Für unsere Mütter und Hausfrauen

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Nr. 24 。。。。。。。。 Beilage zur Gleichheit ooooo

Inhaltsverzeichnis: Johann Peter Hebbel. V. Von Dr. Wilhelm Hausenstein  . Deutsche   Kulturgeschichte im Lichte unserer Fremd- und Lehnwörter. Von E. Hoernle. Die Mutter als Erzieherin. Feuilleton: Hafis   verlegt das Paradies. Der Kuli. Von Johannes

B. Jensen.

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Johann Peter Hebel  .

V.

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Es ist charakteristisch für den sogenannten Jdyllifer Hebel, daß fast alle seine Gedichte auf das Motiv der Arbeit gestimmt sind. Das Lied an den Morgenstern ist nicht der Seufzer eines Roman titers, der mit einer preziösen Untätigkeit und einer Gitarre am himmelblauen Bande durch die Natur streift, sondern das Lied eines bäuerlichen Geistes, der sich einen Moment auf sich besinnt, wenn der Körper eine kleine Ruhe fordert.

Woher so früeih, wo ane scho, Her Morgestern enanderno, in diner glitrige Himmelstracht,

in diner guldige Lockepracht, mit dinen Auge chlor und blau

und sufer gwäschen im Morgenthau? Hesch gmeint, de seisch elleinig do?

Nei weger, nei, mer meihe( mähen) scho! Mer meihe scho ne halbi Stund; früeih ufftoh isch de Gliedere gfund,

es macht e frische, frohe Mueth,

und d' Suppe schmeckt eim no so guet.

' s git Lüt, fie dose frile no,

sie chonne schier nit use cho( fommen).

Der Mähder und der Morgestern

stöhn zitli uf und wache gern,

und was me früeih um Vieri thuet,

das chunnt eim 3' Nacht um Nüni z' guet...."

Kommt in solchen Gedichten die Sonne vor, so ist sie nicht eine arbeitslose Majestät, sondern ein schaffendes Bauernweib. Wie eine Bäuerin strählt sie sich in der Frühe energisch die Haare,

,, und wenn sie gwäsche und gstrelt isch,

chunnt sie mit der Strickete füre hinter de Berge...."

Der Sommerabend wird bei Hebel zu einer Etappe im Prozeß ber harten täglichen Bauernarbeit.

lueg doch, wie isch d' Sunne müed,

lueg, wie sie d' Heimeth abezieht! Olueg, wie Strahl um Strahl verglimmt, und wie fie's Fazenetli( Taschentuch) nimmt, ne Wülfli, blau mit roth vermüscht! und wie sie an der Stirne wüscht! ' s isch wohr, sie het au üebel zit,

im Summer gar, der Weg isch wit,

und Arbet findt sie überall

in Hus und Feld, in Berg   und Thal. ' s will alles Liecht und Wärmi ha und spricht sie um e Segen a. Meng Blüemli het sie usstaffirt

und mit scharmante Farbe ziert,

und mengem Immli z' trinke ge

und gseit: hesch gnuog und witt no me?

und' s Chäferli het hinteno

doch au si Tröpfli übercho...."

Die Sonne hat die Samen gesprengt, die Kirschen gemalt, die Speise der Vögel abgebräunt. Sie hat auf der Bleiche geschafft und ohne Dank. Drum

,, isch sie jetzt so fölli müed,

und bruucht zum Schlof fe Obedlied.

Ke Wunder, wenn sie schnuuft und schwitzt. Lueg, wie sie dört ufs Bergli sizt!..."

Und damit ist es nicht getan. Die brave Sonne hat einen lieders lichen Mann, den Mond. Sie

het ihr redli Huschrüz( Hauskreuz) au. Sie lebt gwiß mittem Ma nit guet, und chunnt sie heim, nimmt er si Huet. Und was i sag, jetzt chunnt er bald, Dört fist er scho im Fohrewald...."

Ist das Motiv der Arbeit nicht angesprochen, so erscheint bei Hebel doch überall ein bewegtes, kräftiges Leben. Goethe sagt,

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1911

Hebel habe das Universum auf geschmackvolle Art verbauert. Das Wort will da keinen schiefen Klang haben. Es besagt, daß Hebel feine verträumten Augen hatte. Bei ihm wird selbst das rein vege tative Leben eines Haferkörnleins fräftig- menschlich. Das Hafer­förnlein in der feuchtigen Wärme" der Erde ist dem Säugling im Wickel verglichen. Die Parallele wird wunderhübsch durchge­führt, auch in die unfrohen Teile hinein.

