Nr. 22

Für unsere Mütter und Hausfrauen

Oberhautgewebe der Schleimhäute tief eindringt und eine grau­schwarze, festhaftende Decke bildet. Diese Dede schützt nun offenbar das darunterliegende Gewebe, indem es alle mechanischen Reize von der erkrankten Stelle abhält. Daher kann sich dort wieder das gewöhnliche Gewebe bilden und so die Heilung stattfinden. Die heilsame Wirkung des Heidelbeersaftes hängt also mit der be­fannten Blaufärbung der Haut zusammen. Die erkrankte Schleim­haut muß ziemlich lange mit der färbenden Flüssigkeit in Be­rührung bleiben, damit möglichst viel von dieser in fie eindringt, und die Bespülung muß häufig wiederholt werden. ähnlich ist ja die Wirkung der Hustenbonbons: die rauhe, entzündete, schmer zende Schleimhaut des Halses überziehen sie bei der Auflösung im Munde mit einer schleimigen und schüßenden Schicht, so daß Rauhigkeit und Schmerzgefühl im Halse bedeutend gelindert wer­den. Dieser überzug muß aber durch neue Bonbons immer wieder erneuert werden, da er nur an der Oberfläche haftet und bald hin­abgeschluckt wird, während der Heidelbeersaft in die Haut eindringt. Sogar bei der härtnädigen Schuppenflechte Bunge, die fich namentlich bei starten Rauchern findet, sind mit Heidelbeersaft sehr gute Erfolge erzielt worden. Oft bewährt als wirksames Heilmittel haben sich Heidelbeeren hei Durch- fall, selbst bei den durch die verschiedensten Medikamente nicht stillbaren Diarrhöen der Schwindsüchtigen. Nicht nur die Schleim­häute, sondern auch jede andere Hautoberfläche versieht der Farb­stoff des Heidelbeersaftes mit einem festhaftenden schüßenden Überzug. Daher erzielte Winterniß auch bei den verschiedensten Hautausschlägen und Flechtenarten rasche und dauernde Heilung. Natürlich soll deswegen dem Laien nicht emp­fohlen werden, sich bei Hautfrankheiten, die oft die Erscheinungen und Anzeichen schwerer Erkrankungen sind, selbst mit Heidelbeer­fast furieren zu wollen.

der

Auf alle Fälle verlohnt es sich, dieses vielseitige Heilmittel in der Küche stets vorrätig zu halten. Zur sommerlichen Neifezeit trocknet man die Heidelbeeren, auf Papier   einzeln gestreut, bis fie ganz zusammengeschrumpft sind, und hängt sie dann in Gaze­beutelchen an einem luftigen trockenen Orte auf. Braucht man fie später, so berfahre man folgendermaßen: 500 Gramm getrocknete Heidelbeeren werden mit 2 Liter faltem Wasser übergossen und 24 Stunden lang an einen warmen Ort gestellt. Nun wird das Ganze bei langfamem Feuer gefocht, bis es eine dide Syrupmasse bildet. Hierauf preßt man es durch ein feines Haarsieb, fügt etwa 1 Gramm Borsäure zu, dickt auf langsamem Feuer unter bestän­digem Umrühren noch etwas ein und füllt die Masse nach dem Gr­falten in gut verschließbare Flaschen. th.

Feuilleton

Hamza und Hanifa.

Von Gustaf Janson.

( Fortsetzung.)

Bei jedem Wort des Mannes nickte die Frau schweigend ihre Zustimmung. Denn so wunderbar hatte Gott Hamzas Wege ge= lenkt, daß seine Frau nicht wie andere Weiber eine lose Zunge hatte, sondern im Gegenteil immer schweigsam war. Wenn sie nach etwas gefragt wurde, mußte fie lange Zeit nach der Antwort suchen. Deshalb galt fie für noch einfältiger als der Mann.

Als die Palmen herangewachsen waren, kam das Alter zu Hamza. Wie alles andere nahm er auch das als eine gute Gabc. Hat nicht der Prophet gesagt, daß ein alter Mann sich am besten auf das Paradies vorbereitet? An seiner Seite alterte Hanifa.

" Wir haben das Glück gefunden!" erklärte Hamza oftmals, und Hanifa nickte.

Je älter er wurde, desto häufiger wiederholte Hamza diese Worte. Jeden Abend kniete er, das Gesicht nach Osten gewandt, und dankte und pries aus ganzem Herzen den Einzigen, den All­mächtigen.

Die Nachbarn im Dorf, in dem Hamzas Lehmhütte zuäußerst am Wege lag, waren voller Bewunderung für ihn. Wäre er nicht so schweigsam und beinahe schüchtern gewesen, hätten sie ihn für cinen heiligen Mann, fast für einen Marabut angesehen. Aber er schrie seine Gebete niemals mit lauter Stimme, zeigte sich nie in zerrissenen Kleidern und suchte nicht die belebtesten Stellen auf, wenn er seine Andacht verrichtete. Er war ebenso einfältig wie fromm.

