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Für unsere Mütter und Hausfrauen
Teilen des Landes so verfemt, daß kein Mädchen mit einem Soldaten tanzte so hatte doch wohl die unvermeidliche Ernüchterung, das eigene Besinnen den größten Teil daran, unterstützt noch durch den baldigen Umschlag in dem Benehmen der Offiziere gegen die Mannschaft. Jene vertrauliche Kameradschaft, welche in der letzten Zeit vor dem Kampfe und während desselben wohl manche junge Einfalt verblendete, wich jetzt, nachdem die Gefahr vorüber war und man der willigen Hingebung der Soldaten nicht mehr bedurfte, dem alten tyrannischen übermut; denjenigen aber, die nicht so rasch begreifen wollten, wie die Zeiten sich wieder geändert hatten, wußte man das Verständnis dafür durch doppelt strenge Strafen beizubringen. So wurden zum Beispiel in Chemnig mehrere preußische Landwehrmänner, die sich dienstwidrig gegen einen ihrer Offiziere betragen hatten, zu dreißig Jahren Festungsstrafe verurteilt, und gegen die sächsischen Soldaten verfuhr man kaum milder. Zu all diesem kam noch die unmittelbare Einwirkung der nach dem Kampfe einberufenen Kriegsrefervisten, die sämtlich, wie loyale Blätter klagten, von dem schlechtesten Geiste beseelt waren und offen erklärten, sie seien gute Republikaner und würden sich danach zu benehmen wissen. Ich hörte, daß ein früher in Dresden gestandenes und jetzt aus Schleswig- Holstein zurückgefehrtes Regiment, Prinz Mar, wenn ich nicht irre, vor dem König oder dem Prinzen Johann die Revue passieren sollte. Die Offiziere allein begrüßten den Fürsten mit einem Hoch, die Soldaten sprachen vornehmlich durch ihr düsteres Schweigen. Das Regiment wurde denn auch sofort als verdächtig in die Provinz verwiesen..
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In den letzten Tagen des Monats August wurden Heubner, Bafunin und ich kettenbelastet bei Nacht und Nebel unter riesigem Militäraufgebot nach dem Königstein übergeführt. Wie ich später erfuhr, hatte man uns bei der trotz Belagerungszustand und preußischer Garnison sehr aufgeregten Stimmung des Volkes wie des sächsischen Militärs mehrere Abteilungen des letzteren wurden zur Strafe selbst in Belagerungszustand gesetzt in Dresden nicht mehr für sicher genug erachtet und deshalb nach der unzu= gänglichen Bergfeste gebracht. Unsere starke Bedeckung war an= geordnet worden, weil man trok des tiefen Geheimnisses, welches den Plan bis zum letzten Augenblick umgab, dennoch die Möglichkeit eines Befreiungsversuches auf dem Wege befürchtete. Wir hatten einige hundert Schritte zu gehen, che wir den Eingang erreichten, und ich mußte lächeln über die bombastischen Vorsichtsmaßregeln, die man auch jetzt noch gegen ein schlechthin undenkbares Entweichen der Gefesselten traf. Ich hatte zu beiden Seiten meine Unteroffiziere aus dem Wagen, mit ihrer Pistole in der Hand. Zwei Offiziere, ebenfalls mit Pistolen versehen, gingen vor und hinter mir, und eine dichte Wolfe von Infanterie umgab mich. Ganz ebenso Heubner und Bakunin . Die Reiterei war unten geblieben und versperrte die Straße gegen einen etwaigen noch unter den Kanonen der Festung befürchteten Angriff. Auch ein Umsehen unsererseits schien für sehr gefahrbringend zu gelten; es ward uns streng untersagt, und es entstand jedesmal ein gewaltiger Lärm, wenn wir es dennoch taten. Am äußeren Tore wurden uns auch noch die Augen verbunden, und je zwei Soldaten führten uns den steilen Pfad hinauf. Der größeren Sicherheit wegen waren wir auf den Königstein gebracht worden.
