Für unsere Mütter und Hausfrauen

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Nr. 26 。。。。。。。° Beilage zur Gleichheit oooooooo

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Ein Inhaltsverzeichnis: Wir sind so gemein. Von Ernest Jones. Für Besuch im Kinderheim in Mailand . Von Anna Guttmann. Feuilleton: Der Kuli. Von Johannes die Hausfrau. Hygiene. Feuilleton: Der Kuli. Von Johannes B. Jensen.( Schluß.)

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Wir sind so gemein.

Von Ernest Jones.

Wir pflügen und'n! Wir sind so gemein, zu schaufein, zu graben im Grunde, bis Wiese und Rain, bis Flur und Hain von früchten strotzt in der Runde.

Wohl sehen wir's ein, wir find so gemein, und werden es niemals vergessen;

wir kneten das Brot, wir schießen es ein, doch sind zu gemein, es zu essen.

Wir steigen hinein

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wir sind so gemein

in der Höhlen finsterste Minen,

wir graben das herrlichste Edelgestein, das je noch in Kronen geschienen;

fehlt Geld im Schrein, wir schaffen es fein- nicht die im Überfluß schwimmen-

zum Zahlen find wir nicht zu gemein,

doch viel zu gemein, um zu stimmen.

Wir sind so gemein, o, wir sind so gemein!

Doch mauern und bau'n unsere Hände;

den Reichen fügen Stein wir an Stein

zu Kirch' und Palast ohne Ende.

Wir bauen das Schloß, wir schmücken es aus, wir müssen es scheuern und bohnen;

wir sind zu gemein nicht, zu bauen das Haus, doch viel zu gemein, drin zu wohnen.

Wir sind so gemein, o, wir sind so gemein! Doch spinnen wir Seide und Wolle,

daß glänzend das Lein um des Reichen Gebein in wärmenden falten sich rolle.

Wir kennen den Spruch, wir kennen den Fluch, was helfen uns Jammer und Klagen? Wir sind zu gemein nicht, zu weben das Tuch, doch viel zu gemein, es zu tragen.

Wir sind so gemein, o, wir sind so gemein! Doch wenn die Trompeten erklingen, da stellen wir Armen uns in die Reihn, das Schwert für die Reichen zu schwingen. Wir sind so gemein! Doch fetzen wir ein das Leben, den Sieg zu ereilen-

zu töten den Feind sind wir nicht zu gemein, wohl aber die Beute zu teilen.

Wir sind so gemein, doch soll es so sein? Soul's immer so bleiben auf Erden?

Dem Reichen den Wein, den Glanz und den Schein, dem Armen nur Last und Beschwerden? Wir sind so gemein! Doch sagen wir: Nein! Wir müssen die Rechnung beschließen. Wir füllen den Schrein; wir werden's auch sein, die künftig die Früchte genießen.

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Ein Besuch im Kinderheim in Mailand .

Von Anna Guttmann.

Helle, frische Kinderstimmen schallen mir durch die offene Tür entgegen, und sowie ich nur in das Zimmer trete, bin ich von einem Kreis kleiner drei bis sechsjähriger Buben und Mädel umringt, strecken sich mir zwanzig saubere Händchen entgegen, um mir Buon Giorno!"( Guten Tag!) zu wünschen. Eitel Sonne und Frohmut strahlt aus den braunen und schwarzen Augen. Wie könnt's auch anders sein hier in diesem von Licht und Sonne durchfluteten hohen Saal, dessen helle Wände mit bunten Märchenbildern geschmückt sind, in dem immergrüne Blattpflanzen die kleinen Erker zieren und

1911

der Inhalt zweier großer mit Glastüren versehener Schränke den Besucher rasch erkennen läßt, wie gut für eine zweckmäßige Bes schäftigung der Kinder vorgesorgt ist. Wahrlich, dieser Raum ent­spricht wirklich seinem Zwecke, fünfzig fleinen Arbeiterkindern eine Stätte der Freude, der Gesundheit und der Erziehung zu sein!

