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Für unsere Mütter und Hausfrauen
Eidechfen oder Honigameisen gräbt, arbeitet ihr kleines Kind neben ihr. Mit einem winzigen Grabstock bewaffnet, nimmt es den ersten Unterricht in einer Tätigkeit, die, falls das Kind ein Mädchen ist, die Hauptbeschäftigung seines Lebens bilden wird.
Wir sagten schon, daß die Eingeborenen unter gewöhnlichen Umständen, abgesehen von Schmuck, völlig nackt sind, und so ist eine Frau bei ihrer Arbeit durch Kleidung wenig behindert. Die Frauen tragen ein oder mehrere Halsbänder, die gewöhnlich aus Fellhaaren gewunden und dick mit Fett und rotem Ocker überzogen find. Jüngere Weiber haben auch lange Halsschnüre aus den glänzenden roten Samen des Bohnenbaumes.
Der Mann trägt auf der Stirn ein breites Band von Schnüren aus Fellhaaren. Um den Hals hat er ähnliche Ringe wie die Frauen. Cein Haar ist ftart eingefettet und mit rotem Oder beschmiert. Fast Immer tragen bie Männer um die Lenden einen Gurt aus MenfchenSaar. Ist ein Mann besonders eitel, so hat er durch die Nasenfcheidemand einen Knochen gesteckt, der an einem Ende mit einem Rattenschwanz oder einem Busche Rafadufedern verziert sein kann. Ein weiteres Stück der Kleidung, wenn man von einer solchen reden will, ist eine kleine an den Schamhaaren befestigte Quaste aus Fellschnüren. Ist diese Schamquaste noch mit weißem Pfeifenton beschmiert, so dient fie mehr als ein den Blick auf sich ziehenbes Schmuckstück, denn als eine Verhüllung. Die Waffen des Viannes find Schild, Bumerang( Wurffeule), Speer und Speerschleuder oder Wurfholz. Die Schilde werden aus dem leichten Holze des Bohnenbaumes verfertigt, und ihre Herstellung ist daher auf die nördlichen Gebiete des Inneren beschränkt, in denen dieser Baum wächst. Namentlich der Warramungastamm ist wegen seiner Schilde berühmt, und diese werden durch Tausch weithin im Innern Australiens verbreitet. Die Speerschleuder oder das Wurfholz ist ein rinnenförmig ausgehöhltes Stück Mulgaholz von 60 bis 75 Zentimeter Länge. An seinem vorderen Ende läuft es allmählich zu einem schmalen Handgriff aus, während es hinten mehr unvermittelt ein fumpfes Ende bildet; an diesem hinteren Ende ist mittels einer Sehne ein furzes Stück harten Holzes befestigt mit einer scharfen Spitze nach vorn, die in ein Loch am Ende des Speeres paßt. Auf Dieses Wurfholz wird der Speer beim Schleudern aufgelegt. Durch bas Wurfholz wird der menschliche Arm verlängert, es wird ein langer Hebelarm geschaffen, der dem Speer eine größere Anfangs geschwindigkeit und damit größere Durchschlagskraft verleiht. Gewöhnlich ist an dem Handgriff des Wurfholzes mit einem Klumpen Harz ein scharffantiges Stück Feuerstein oder Quarzit befestigt, das ein wichtiges Schneidewerkzeug des Eingeborenen darstellt.