Die Gefahren und Schwierigkeiten der Aufgaben hielten jedoch eine bedeutende Zahl der Garnison nicht ab, unsere Befreiung zu beschließen. Heubner lehnte ab, Bakunin und ich erklärten uns bereit. Alles war vorbereitet, als am letzten Tage noch ein Zufall die Ausführung des Planes vereitelte und zugleich dem FestungsTommando soweit Verdachtsgründe lieferte, daß gleich in derselben Nacht eine Visitation unserer Zimmer vorgenommen wurde. Ich harrte, völlig angekleidet, der Befreier, als statt des verabredeten leisen Zeichens laute Tritte sich auf dem Vorsaal vernehmen ließen. Es blieb mir kaum Zeit, mich in das Bett zu hüllen, als die Türe aufgeschlossen wurde und der Adjutant mit Begleitung hereintrat. Er leuchtete mir ins Gesicht und beugte sich über mich, ließ sich jedoch durch meine Ruhe täuschen und entfernte sich, nachdem er noch die Gitter am Fenster untersucht hatte. Ein etwas schärferer Blick seinerseits, und das Ganze wäre verraten gewesen. Bei Gelegenheit des Spaziermarsches am nächsten Morgen teilten mir die Soldaten, zwischen denen ich ging, in rührender Weise durch lautes Seufzen mit, daß die Sache mißlungen sei. Die Garnison wurde gewechselt; vermutlich traf man auch schärfere Vorsichtsmaßregeln, der Versuch wurde hier wenigstens nicht wiederholt. Die in die Öffentlichkeit gedrungenen Gerüchte über den wegen der Beteiligung des Militärs und des Rufes der Festung ihr doppelt unangenehmen Vorfall ließ die Regierung dementieren. Die Untersuchungshaft auf dem Königstein zog sich lange hin, bis zum Juni 1850, und war voller seelischer Qualen. Die überführung
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nach dem Zuchthaus Waldheim geschah wieder nachts unter großen Vorsichtsmaßregeln. Der Gerichtsbote, der mit meinem Transport betraut war, legte mir eine zierliche Vorrichtung an, durch welche die eine Hand an den Leib geschlossen wurde, und so verließ ich die Festung, an deren Fuß ein Wagen unser harrte. Wie bei meiner Hinschaffung setzten sich auch jetzt zwei Unteroffiziere mit Pistolen mir gegenüber und der Gerichtsdiener zur Seite; nur fehlte diesmal die übrige Bedeckung; meine Begleiter waren sehr artig und sprachen sich ganz offen über die Zustände des Landes aus, bei welcher Gelegenheit namentlich die Unteroffiziere ihren tiefen Unmut über die gänzlich umgewandelten Verhältnisse bei dem Militär zu verhehlen suchten. Von ihnen erhielt ich zuerst die später oft wiederholte Tröstung:„ Sie brauchen nicht zu klagen, denn das ganze Land ist ein großes Zuchthaus geworden." Die große Masse des sächsischen Volkes wurde erst nach dem Mißlingen der Bewegung so recht von ihrem Geiste durchdrungen, und die Opposition gegen die Regierung war nach dem Maikampf weit allgemeiner und intensiver als vor und während demselben. Nie hatte ich vor den Maitagen so scharfe Urteile über den König selbst und das Leben der Minister gehört, als noch lange nachher aus dem Munde von Beamten sogar. Auch die Presse zeigte eine Kühnheit, die sich mit dem Gefühl einer tatsächlichen Niederlage nicht wohl vereinen ließ, und es liegen mir sächsische Blätter aus den Jahren 1849, 1850 und 1851 vor, deren Haltung kaum im Jahre 1848 radikaler hätte sein können. Der Regierung war die öffentliche Stimmung nicht unbekannt, und sie fand es daher auch geraten, mit ihren reaktionären Maßregeln nur ganz allmählich vorzugehen. Denn der geringste günstige Umschwung der deutschen Zustände wäre das Signal zu einem neuen Aufflammen der allgemeinen Entrüstung in Sachsen geworden, die diesmal sicher nicht so leicht zu löschen gewesen wäre. An sehr verständlichen Demonstrationen fehlte es nicht, und von einigen, die sich direkt auf uns bezogen, ward mir unmittelbar Kunde.