Jetzt hat mich auch die inmitten einer Kindergruppe beinahe versteckte Leiterin bemerkt. Sie versucht vergebens, die an ihrem Rocke hängenden Kleinen abzuschütteln, und kommt mit ihrer frohen Herde selbst froh und heiter auf mich zu. Die Leiterin ist sogleich bereit, mir die Einrichtungen des Hauses zu zeigen und zu erklären. Liebenswürdig schlägt sie mir vor, den Vormittag im Heim zu ver weilen, um die Beschäftigung und Beaufsichtigung der Kinder nach der von der römischen Arztin Maria Montessori neu zu­sammengestellten Methode eingehend beobachten zu können. Nach dem sie die Kinder der Obhut der beiden Nebenlehrerinnen anver traut hat, führt sie mich zunächst in ihr kleines, schön eingerichtetes Arbeitszimmer, in dem sich auch die Hausapotheke für etwaige Verlegungen befindet. In einer Lade des Schreibtisches sind die Statistikbogen aufbewahrt; es werden nämlich monatlich bei jedem einzelnen Kinde Körpermessungen vorgenommen, die genau ver­merkt und am Ende des Jahres der Gesellschaft vorgelegt werden müssen, die dieses Kinderheim errichtet hat. Diese Gesellschaft ist die Umanitaria". Die Umanitaria" steht nicht nur in Mailand , sondern auch in ganz Italien einzig da. Sie wird von der Erb schaft des großen Volksfreundes Loria erhalten, jetzt fast aus. schließlich von Parteigenossen geleitet, und verfolgt den Zweck, der großen Arbeitslosigkeit durch die verschiedensten Einrichtungen zu steuern, wie ein Arbeitshaus für Beschäftigungslose, ferner durch Gewerbe, Kunst- und Haushaltungsschulen, durch Agrar- und Auswanderungsämter und durch Stellenvermittlung. Vor vier Jahren hat die Umanitaria" auch begonnen, billige, aber zweck mäßige und schöne Arbeiterhäuser zu bauen, und zwei große Blöcke von je zwölf Häusern stehen jetzt fertig an der Peripherie Mat lands da.

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Um den Müttern der dort wohnenden Familien, die entweder tagsüber zur Arbeit gehen oder im Hause erwerbstätig sind, die große Sorge um die Kinder abzunehmen, hat man inmitten der Blöcke, umgeben von einem schmucken Gärtlein, je ein Kinder­haus errichtet. In diesem verbringen die Kinder unter der Auf­sicht geprüfter Lehrerinnen den Tag auf die schönste Weise spielend, lernend und arbeitend. Das Kinderheim enthält außer dem großen Arbeitssaal noch einen ebenso großen und schönen, mit einem Klavier ausgestatteten Spielraum, der in unmittelbarer Ber bindung mit dem Garten steht, so daß sich die Kinder je nach Be lieben brinnen oder im Garten aufhalten können. Neben den vier fleinen, sehr sauber und hygienisch eingerichteten Kabinetträumen und einem mit sechs Wasserhähnen versehenen Trinkraum befindet sich noch als letter, aber nicht unwichtigster Teil des Hauses der Baderaum mit Badewanne und Dusche; hier werden täglich fünf bis sechs Kinder gebadet, so daß ungefähr alle zehn Tage jedes Kind sein Bad erhält.

Während ich mir das alles anschaute, hörte ich dann und wann aus dem Spielraum Klaviertöne herüberklingen. Wir begeben uns jetzt in diesen Saal, um zu sehen, was es hier gibt. Da sitzt die Unterlehrerin am Klavier, schlägt die Melodie eines bekannten Marschliedes an, und nach und nach sammeln sich, aus allen Winkeln des Hauses und aus dem Garten kommend, die Kleinen an. Ohne durch irgend einen Befehl zum Marschieren gezwungen zu sein, stellen sie sich auf, natürlich groß und klein durcheinander, und nun marschieren sie in flottem Schrittempo los, je nach dem Klavierspiel einmal leise, ein andermal laut auftretend. Jetzt be gleiten sie sich selbst zum Marschieren, und gar luftig ist es an zuhören, wie sie stets den Tattteil betonen, der auf den linken Fuß fällt, damit sich allmählich an den Gleichschritt auch die Kleinsten gewöhnen, die natürlich fröhlich ohne Taft mittrippeln. Aber bald sind die Kinder des Marschierens müde, und es werden aus ihrer Mitte selbst Kreis- und Reigenspiele vorgeschlagen. Man kann sich nicht gleich einigen, schließlich aber teilen sich die Spielenden in zwei Gruppen, und während ein Teil draußen im Garten mit einer Lehrerin einfachste Reigenformen übt, schließt sich der andere im Saale zu einem Kreisspiel zusammen.

Unter solchen gemeinsamen und Einzelspielen, auch Einzelunter­haltungen der Lehrerinnen mit den Kindern ist es 10 Uhr geworden,