arbeitende Bolt entwaffnet, die Staatskirche wiedereingeführt und die radikalen Seften wurden grausam verfolgt. Und doch war das Werk der Revolution und ihre Opfer nicht umsonst gewesen. Von dem ver­nichtenden Schlag des Jahres 1649 vermochte sich die königliche Ge­walt in England nie mehr zu erholen. Mit dem Kopfe Karl Stuarts war ihre alte Macht für immer gefallen. So konnte in England nach und nach trotz König und Krone ungefähr dieselbe politische Freiheit errungen werden wie in einer Republit. In der englischen Revolution des siebzehnten Jahrhunderts hat sich so der fünftige weltgeschichtliche Beruf des modernen Proletariats zum erstenmal geoffenbart. Jeder entscheidende politische und soziale Fortschritt wird in den Revolutionen der Neuzeit durch die revolutionäre Energie der Arbeiterklasse gegen den Verrat des Bürgertums er­zwungen und durch ihre Blutopfer besiegelt. Nach jeder Revo­lution tritt, so vor hundert Jahren in Frankreich   wie jetzt in Rußland  , ein reaktionärer Rückschlag im Lager der besitzenden Klassen ein, die an dem revolutionären Proletariat blutige Rache nehmen. Die Arbeiterklasse, geschwächt durch den vergangenen Kampf, erliegt dem konterrevolutionären Ansturm. Bei oberfläch­licher Betrachtung scheint das Werk der Revolution gescheitert. Und doch hat noch jede moderne Revolution die soziale Entwicklung um einen gewaltigen Schritt vorwärts gebracht. Und das wird so bleiben, bis die Stunde des endgültigen Sieges des sozialistischen  Proletariats schlägt, das den Klassenstaat abschaffen und die Mensch­heit von jeglicher Unterdrückung befreien wird.