,, uf de Berge schneit's und witer niede hurniglet's( hagelt's). Schochelischoch, wie schnatteret jetzt und briegget mi Chiimli( Keimlein), und der Boden isch zu und' s het gar chündige Nahrig. , Isch denn d' Sunne gstorbe, seit es, sie nit cho will? Wäri doch bliebe,

woni gfi bi, still und chlei im mehlige Chörnli... Lueget Kinder, so goht's! Der werdet au no so sage, wenn der use chömmet, und unter fremde Lüte schaffe müent und reble, und Brod und Plunder verdiene: , wär i doch deheim beim Müetterli hinterem Ofe!..."

Die Wiese, das heimatliche Flüßlein wird zum Wiesentäler Maidschi; aus der herrlichsten aller Frühlingsbeschreibungen", wie Klaus Groth   das kleine Epos mit Recht genannt hat, wird eine individuelle Mädchengeschichte von der Geburt bis dahin, wo der väterliche Dichter das Recht verliert, bis zur Vermählung mit dem Rhein  . Und wieder sett in neuen Gedichten das Motiv der Arbeit ein. Die Spinne wird zur bewußten Arbeiterin. Die Marktfrauen entwickeln ihre simple und gesunde Lebenweisheit, während sie die städtischen Gassen entlang wandern, um ihre Waren anzubieten. Jo weger, me meint, in der Stadt

feig alles fufer und glatt;

die Here sehn eim so lustig us,

und' s Chrüz isch ebe durane

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Chromet( taufet) jungi Hahne!

mengmol im pröperste Hus..."

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Es fehlt in der Poesie Hebels auch nicht an tragischen Momenten. Aber sie sind nicht wortreich vorgetragen, sondern mit einer bündigen Sachlichkeit, die echt bäuerlich ist. Im Karfunkel, dem Epos vom Spielteufel, wird die tragische Wendung zweimal mit den knappsten Worten in wenigen Zeilen erledigt. Michel kommt vom Wirtshaus und findet das weinende Weib.

,, Hülsch( heulst du) au wieder? Du hesch' s nöti, falsche Canali!

Surchrut( Sauerkraut) choch mer!'' s Chätterli seit:,' s isch niene te Füür me!' Surchrut will i! Lueg, i dreih der' s Messer im Lib um!..."

Und das tut er ohne Umstände. Man sieht, daß der Idylliker Hebel Töne findet, die an die stärksten dramatischen Wirkungen Gerhart Hauptmanns   erinnern. Nach vollbrachter Tat empfindet Michel Reue. Der Teufel macht es mit der Seele, die ihm verfällt, ganz kurz. Wie de meinscht! Di Wahl isch schlecht, i mueß der' s bikenne. Seh, do hesch e Messer! I ha' s am Blogzemer Mert( Markt) gchauft. Hau der d' Gurgele selber ab, se chost's di chei Trinkgeld!..." Und der Michel tut wortlos, was Vizli Buzli ihm vorschlägt.

Hierher gehört ein kleiner Zug aus der Korrespondenz Hebels mit Gustave Fecht. Der Dichter erzählt der Freundin einmal, er habe eine Eule, die bloß die beiden Fehler besitze, alles herabzu­werfen und immer ,, etwas anderes" dafür hinzulegen. Ich hatte auch einen Laubfrosch.... Aber wie einem immer das Alte ver­leidet,... so ging's auch hier. Am 28. Jänner, als dem Namens­fest des Herrn Markgrafen, gab ich ihn der Eule zu fressen." Das ist der ganze Hebel mit aller seiner Loyalität, mit seinem Humor und mit der bäuerischen Sachlichkeit, die gar nicht auf den Gedanken kommt, daß es Dichter gibt, die bei solchen Ereignissen sentimental werden und überhaupt teinen Käfer zertreten fönnen. Hebel war kein dichtender Sommerfrischler, der einmal eine empfindsame Reise aufs Land macht, sondern einfach ein Bauer.

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Dr. Wilhelm Hausenstein  .

Deutsche   Kulturgeschichte

im Lichte unserer Fremd- und Lehnwörter.

Bon E. Hoernie.

Die Kultur eines Volkes wird nur dann weit und tief wirken und sich höher entwickeln können, wenn sie in lebendigem Zu­sammenhang mit anderen Kulturen steht, wenn ihre Träger regen Verkehr mit fremden Völkern unterhalten, mit Völkern, die unter anderen Naturbedingungen und Produktionsverhältnissen leben und