Für unsere Mütter und Hausfrauen
0 0 0 0 0 о 0 1913
Nr. 14° 。。。。。。。 Beilage zur Gleichheit•° O O O O O O O
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Inhaltsverzeichnis: Ludwig Uhland . Von Otto Wittner. Etwas von der Kinderkleidung. I.- Feuilleton: Drei Tode. Von Leo Tolstoi .
Wenn man unsere bürgerlichen Literaturgeschichten der Gegenwart über Ludwig Uhland befragt, wissen sie einem allerlei zu erzählen über den Meister der Ballade, über den großen Lyriker, der für die Stimmungen der Seele wie für die Schwingungen der Luft über der Landschaft den klarsten Ausdruck fand, über den Dichter nationaler Gesinnungsdramen, über den Erforscher deutscher Sage und mittelalterlicher Literatur. Schließlich können sie nicht umhin, nebenbei zu bemerken, daß er sein Teil zu der deut schen Tendenzlyrik beitrug, die nach den Befreiungskriegen sich entfaltete und eine Vorläuferin der achtundvierziger Revolutionsstürme war. Was jedoch den Wesenstern dieses aufrechten Mannes ausmachte, was Leben, Dichten, Forschen färbend durchdrang, seine demokratische Weltanschauung, sein begeisterter Glaube und seine Hingabe an das Volkstum davon wissen sie nichts, teils aus mangelndem Verständnis, teils aus mangelndem Willen. Das erscheint ihnen im besten Falle als eine Schrulle, die man dem im übrigen so verdienstvollen Mann wohl hingehen lassen mag; im schlimmeren als die charakteristische Beschränktheit eines schwäbischen Eigenbrödlers, über dessen Ahnungsvermögen die neupreußisch- deutsche Nationalpolitik hinausging.
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Uhlands dichterisches wie sein wissenschaftliches Schaffen steht im unmittelbarsten Zusammenhang mit jener Zeitströmung, die wir die Romantik nennen. Ihr Wesen ist ein hochfliegender Idealismus, der nach Allumfassung strebt, der alle Gegensätze in sich vereinigen möchte: im Leben tiefste Bewußtheit und höchste Einfalt; in der Kunst das klassische Altertum in seiner strengen Stilform und die scheinbar regellose Freiheit Shakespeares, der in Deutschland durch sie neu lebend geworden war; in der Weltanschauung die Ungebundenheit des in alle Tiefen dringenden Denkens und die Bindung religiösen Glaubens. Unter den idea= listischen Nomantikern steht aber Uhland fest und sicher als der einzige Realist. Seine freundlich- flare Nüchternheit hebt sich von ihrem steten Drange nach neuer Berauschung ab. Uhland hat immer den festen Boden seiner Heimat unter den Füßen, wo jene nur zu leicht auf ihren hochgemuten Flügen die Erde vergessen und im Wolkennebel waten. Er hat deshalb weder seelische Katastrophen erlebt toie etwa Brentano , noch in pfäffischer Zerknirschung den dichterischen Taumel widerrufen wie Zacharias Werner , noch Geischter" beschworen wie sein Freund Justinus Kerner auf der Burg von Weinsberg . über seinem Leben liegt dieselbe klare Sonne wie über seinem Dichten.
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Wie Lessing ist Uhland Dichter, Gelehrter und Kämpfer in einem gewesen. Er ist nie einem Kampfe oder einer Entscheidung ausgewichen, hat nie pattiert wie fast alle übrigen Romantiker, wenn sie nach dem idealistischen Hochflug wieder die Erde mit Füßen traten. Dabei verfloß sein ganzes Leben unter Kämpfen und Entscheidungen. Der Beginn seiner Laufbahn fällt in die Zeit der württembergischen Verfassungskonflikte, die mit dem Jahre 1815 einsetzten. Neigung trieb Uhland früh zur Erforschung der älteren Literatur und der Volkssage. Aber diese Wissenschaft war damals noch in den Anfängen, sie war weder Unterrichtsgegenstand an den Schulen, noch ermöglichte sie eine akademische Laufbahn. Ein Leben war auf ihr Studium nicht zu gründen. Uhland studierte die Rechte. Er hätte nun in den Staatsdienst eintreten können, der ihm am leichtesten die Möglichkeit gewährt haben würde, seine wissenschaftlichen Lieblingspläne auszuführen. Diesen Schritt wies aber Uhland entschieden von sich, solange der Streit zwischen den Ständen und der Regierung nicht beigelegt sei. Hingegen sehen wir fast alle die idealistischen Romantiker mehr oder minder früh ihren Platz an der Staatstrippe finden, von innerem Widerstreit oder Gewissensbedenklichkeiten ist nur bei wenigen von ihnen ein Geringes zu bemerken, etwa bei dem genialsten unter ihnen, dem Erfinder tiefsinnig- launischer Märchen, E. T. A. Hoffmann. Uhland wurde Advokat, um sich in einiger Unabhängigkeit zu halten". Als Advokat nahm er an dem Kampfe der württembergischen Landstände gegen die Verfassungsänderung des Königs teil. Die Erregung des politischen Kampfes gab Uhland neue Lieder
