Nr. 24

Für unsere Mütter und Hausfrauen

keit. An den Kloster- und Domschulen wurde alles gelehrt, was zum Wissen der damaligen Zeit gehörte. Das Wort Schule ist ein lateinisches Lehnwort. Eine Menge Fremdwörter, die in den über­segungen und gelehrten Schriften jener Zeit vorkommen, sind je­doch niemals ins Volk gedrungen. Im zehnten Jahrhundert brachte die Weltpolitik der sächsischen Kaiser Deutschland   in Beziehungen nicht nur zu Italien  , sondern auch zum griechischen Kaiserhof in Konstantinopel  . Allerlei byzantinische( Byzanz Konstantinopel) Kleidermoden, Sitten, Geräte und Kunstformen fanden damals den Weg nach Deutschland  , unter anderem auch das Wort Papst.

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Damit war die erste große Periode der Sprachbereicherung aus dem christlich- römisch- griechischen Wortschatz beendet; die zweite be­deutende Periode ist das Zeitalter der Kreuzzüge. Ritterheere aller Bungen und Völker des Abendlandes zogen nach Italien  , Kon­ftantinopel, Palästina; mit den Rittern ihre Knechte, und hinter den Heeren her zogen Priester und Mönche, Kaufleute und Marke tender, Spielleute und Gaukler. Frankreich   stand damals an der Spize ritterlicher Kultur; Waffenfertigkeit und Frauenverherrlich­ung, höfische Bucht und seiner Anstand, Sang und Sage wurden dort gepflegt. Der deutsche   Ritter erschien bäuerisch und plump neben seinen glänzenden westlichen Nachbarn. Mit Eifer ahmte er baher französisches Leben, französische Mode und französische   Poesie nach. Ein Strom französischer Wörter ergoß sich nach Deutsch­ land  . In den Gesängen deutscher Dichter jener Zeit finden wir ganze französische   Verse. Wörter wie Turnier, Jagd, Spiel, Tanz, Musit, Abenteuer, Harnisch  , Banner, Plan fanden im Zeitalter der Kreuzzüge ihren Weg in die deutsche Sprache. Französischer Worts bildung nachgeformt sind Worte wie halbieren, marschieren, man ( Schluß folgt.) cherlei, vielerlei, Partei, Jägerei.

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Die Mutter als Erzieherin.

Mißbrauche in Konflikten nicht deine Macht! In Kon­fliften? So fragst du erstaunt, zu einem Konflikt gehören doch stets awei gleichberechtigte Mächte; mit meinem Rinde kann ich daher nicht in Konflikt kommen. Aber ich gebe dir nicht recht. Dein Kind ist nicht dein Untergebener, den du durch deine Übermacht zur blin den Unterwerfung zwingen darfst. Wenn dein Kind widerstrebt oder widerspricht, so breche seinen Widerstand nicht kurzerhand mit Hilfe deiner übermacht. Frage dich lieber ernstlich, ob du auch im Rechte bist; suche in die Gedanken- und Gefühlswelt deines Kindes einzudringen; versehe dich in seine Lage und stelle dir vor, wie du in solchem Falle gehandelt hättest. Ist dein Kind im Unrecht, so versuche ihm sein Unrecht zum Bewußtsein zu bringen. Gelingt dir dies nicht, so überlege noch recht vorsichtig, ob es nicht besser ist, daß du den Streitfall ruhen läßt oder ihn vertagst. Mußt du aber in ernsten Fällen deine Macht zur Geltung bringen, weil auf an­dere Weise der Konflikt nicht zu beseitigen ist, so gehe milde und wohlwollend in der Form vor, wenn auch streng in der Sache. Vermeide ängstlich, daß dein Kind aus deinem Verhalten, wohl gar aus deiner spöttischen oder schadenfrohen Miene oder aus der grausamen Schroffheit deines Vorgehens den erbitternden Schluß ziehen kann, daß es dir nur auf die Ausnügung deiner Übermacht ankommt, daß du nur darum Recht behältst, weil du die Macht haft.

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Feuilleton

hafis verlegt das Paradies.*

O Hafis, wag' es niemals, an die Pforte Des Paradieses anzuklopfen. Niemals Läßt man dich ein. Du sündigtest zu viel. Du bist nicht würdig' in die hehren Räume Der letzten Wonne einzutreten. Ewig, Mit fieben Siegeln, bleibt das Tor dir zu."

h. sch.

Hafis. Deutsch nachgedichtet von H. Bethge  , Inselverlag. Der große perfifche Dichter Hafis, mit eigentlichem Namen Schems ed- din Mohammed, lebte im vierzehnten Jahrhundert zu Schiras  . Er soll Bäckerlehrling ge­wesen sein, studierte Theologie und Rechtskunde und lebte als Derwisch in freiwilliger Armut. Er lag in stetem Kampfe mit der Geistlichkeit, die ihm wegen seiner ,, frivolen" Lieder das Ehrenbegräbnis verweigern wollte. ,, Noch heute fingen die Kamel- und Maultiertreiber seine Strophen, auch aus den Schenken flingen fic!"

