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Für unsere Mütter und Hausfrauen

" O mein Gott, so begreifen Sie doch meine Lage. Wie kann ich ihr von ihrem letzten Willen sprechen!... Es komme, wie es will, ich kann ihr das nicht sagen. Sie wissen doch, wie gut sie ist...."

,, Versuchen Sie doch, ihr zuzureden, daß sie warte, bis es Schneewege gibt," sagte der Arzt, bedeutsam den Kopf hin und her wiegend. Es könnte uns unterwegs schlimm ergehen." de

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Aksiuscha, he, Afsiuscha," rief gellend die Tochter des Post­halters, indem sie die Kazawaika über den Kopf warf und über die schmuzige Hintertreppe lief. Komm', wir wollen uns die Gutsherrin von Schirkin ansehen. Sie ist brustkrant, heißt es, und reist ins Ausland. Ich habe noch nie einen Schwindsüchtigen gesehen."

Affiuscha kam eilig an die Schwelle, die beiden Mädchen faßten sich bei der Hand und eilten zum Tore hinaus. In langsamerem Schritte gingen sie um die Kalesche herum und blickten durch das herabgelassene Fenster hinein. Die Kranke wandte ihren Kopf nach ihnen um, als sie aber ihre Neugierde bemerkte, wurde sie unwillig und wandte sich zurüd.

,, Du lie- ie- ber Himmel," sagte die Posthalterstochter, hastig den Kopf zurückwerfend, was war das für eine Frau, und wie sicht sie jetzt aus! Ach, entfeßlich! Hast du gesehen, Afsiuscha, hast du gesehen?"

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" Ach, wie mager sie ist," stimmte Aksiuscha zu. Komm', wir wollen noch einmal hinsehen, als ob wir an den Brunnen gingen. Sichst du, sie hat sich umgedreht, und ich habe sie noch nicht ge= sehen. Wie traurig, Mascha."

Ach, und was für ein Schmut!" antwortete Mascha, und beide liefen zum Tore zurück.

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Nur

" Ich muß wohl schrecklich aussehen," dachte die Kranke. so schnell als möglich ins Ausland, dort werde ich bald wieder ge­sund werden."

Nun, wie geht es dir, meine Liebe?" sagte der Gatte, indem er an die Kutsche herantrat, noch mit einem Bissen im Munde.

" Immer ein und dieselbe Frage," dachte die Kranke, und ißt dabei." So so," murmelte sie durch die Zähne.

"

,, Weißt du, meine Liebe, ich fürchte, die Reise wird dir schaden bei diesem Wetter. Eduard Jwanowitsch meint es auch. Sollen wir nicht umkehren?"

Sie war ärgerlich und schwieg.

" Das Wetter wird besser werden, der Weg wird vielleicht glatter sein, und auch dir kann besser werden, dann könnten wir alle zu­sammen fahren."

Verzeihe. Hätte ich dir nur früher nicht gefolgt, ich wäre jetzt in Berlin   und wäre ganz gesund."

,, Was soll man tun, mein Engel? Es war unmöglich, du weißt cs ja; aber jetzt, wo du einen Monat hier bleiben wolltest, würde dir bedeutend besser werden, ich würde meine Geschäfte erledigen, wir könnten die Kinder mitnehmen...."

Die Kinder sind gesund und ich nicht."

Aber bedenke doch, meine Liebe, bei diesem Wetter! Wenn dir unterwegs schlimmer würde... so ist man wenigstens zu Hause." Und wenn schon zu Hause?... sterben zu Hause?" antwortete die Kranke erregt. Aber das Wort sterben". hatte sie offenbar er­schreckt, sie sah ihren Gatten flehend und fragend an. Er senkte die Augen und schwieg. Der Mund der Kranken zuckte plötzlich wie bei einem Kinde, und Tränen stürzten aus ihren Augen. Der Gatte bedeckte sein Gesicht mit einem Tuche und entfernte sich schweigend von der Kutsche.

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,, Nein, ich will fahren," sagte die Kranke; sie richtete die Augen gen Himmel, faltete die Hände und flüsterte unzusammenhängende Worte. Mein Gott, wofür das?" sagte sie, und ihre Tränen strömten immer reichlicher. Sie betete lange und inbrünstig, aber in ihrer Brust war ein schmerzliches, beklommenes Gefühl; auch der Himmel, auch Felder und Wege waren so grau und düster, und derselbe herbstliche Nebel lag ohne dichter, ohne lichter zu werden auf dem Schmuße der Straßen, auf den Dächern, auf der Kutsche, auf den Schafpelzen der Kutscher  , die unter fröhlichem, lautem Geplauder die Räder schmiertem und die Pferde schirrten.

II.

Die Kutsche war angespannt, aber der Kutscher   fehlte. Er war in die Kutscherstube gegangen. In der Stube war es schwül, dumpfig und drückend; es roch nach Menschen, nach frisch ge­backenem Brote, nach Kohl und Schaffellen. Mehrere Kutscher  waren im Zimmer, die Köchin machte sich am Ofen zu schaffen, oben auf dem Ofen lag in einen Schafpelz gehüllt ein Kranker.

Onkel Chfjodor! he, Onkel Chfjodor," sagte ein junger Bursche, cin Kutscher, der im Schafpelz, die Peitsche am Gürtel, ins Zimmer trat und sich dem Kranken zuwendete.