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ein. Einige Jahre zuvor hatte er seine erste Gedichtsammlung veröffentlicht. In dieser stehen neben der heiter Hallenden Kampffreude seiner Balladen vom„ Blinden König" und von„ Taillefer", neben dem Humor der„ Schwäbischen Kunde" und des„ Richard Ohnefurcht" die zu Volksliedern gewordenen Gedichte vom„ Guten Kameraden" und von der Wirtin Töchterlein", vom Weißen Hirsch" und vom„ Wundermilden Wirt". Nun ergreift die Politik auch seine Dichtung. Er weiht sein Lied dem„ Guten alten Recht". Sogar sein Eberhard brummt in den Rauschebart, daß das Volk erst in Nöten und Gefahren sich echt zeige ein deutlicher Hinweis auf die Befreiungskriege und man ihm darum sein gutes altes Recht wahren möge. Uhland singt aber auch gegen die Fürsten , feiner sei so hochgestellt, daß, wenn die Welt nach Freiheit dürstet, er sie mit Freiheit tränken kann". Man sieht schon hieraus, daß Uhland von einer noch etwas romantischen Begeisterung für das alte landständische Wesen zu einer moderneren demokratischen Auffassung sich entwickelt: er wendet sich ebensosehr gegen die eilfertige Verfassungsmacherei von oben wie gegen verstocktes Festhalten an geschichtlich überwundenen Vorrechten. Und von württembergischer Kirchturmpolitik ist nichts in ihm: sein schwäbischer Winkel wurde ihm zu einem Abbild der deutschen Welt. Hierbei darf man nicht vergessen, daß in den meisten Staaten des Deut schen Bundes es damals überhaupt keine Verfassungen gab. So hatte der König von Preußen sein ganz unzweideutig gegebenes Versprechen von 1813 nicht erfüllt. Den Regierungen der deutschen Großstaaten war überhaupt das regere politische Leben der kleinen im Süden hinderlich in der Aufrechterhaltung ihres reaktionären Systems. Sie übten den stärksten Druck auf jene aus, um jeden weiteren Fortschritt zu verhindern. Unter diesen Umständen hatten die Verhandlungen in der württembergischen, in der badischen Kammer in der Tat eine besondere Bedeutung für ganz Deutschland . Von 1819 ab ist Uhland im Landtag zu Ludwigsburg tätig als Vertreter Tübingens . Unablässig sehen wir ihn um die freiheitliche Ausgestaltung der Verfassung bemüht. Mit besonderer Leidenschaft tritt er für die Beseitigung der Ersten Kammer ein, durch die sich der höhere Adel seine Vorrechte sicherte. Bei alledem war Uhland aber noch monarchisch gesinnt; es besteht für ihn ein Verhältnis dauernder gegenseitiger Verpflichtung zwischen Fürst und Volk, das bei jedem Thronwechsel zu erneuern sei. Später ist ca vor allem die Preßfreiheit, für die der Dichter sich entzündet. Auch hier hatte sich ein Gegensatz zwischen den süddeutschen Staaten und Österreich - Preußen zugeschärft; auch hier mußten die kleinen dem Drucke der mächtigen nachgeben. Uhland erklärte die Verfassung für verleßt: aber das blieb natürlich ein wirkungsloser Protest.
1829 wurde Uhland , der inzwischen einige bedeutende fachwissenschaftliche Schriften veröffentlicht hatte, hierunter seine Studie über Walter von der Vogelweide , zum Professor an der Uni versität Tübingen ernannt. Auch als Professor gewann er so rasch Geltung, Ruhm, Beliebtheit wie als Dichter. Indessen hatte seine Lehrtätigkeit keine lange Dauer. Hatte er vorher den Staatsdienst gemieden, um politische Bewegungsfreiheit zu haben, so verzichtete er auch jeßt nicht auf die Betätigung seiner politischen Gesinnung. Dadurch kam es sehr bald zum Konflikt. Daß Uhland für die Dauer seines Mandats auf den Professorengehalt verzichtete, schob ihn nur wenig auf: für die Tagung von 1833 wurde ihm der Urlaub verweigert. Ohne zu schwanken, gab Uhland sofort seine Professur auf.
Fast zwanzig Jahre gehörte der Dichter der württembergischen Kammer an. Wiederholt erhob er noch seine Stimme für Preßfreiheit, für den Ausbau der Selbstverwaltung. Als er 1838 sich aus dem politischen Leben zurückzog, leitete ihn wohl das Gefühl, daß eine gründliche Verbesserung der elenden deutschen Zustände im Sinne seiner demokratischen überzeugung nicht herbeizuführen sei durch Debatten in den einflußlosen süddeutschen Parlamenten, die so weit abseits von den Herzpunkten der deutschen Entwicklung lagen. Andere Kräfte mußten da in Wirksamkeit treten.
Als aber im März 1848 die gewaltige Volksbewegung alle diese Fragen auf einmal zur Lösung stellte, da war auch Uhland sofort wieder auf dem Plazze. Schon dem Vorparlament gehörte er an, das noch der alte Bundesrat, wankend unter den Stößen der revoIutionären Erhebung, zur Vorberatung eines Reichsgrundgesetzes einberufen hatte. Was dort geleistet wurde, genügte jedoch bei weitem nicht Uhlands demokratischer Gesinnung, die sich immer