Mir recht! Ich werde meine liebe Laute Vor der geschloffnen Tür erklingen lassen, So lock' ich alle Huris mir hervor!

Sie werden meinem Liede lachend folgen, Jch werde sie zur Erde niederleiten, Wo Wein winkt und das Lied der Nachtigail.

und keine bleibt zurück, fie kommen alle, Befeligt und berauscht, und so verleg' ich Den Garten Eden auf die liebe Erde. Leer und verödet wird der alte Himmel Herniederschaun, und Langeweile wird ihn Erfüllen, doch bei uns ist Seligkeit.

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Der Kuli.*

Bon Johannes V. Jensen.

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Er hieß so etwas wie ein Räuspern, ein Niesen und ein Spucken, und war Rickschawfuli, Droschtenpferd in Singapur  .

Die Personenbeförderung geschieht in dieser Stadt wie überall im Osten durch Rickschaws, leichte zweirädrige Wagen, zwischen deren Deichselstangen ein Chinese läuft. Es soll über zehntausend solcher Beförderungsmittel in Singapur   geben. Der Nickschawfuli steht auf einer tiefen Stufe, nicht viel höher als ein Huftier, dessen Amt er übernommen hat; viele von ihnen haben kaum sprechen gelernt, sondern behelfen sich in ihrem Beruf mit leichtfaßlichen Gebärden, kennen den Unterschied zwischen rechts und links, wenig stens wenn man mit einem Stocke nachhilft; fie lassen sich durch Burufe in Gang setzen und anhalten und haben im übrigen feine Verwendung für Geistesgaben. Und doch sagt man, daß die meisten der steinreichen chinesischen   Kaufleute in Singapur   ursprünglich als stumme Zugtiere begonnen haben.

Der Weg ist so: man mietet einen Rickschaw, nachdem man durch den ungeheuren Bevölkerungsdruck daheim in China   aus dem Lande herausgedrängt wurde, mit einer Djunte nach Süden auss gewandert und in Singapur   an Land gegangen ist. Und wenn man einige Monate mit dem Fahrzeug gelaufen ist, erwirbt man es und läuft weiter, bis man ein zweites erwerben kann, das man einem anderen Anfänger vermietet, und so immer weiter, bis man schließ lich Fuhrwerksbesitzer ist, Kapitalist, Wucherer, Besitzer eines Spiel­hauses und einer Opiumkneipe, Schiffsreeder und Millionär, wor auf man entweder wie ein frommer Sohn des Himmels nach China  , dem Lande der Gräber, zurückkehrt, oder ein Abtrünniger bleibt, der mit amerikanischen   Stiefeln an den Füßen und mit einem runden, englischen Filzhut auf dem bezopften Haupt in einer Equipage mit australischem Vollblutgespann fährt, und sich vor­fichtig an der Schnur auf der Rennbahn vorbeidrückt, außerhalb derselben, während die weißgekleideten, faltblütigen Engländer sich auf dem Rasen ergehen und kaum zu wissen scheinen, daß der gelbe Millionenfürst verliebt und haßerfüllt zu ihnen hineinstarrt und nie verzeiht, nie vergißt, daß diese Weißen, auf die er tief herab. sieht, ihn niemals als ihresgleichen betrachten wollen... das ist

der Weg.

Hoang Tchin Fo hatte ihn auch einst vor sich gesehen, ja, vor zwanzig Singapursommern, was so viel wie eine Ewigkeit bedeutet. Aber es war beim Weg geblieben, nichts anderes als der Weg, bis Hoang Tchin Fo sich selbst und sein Ziel vergessen hatte, bis er das älteste Geschöpf der Welt, und laufend ein altes Sfelett ge= worden war, das kleine Schritte machte, aber doch lief, wie cine steifbeinige Mähre, die über den Boden jammert. Ach, er hatte getrabt, ja, er hatte gelausen, gelaufen, gelaufen, tausend Jahre lang, bis seine nackten Füße dieselbe Färbung bekommen hatten wie der ockergelbe Staub auf den Wegen in Singapur  , und er trabte noch immer und hatte es noch nicht einmal soweit gebracht, den zerlumpten Rickschaw selbst zu besitzen, in dem er die Fremden­teufel mit den steinharten, blauen Augen zog, bald vom ofis" zut shaw- shaw", was Essen   und also Hotel bedeutet, bald durch die Malay Street und bald nach Bukit Tima, einen Weg von sechs Stunden unter der Tropensonne in dreiunddreißig Grad feuchter Wärme, bis er wie aus dem Wasser gezogen war und das Lendentuch von Schweiß trieste, bald nach den Wasserwerken und bald nach dem Votanischen Garten, Trablauf kanan und firi... und außerdem mußte er noch bei jeder zweiten Tour

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* Aus Erotische Novellen" von Johannes V. Jensen. S. Fischer, Ber lag, Berlin  .