So lebte Hamza unsträflich viele Jahre in seinem Garten hinter den Kattusheden, die Dieben und Wüstensand den Eingang wehr­

87

ten. Er baute sein Gemüse und pflegte seine Dattelpalmen und Feigenbäume, die ihm und Hanifa die Notdurft des Leben3 schenkten.

Das, wonach er gestrebt, hatte er erreicht und hegte keine wei­teren Wünsche.

Der einzige Freund, der das Ehepaar im Dorf einen Kilometer vor der Stadt besuchte, war Ali Scheckr, der Polizist. Er erzählte den beiden, was draußen in der Welt Neues geschah, und sie hör­ten ihm andächtig zu. Wenn er einige Datteln und eine Handboll Feigen verzehrt und seine Zigaretten geraucht hatte, brach er auf, grüßte und entfernte sich wieder.

,, Merkwürdig!" rief Hamza, als Ali Scheckt sich eines Abend.3 wieder auf den Heimweg begeben. Diese armseligen Gözendiener, die ihre Gebete an gemalte Bilder aus Holz oder Stein richten, wollen den Padischah mit Krieg anfallen! Begreifst du das, Frau?" Hanifa schüttelte nur den Kopf. An eine Sache, die ihrem Mann nicht klar war, verschwendete sie keinen Gedanken.

Klatsch vom Basar," beruhigte sich Hamza und dachte nicht weiter an das Gehörte. Morgen wollen wir die Palme in der linken Ede näher an die heranbiegen, die zuoberst auf dem Ab­hang steht. Hast du es gesehen, Hanifa, fie fehrt sich von den beiden männlichen Bäumen ab, die ihr am nächsten wachsen? Aber dem Starken da oben streckt sie sehnsüchtig ihre Blätter entgegen. Sie vergeht vor Liebe zu dem, den sie am schwersten erreichen kann. Da fommt es mir zu, die beiden zusammenzuführen, die der un­erbittliche Abstand trennt. Mache das lange Bastseil in Ordnung, Frau!" Und wie ein Vater, der mit seinen Kindern spricht, flüsterte Hamza freundlich den beiden Palmen ein: Morgen... mor­gen..." zu. Darauf ging er in die Hütte, indem er sagte: Du sollst mild gegen die Hilflosen sein! Steht es nicht geschrieben: , Berdirb keinen Dattelbaum! Er lohnt dir reichlich eine jegliche deiner guten Handlungen!""

11

Am folgenden Morgen arbeitete Hamza in seinem Garten, und wie er es am Abend vorher versprochen hatte, band er die beiden zuäußerst stehenden Bäume sicher mit Hanifas Bastseil zusammen und bog ihre Kronen zueinander hin. Hernach saß er viele Abende und betrachtete sein Werk.

Als der Same des männlichen Baumes über die Krone des niedriger stehenden weiblichen fiel, lächelte er, strich fich den Bart und sagte:

Soll sich ein guter Vater nicht seiner Kinder annehmen?" Hanifa saß neben dem Mann und lächelte wie er, aber ihrer Gewohnheit nach sagte sie nichts.

Du bist eine gute Frau!" plauderte Hamza weiter. Du bist reichlich die Handvoll Kupfermünzen wert, die der Verwandte deiner Mutter aus dem Beutel nahm, der bald wieder gefüllt wurde."

Der Sommer verging unter allerlei Arbeit. Gerüchte von einem italienischen Angriff auf Tripolis   waren ständig im Umlauf, und die Nachbarn riefen fie Hamza über die Kaktushede zu. Aber er wehrte mit den Händen ab, lächelte und sagte nur:

Sie sind ärmer als wir. Zudem gibt's ihrer nur wenige." " Ihr Land liegt auf der anderen Seite des Meeres. Da gibt c3 unzählige Italianos," antwortete der Nachbar.

Warum sollten sie uns anfallen?" fragte Hamza beinahe fampfluftig.

Sie find stärker als wir, fiehst du, stärker und zahlreicher." Das ist kein Grund," erklärte Hamza. Das Gesetz erlaubt doch nicht dem Stärkeren, einen Schwächeren zu schlagen."

Und von der Wahrheit seiner Behauptung überzeugt, fügte cr hinzu:

... Gott   weist feinem Ungerechten die Wege!"

Eines Tages im Herbst fam Ali Scheckt mit größerer Eile als je zuvor. Er vergaß den Dattelforb und sah die Feigen gar nicht an.

" Italianos!" pustete cr. Die Garnison marschiert aus der Stadt. Die Soldaten sollen nicht mal bei Ain Zara Halt machen." Und du?" fragte Hamza erstaunt.

" Ich bleibe. Jetzt sind doch wahrlich Männer vonnöten, um den Fremden zurechtzuhelfen. Wie sollte es werden, wenn wir eben­falls fortgingen?"

Aber Ali Scheckr redete ohne Fröhlichkeit und sah düster vor fich hin.

Er kehrte bald in die Stadt zurück, nachdem er Hamza feierlich Lebewohl gesagt hatte.

,, Begreifst du dies?" fragte dieser, als Ali Scheckr fort war. Aber die Frau schüttelte nur den Kopf.

In der Nacht klopfte es ungestüm an die Tür der Lehmhütte. Hamza machte auf und erkannte trotz der Dunkelheit einen tür­