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Wenn die Regierung glaubte, sowohl uns selbst als den Maikampf in der öffentlichen Meinung dadurch herabzusehen, daß sie uns in das Zuchthaus sperrte, hatte sie sich arg getäuscht; die Wirfung war eine gerade entgegengesetzte, denn das Zuchthaus verler mit einem Male das Schimpfliche, welches demselben in der Vorstellung des Volkes bis dahin anklebte. Es befanden sich erst wenige politische Gefangene in Waldheim , als ich hinkam, und in deat Isoliergebäude war ich mehrere Tage noch allein; allmählich füllten sich jedoch die Räume, und auch die Zellen wurden besetzt. Die Zahl meiner Schicksalsgenossen in Waldheim belief sich im ganzen auf 250, unter denen etwa 50 Soldaten oder Reservisten gewesen sein mochten. Zum Tode verurteilt waren 25 von uns gewesen, und nicht weniger als 24 fanden sämtlich noch in den ersten Jahren ihr Grab auf dem dortigen Friedhof. Die Zahl der Maigefangenen in den anderen sächsischen Gefängnissen ist mir unbekannt geblieben. Auch im Zuchthaus zu Waldheim bereiteten Soldaten eine Befreiung der Maikämpfer vor. Eines Tages flüsterte mir der auf dem Gang stehende junge Soldat an der Türe zu, daß er mit mehreren seiner Kameraden sich verbunden habe, um mich und meine Freunde zu befreien. Beim nächsten Spaziergang erfuhr ich von dem früheren preußischen Leutnant v. Glümer der auch für die Betätigung seiner Gesinnung büßte, daß eine ähnliche Eröffnung auch an ihn gekommen sei. Es stellte sich bald heraus, daß sich unter den Schüßen zwei selbständige Verbindungen gebildet hatten, um uns zu befreien. Eine Verschmelzung beider war durch ihre Führer August über und Friedrich Fleischer bald bewirkt. Um unsere Schidsalsgenossen von dem Plane in Kenntnis zu setzen, beförderten die Soldaten ein kurzes Rundschreiben von einem zum anderen. Wie vergeblich der erfinderischen List gegenüber alle Vorsichtsmaßregeln sind, erwies fich auch hier. Mehrere unserer Mitgefangenen lehnten ab, an dem Versuch teilzunehmen, vierzehn bis sechzehn waren einverstanden. Viel war noch zu tun. Nachschlüssel, Wagen, Kleidung auch für die uns befreienden Soldaten auch ausreichende Geldmittel mußten beschafft werden. Freunde und Verwandte waren dabei opferbereit. Wochen und Monate waren über die Vorbereitungen hingegangen. Der bestimmte Tag, der 1. Oktober, rückte heran. Der Plan war so einfach, daß er kaum mißlingen fonnte. Drei Schlüssel und eine kleine Strickleiter, darauf beschränkten sich alle Erfordernisse. Wachthabende Soldaten sollten uns die Bellen öffnen, ebenso die Gartenpforte, und sich uns anschließen. Über die äußere Mauer hätte die Stridleiter geführt. Einige in der Nähe harrende Wagen sollten uns auf das Gut eines Gesinnungsgenossen führen, wo Freunde mit Kleidern, Papieren und Geld unserer harrten. Die Saumfeligkeit eines Schlossers in Leipzig er hatte den Schlüssel zur Gartenpforte nicht rechtzeitig fertig gemacht führte mittelbar
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