Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 16°

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Beilage zur Gleichheit oooooooo

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Inhaltsverzeichnis: Ein Blatt aus der Geschichte der Revolution in Deutschland  . Feuilleton: Ferne Lichter. Von Korolento. Die Spinne. Von Max Barthel  . Las Cigarreras. Von M.

Andersen Nerö.

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Ein Blatt aus der Geschichte der Revolution

in Deutschland  .

Die Revolution vom März 1848 starb, ohne ihr Ziel erreicht zu haben: die Junghämmerung der feudalen Kleinstaaten zu dem einen freien Deutschland  . Aber sie starb nicht rasch, nicht nieder­gestreckt von einem gewaltigen Keulenschlag der Reaktion, der die ungebrochene Kraft der vormärzlichen herrschenden Mächte ge­fündet hätte. Sie wurde langsam gemeuchelt durch die Schuld der Bourgeoisie, die die Revolution verriet. Die deutsche Bourgeoisie wollte sich auch fürderhin lieber von Gottesgnadentum, Burcau­fratie und Büttelwillkür treten lassen, als durch volle politische Demokratie der emporstrebenden Arbeiterklasse Bewegungs- und Kampfesfreiheit zu gönnen. Die deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt   a. M. wagte nicht, Deutschland   als Republik   zu proklamieren. Sie wagte nicht, der Reichsverfassung, die sie aus­arbeitete, die einzig wirksame Bürgschaft dafür zu schaffen, daß fie mehr ward als ein Blatt Papier  , das die reaktionären Regie­rungen hohnlachend in Feßen rissen: die allgemeine Voltsbewaff­nung. Die beschlossene Reichsverfassung vom März 1849 sollte Deutschland   ein Erbkaisertum bescheren. Das Frankfurter   Parla­ment fügte dem großen geschichtlichen Drama des Berliner   Barri­fadenkampfes eine verächtlich- groteste Posse hinzu. Mit geringer Majorität wählte es Friedrich Wilhelm IV.   von Preußen zum Kaiser der Deutschen  . Aber der Mann, der im Schloßhof noch vor den erschlagenen Freiheitshelden gezittert hatte, war unterdessen ins reine darüber gekommen, wie wenig er deren schwatselige und verratslüsterne Erben zu fürchten brauchte. Drohend ließ er in seiner Rede Preußens Schild und Schwert flirren, als er den Reif aus Dreck und Letten" zurückwies, dem allzu wahr­nehmbar der Ludergeruch der Revolution" anhaftete. Abgesehen von allem anderen, was dieses Geschenk seinem altpreußischen Haß gegen die Revolution verdächtig machte, stieß ihn die Reichsver­fassung namentlich dadurch ab, daß sie einen gefeßgebenden Reichs­tag schaffen wollte, bestehend aus zwei Körperschaften, von denen die eine das Volkshaus aus allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen hervorgehen sollte. Was die Reichsver­fassung brachte, war wenig genug, gemessen an den stolzen Hoff­nungen derer, die mit glühender Seele ihre Kraft und ihr Leben für die Revolution eingesetzt hatten, die Mutter der Freiheit. Aber immerhin war es ein Fortschritt über das vormärzliche politische Elend hinaus. In blutigen Aufständen ist daher für die Reichs­verfassung gestritten worden, als die Regierungen daran gingen, dem deutschen   Volke auch diese bescheidene Frucht der Revolution zu rauben. Wie die Dinge lagen, konnten diese Aufstände nicht zum Siege führen. Aber sie waren die einzigen tatkräftigen Ver­suche, die Revolution selbst zu retten, und die Beteiligung an ihnen zumal in Sachsen  , im Rheinland   und in Westfalen  bildet ein ehrenvolles Blatt in der Geschichte der deutschen   Ar­beiterklasse.

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Jm Königreich Sachsen wurde 1849 zuerst die Fahne der Re­bellion für die Reichsverfassung erhoben. Das schlechte Beispiel Friedrich Wilhelms IV. stärkte den reaktionären Eigensinn seines sächsischen Berufsgenossen. Der König von Sachsen   weigerte sich hartnädig, die Reichsverfassung anzuerkennen. Der Landtag, ein Kind des 1848er Freiheitssehnens, hielt daran fest, diese Anerken­nung entschieden zu fordern, und erklärte die Regierung des Ver­fassungsbruchs für schuldig. Diese machte mit der unbotmäßigen Bolfsvertretung kurzen Prozeß, sie hatte die Augen dem Herde der Reaktion, Berlin   zugewandt. Im richtigen Gottvertrauen auf die Feigheit der Spießbürger hatte dort Friedrich Wilhelm IV.   schon im November 1848 die preußische Nationalversammlung durch den alten Gamaschenknopf Wrangel mit dem Säbel verjagen lassen. Der milde und gerechte" König von Sachsen   blieb taub gegen die Mahnungen und Bitten zahlreicher Abordnungen aus dem Lande. Am 30. April ließ er das Parlament auflösen und sagte damit dem Volke die Fehde an.