Große Känguruhs erjagen die Männer durch Anschleichen. Mit vollkommen unhörbaren Schritten, sich hinter Gebüsch oder großen Grasbüscheln deckend, nähert sich der Eingeborene dem Tier so weit, baß er den Speer mit Aussicht auf Erfolg schleudern kann. Manch mal jagen auch zwei oder drei Männer gemeinschaftlich; während ber eine im Hinterhalt auf dem Anschlag steht, treiben ihm die abrigen das Wild so nahe als möglich zu. Auch die Weiber leisten ben Männern Treiberdienste, namentlich bei der Jagd auf fleinere Ränguruhs. Um den Emu, den australischen Strauß, zu erbeuten, werden in manchen Gegenden die Blätter einer Pflanze benutzt, die eine betäubende Wirkung ausüben. Ein Auszug aus diesen Blättern wird in ein kleines Wasserloch geschüttet, aus dem der Vogel zu trinten pflegt. Verborgen hinter einem Busche liegt der Eingeborene auf der Lauer. Der Vogel kommt, trinkt, wird von dem Wasser betäubt und fällt dem Speer des Eingeborenen leicht zur Beute. Much die neugierige Natur des Emus machen sich die Eingeborenen unuke. Ein Eingeborener trägt einen Aufput, der dem langen Bals und dem fleinen Kopf des Bogels ähnlich ist, und nähert sich bamit seinem Opfer, hier und da Halt machend, und dann wieder in der ziellofen Weise des Vogels umherschreitend. Der Emu ist voll Begier, dieses Geschöpf fennen zu lernen, und wartet und paẞt so lange auf, bis der Eingeborene die Möglichkeit hat, seinen Speer aus nächster Nähe zu schleudern. Manchmal wird auch eine tiefe Grube an einem Orte gegraben, wo der Vogel zu äsen pflegt. Auf dem Grunde der Grube wird ein kurzer Speer mit scharfer Spize aufrecht befestigt und dann die Grube mit Büschen und Erde zugedeckt. Der Emu kommt, um die Sache zu unterfuchen, fällt in die Grube und wird von dem Speer durchbohrt. Mit dem Bumerang werden andere Vögel erlegt, wie die Felsentauben, die sich in Scharen um die Wasserstellen sammeln, oder der Adlerfalke, dessen Flaum als Schmuck sehr geschätzt ist.
Alles, was nur eßbar ist, dient als Nahrung, wenn man von gewissen Beschränkungen absieht, die teils bestimmten Gruppen, teils dem einzelnen zu gewiffen Zeiten auferlegt sind. Viele Pflanzen werden roh, andere in heißer Asche geröstet gegessen. Häufig wer den große Mengen der Hülsen einer Afazie gesammelt, auf heiße
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Asche gelegt und darüber wird wieder heiße Asche gedeckt; die Eingeborenen sehen sich darum, enthülsen die Samen und essen sie wie Erbsen. Von den Tieren werden die größeren meist in mehr oder minder flachen Erdgruben mit heißer Asche gebraten.
Die Fähigkeit der Eingeborenen im Entdecken, Deuten und Verfolgen von Spuren ist bekannt. Wenn man aber diese Wilden nicht felbft am Werke gefehen hat, kann man sich keinen Begriff von der Geschicklichkeit machen, die sie darin entfalten. Doch rührt diese Fähig feit nicht etwa daher, daß der Gesichtssinn des Wilden stärker ist als der des Zivilifierten. Im Durchschnitt ist weder der Gesichtsnoch der Gehörfinn beim Eingeborenen schärfer entwickelt als beim Weißen. Nur sind die Eingeborenen durch ihre Lebensbedingungen von jeher gezwungen und gewöhnt, Einzelheiten zu bemerken und untereinander in Zusammenhang zu bringen, auf die wir gar nicht achten, weil fie für uns gewöhnlich keine Bedeutung besitzen. Von frühester Kindheit an werden Knaben und Mädchen gleicherweise dazu erzogen, auf jede Spur jedes lebenden Wesens zu achten. Die Frauen namentlich unterhalten sich gern und häufig damit, auf dem sandigen Grunde die Fährten verschiedener Tiere nachzumachen, und sie stellen diese mit ihren Händen wunderbar genau her. Und nicht nur kennen sie die verschiedenen Fährten der Tiere, sie unterscheiden auch die Spuren einzelner Männer und Frauen und erkennen den Fußabdruck jedes einzelnen ihrer Bekannten. Doch gibt es in der Entwicklung des Spürfinns große Unterschiede unter den Eingeborenen.