Nr. 14

Was willst du von Fjodor, du Strolch?" rief einer der Kutscher  . Dort in der Kutsche wartet man auf dich."

Ich will ihn um die Stiefel bitten, meine sind schlecht ge= worden," antwortete der Bursche, warf dabei sein Haar zurück und steckte seine Handschuhe in den Gürtel. Schläft er etwa? He, Onkel Chfjodor!" rief er, näher an den Ofen herantretend.

Was denn?" ließ sich eine schwache Stimme vernehmen, und cin rotes, mageres Gesicht beugte sich über den Ofenrand. Eine breite, hagere, bleiche, mit Haaren bedeckte Hand zog den Rock über die eckige Schulter, die in ein schmutziges Hemd gehüllt war. ,, Gib mir zu trinken, Bruder. Was willst du?"

Der Bursche reichte ihm den Wasserkrug hin. Sieh' mal an, Fedja," sagte er stockend" sieh' mal an, gelt, du du brauchst doch jetzt die neuen Stiefel nicht, gib sie mir wirst ja nicht drin gehen."

Der Kranke sant mit dem müden Kopfe auf den glänzenden Krug, tauchte den dünnen, herabhängenden Schnurrbart in das dunkle Wasser und trank schwach und gierig. Sein wirrer Bart war unsauber. Die hohlen, trüben Augen konnten sich nur mit Mühe zu dem Gesicht des Burschen erheben. Als er genug ge= trunken hatte, wollte er die Hand erheben, um die feuchten Lippen zu trocknen, aber er konnte nicht und trocknete sie an dem Ärmel des Rockes. Er sprach kein Wort, atmete schwer durch die Nase, sah dem Burschen fest in die Augen und nahm alle seine Kräfte zusammen.

" Hast du sie vielleicht schon jemand versprochen?" sagte der Bursche, dann ist es umsonst. Die Hauptsache ist, es ist draußen naß, und ich muß fahren. Da dachte ich mir, willst den Fedja um die Stiefel bitten, gelt, er braucht sie ja nicht. Wenn du sie viel­leicht selbst brauchst, sag's nur...."

In der Brust des Kranken begann es zu glucksen und zu röcheln; er beugte sich vornüber und erstickte fast an einem hohlen Husten tief im Halse.

"

Ei, wie, selbst brauchen?" schrie die Köchin gellend durchs ganze Zimmer. Schon den zweiten Monat kommt er nicht vom Ofen herunter. Sieh doch, wie er sich quält, es tut einem selbst förmlich weh, wenn'man's nur mit anhört. Wie sollte der Stiefel brauchen? In neuen Stiefeln werden sie ihn nicht begraben... und Zeit wär's längst, Gott   verzeih mir die Sünde. Sieh, wie cr fich quält! Wenn man ihn wenigstens in eine andere Stube brächte oder sonst wohin. Da heißt cs, in der Stadt sind Krankenhäuser. Geht denn das er nimmt die ganze Ecke ein, na, und fertig! Nicht rühren kann man sich, und da verlangt man noch Rein­lichkeit!"

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" Heda, Serjoga! Mach, daß du auf den Bod kommst, die Herr­schaft wartet," rief der Postmeister durch die Tür.

Serjoga wollte schon gehen, ohne die Antwort abzuwarten, aber der Kranke gab ihm während des Hustens mit den Augen zu ver­stehen, daß er antworten wollte.

" Nimm dir die Stiefel, Serjoga," sagte er, nachdem er den Husten unterdrückt und ein wenig geruht hatte; aber höre, einen Stein kaufst du mir, wenn ich sterbe," fügte er mit heiserer Stimme hinzu.

Dank schön, Onkel, ich nehme sie also, und den Stein, ja bei Gott, den Stein kauf' ich dir."

" Nicht wahr, Kinder, ihr habt's gehört?" fonnte der Kranke noch sagen, dann legte er sich wieder zurück und begann wieder zu Husten.

Gewiß haben wir's gehört," sagte einer von den Kutschern. Geh, Serjoga, auf deinen Bock, da kommt schon wieder der Post­meister gelaufen. Die gnädige Frau von Schirkin ist doch krant."

Serjoga zog schleunigst seine abgerissenen, unverhältnismäßig großen Stiefel ab und schleuderte sie unter die Bank. Die neuen Stiefel von Onkel Fjodor paßten ihm vortrefflich. Serjoga be= trachtete sie von allen Seiten, dann ging er zur Kutsche.

Ei! prächtige Stiefel! Gib her, ich will sie schmieren," sagte ciner der Kutscher, der einen Teerpinsel in der Hand hielt, gerade als Serjoga auf den Bock gekrochen war und die Zügel ergreifen wollte." Hat er sie umsonst gegeben?"

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,, Bist du etwa neidisch," antwortete Serjoga, indem er sich er­hob, um die Schöße seines Rockes über die Beine zu werfen! ,, Laß nur! nun los, meine Freundchen," schrie er den Pferden zu, fuhr mit der Peitsche durch die Luft, und die Kutsche und die Ka­lesche mit ihren Insassen, Koffern und Kisten rollten schnell über die feuchte Landstraße dahin und verschwanden in dem grauen ( Schluß folgt.) Herbstnebel.

Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Betkin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart  .

Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf. 6.m.b.8. tn Stuttgart  .