1913

So geschah, was unter den Umständen unausbleiblich war. Am 3. Mai erfolgte in Dresden   eine Kundgebung der Bürgerwehr gegen die Regierung und ein Versuch der Arbeiter, sich aus dem Zeughaus zu bewaffnen. Es kam dabei zu einem blutigen Zu­sammenstoß mit dem Militär. Die Bürgerwehr handelte nach ihrer Natur als eine Schutzgarde des honetten Bürgertums" und seiner Ordnung der weisen Mäßigung". Sie erwählte die Vorsicht als der Tapferkeit besseren Teil und zog sich zurück, als das Pfeifen der Kugeln die tönenden Worte von Demonstrationen ablöste. Im Bewußtsein seiner Schuld und auf die Rettung der Reaktion durch preußische Bajonette bauend, floh der König mit seinen Ministern auf die Feste Königstein  . Am 4. Mai tonstituierte sich eine provi­sorische Regierung von drei Mitgliedern, die die verschiedenen Grüppchen der Opposition im aufgelösten Landtag vertraten. Der Dreimännerausschuß war der revolutionären Lage durchaus nicht gewachsen, wie ernst es auch Heubner mit der Reichsverfassung und Tschirner mit der Revolution meinte. In der Person des Oberstleutnant Heinze führte die Unfähigkeit, wenn nicht gar der Verrat den Oberbefehl über die revolutionären Streitkräfte, die sich nun im Kampfe mit einer Militärmacht messen mußten, die ihnen schon der Zahl nach vielfach überlegen war.

Barrikaden wuchsen in den Straßen Dresdens   aus der Erde, und vom Morgen des 5. Mai an wurde für die Reichsverfassung, für die Freiheit heiß gerungen. Es waren Arbeiter, die die Kern­truppe der Barrikadenbauer und Barrikadenkämpfer stellten. Daß es des Königs Soldaten" nicht sofort gelang, des Königs Volk" niederzuschlagen, war dem Eintreffen industrieller und ländlicher Arbeiter aus der Umgebung Dresdens   zu verdanken. Allein der er­hoffte Zuzug aus dem ganzen Lande blieb zu schwach, als daß die Sache der Revolution siegen konnte. Entscheidend dafür war die flägliche Haltung des einflußreichen Bürgertums in Leipzig  , das seine Freiheitsliebe mit vielen schwungvollen Worten beschworen hatte, aber nicht Kopf und Kragen für den Aufstand wagen wollte. So reichte der Zuzug von Streitern aus dem Lande kaum hin, die Lücken zu füllen, die die Spikkugeln der Soldaten in die Reihen der kühnen und ausdauernden Barrikadenkämpfer rissen. Deren Bahl stieg nicht über 3000 Mann, und ihre Ausrüstung bestand meist aus recht zweifelhaften Waffen; die Artillerie beschränkte sich auf einige kleine Böller, die mehr Lärm machten als Verderben spien. Die verfassungsbrüchige Regierung des Gottesgnadentums hatte sofort preußisches Militär zu Hilfe gerufen. Sie konnte gegen die Aufständischen 15 000 gut bewaffnete und geübte Netter der Ord­nung" loslassen und die Barrikaden mit einem wahren Kartätschen­bagel überschütten. Ein Wunder ist so nicht, daß die Barrikaden­fämpfer unterlagen, wohl aber, daß sie sich vier Tage lang hielten. Die glühende Freiheitsliebe, die Hingabe an eine große Sache licz ihnen trotz übermenschlicher Anstrengungen immer wieder die Kräfte wachsen. Erst als alle Aussichten zusammengebrochen waren, daß Freischaren aus dem Lande Hilfe bringen würden, gaben am Morgen des 9. Mai dreimal drei Schläge vom Kreuzturm das Signal zum Rückzug. Die irdische Dreieinigkeit der Infanterie, Kavallerie und Artillerie ließ das verstockte vormärzliche Gottes­gnadentum triumphieren. Die Lorbeeren des Kampfes gebührten den glorreich Unterlegenen, und die Sieger rächten sich für die Ruhmlosigkeit ihres Triumphes durch unmenschliche Grausamkeit gegen die Gefangenen, durch scheußliche Brutalität gegen die Ver­dächtigen. Ein bürgerlicher Demokrat, der kein revolutionärer Kämpfer war, brandmarkte das Wüten der bluttriefenden Ge­setzeshüter" in Dresden   durch den Ausspruch, die Reaktion wede wieder die Bestie im Menschen, nachdem die Revolution den Men­schen in der Bestie erwedt habe". Eine gewissenlose Justiz voll­endete, was das Standrecht begonnen hatte. Sie füllte die Gefäng­nisse mit den gefangenen Maifämpfern, die dem Mord entgangen waren. Die körperlichen und seelischen Qualen, denen sie zumal im Zuchthaus zu Waldheim   so gut wie schußlos preisgegeben waren, lassen noch bei der Lektüre das Blut in Mitgefühl und Empörung heiß wallen. Viele der Tapferen wurden derart tückisch zollweise gemordet. Andere überstanden diese Tortur zehn Jahre, wie Heub­ner, 13 Jahre, wie der Königliche Kapellmeister August Rödel. Gleich seinem berühmten Freund und Kollegen Richard Wagner   und dem genialen Baumeister Gottfried Semper  hatte auch Röckel sich dem Maiaufstand angeschlossen. Er war ein

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