Während die Eingeborenen in Dingen, die mit ihrem täglichen Leben verknüpft sind und von denen ihr Lebensunterhalt abhängt, bemerkenswerte Fähigkeiten aufweisen, sind sie in anderen Beziehungen geistig ziemlich unentwickelt. Jn Alice Springs können sie gelegentlich mit Hilfe ihrer Finger bis fünf zählen, aber meist werden alle Zahlangaben, die vier überschreiten, mit dem Worte ofnira, das heißt viel oder groß gemacht. Die Zeit wird nach " Schläfen", Monden und Mondphafen berechnet. Längere Zeiten rechnen die Eingeborenen nach Jahreszeiten, in denen sie Bezeichnungen für Winter und Sommer haben. In mancher Hinsicht ist ihr Gedächtnis wunderbar start. Für alle Tiere und Pflanzen, die von irgend einer Bedeutung für sie sind, für all die verschiedenen Formen der Insekten, Mäuse, Vögel usw. und ebenso für die verschiedenen Arten des Busches und der Gräser haben sie bestimmte Namen, und bei Tieren bezeichnen sie immer das Geschlecht. Ihre geistigen Fähigkeiten sind eben ganz in der Richtung der Bedürfnisse ihres täglichen Lebens entwickelt.
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Cleber Schreibstörungen.
Wie die Sprache verschiedenen Störungen, zum Beispiel Stot tern, Stammeln, Lispeln usw. unterworfen sein kann, so weist auch das Schreibvermögen mitunter bestimmte Fehler und Mängel auf. Fast jedes psychische Leiden, kann man sagen, hat auch Eigenartigfeiten der Schrist zur Folge. So haben Idioten zum Beispiel die Eigenheit, beim Schreiben unwillkürlich sinnlose Wörter und Silben einzuschieben. Weiter sei hingewiesen auf die Zügellosigkeit der Schrist von Schwachsinnigen leichteren Grades, wobei Versegung und Verwechslung der Buchstaben, Schreiben ohne Gleichmaß, Verwischung der Wortbilder bis zur Untenntlichkeit vorkommen; ferner auf die Zitterschrift bei zerebralen Lähmungen, das heißt Lähmungen, die ihre Ursache in Störungen der Gehirntätigkeit haben. Endlich treten auffallende Erscheinungen der Schrift auf bei Epilepsie, Paralyse, Dementia ( Blödsinn) usw. Aber es gibt auch Schriftstörungen, bei denen eine in die Augen springende Krankheit nicht festzustellen ist, obgleich, das sei gleich bemerkt, doch schließlich irgendwelcher törperlicher Defekt zugrunde liegen muß. Recht interessantes Material in bezug auf Schreibstörungen bietet uns die ers perimentelle Psychologie durch die planmäßige Beobachtung der Ausdrucksbewegungen.
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Das Schreibstottern" ist charakterisiert durch die Unfähig feit, ein Wort anstandslos zu schreiben, obgleich man sich genau der Schreibweise des Wortes bewußt ist. Wie beim Stottern, so wird auch hier verschiedene Male zum Schreiben angesetzt, bis es endlich gelingt, das gewünschte Wort zu schreiben. Berthan be richtet über einen Patienten, der statt„ Driburg " immer schrieb Dr Dr Driburg". Beim Schreibstottern" liegt wohl irgend eine Störung im Schriftzentrum des Gehirns vor oder aber auch in den entsprechenden motorischen Nervenbahnen, alfo in den Nerven, die die Bewegung der zum Schreiben notwendigen Muskeln auslösen. Die Heilung, wenn eine solche erfolgt, geht nur sehr langsam vor sich. Es gehört dazu konfequente Übung, fortgesetzte Wiederholung. Hierdurch kann der bestehende Defekt gehoben werden oder das anderseitige Gehirnzentrum den Dienst des erkrankten übernehmen.