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Für unsere Mütter und Hausfrauen
fischen Unteroffizier. Hinter ihm wurden einige Soldaten sichtbar und weiterhin eine größere Truppe.
,, Gibt's keine Moslims mehr?" fragte der Unteroffizier heftig. ,, Du redest töricht! Sind wir nicht alle Kinder eines Vaters?" " Hier, nimm!" Er reichte Hamza ein Gewehr und rief den Leuten hinter sich zu: Patronen!"
Ein Soldat legte einige vierkantige Pakete in Hamzas hingehaltene Hände.
,, Gibt's keine Moslims mehr?" rief der Unteroffizier aufs neue und schlug sich mit der geballten Faust vor die Brust. Gibt's keine Moslims mehr?"
"
" In Gottes Namen!" sagte Hamza und reichte Hanifa, die in der Tür erschienen war, die Patronenpakete.
Wenn das Signal ertönt!" flüsterte der Unteroffizier mit zuckenden Lippen. Du besikest ein Gewehr, du hast Patronen, denk daran, daß du ein Muselmann bist!"
„ Daran brauchst du mich nicht zu erinnern!" antwortete Hamza freundlich.
„ Leb' wohl, Rechtgläubiger!"
Der Unteroffizier eilte rasch auf den Weg hinunter, die Soldaten hinter ihm her. Sie gingen nach Süden, der Wüste zu. Hamza schüttelte den Kopf, als er es gewahrte. Aber aus der Ferne flang wieder voll von Schmerz und Zorn der Ruf des Unteroffiziers:
,, Gibt's keine Moslims mehr?"
Er rief es ein übers andere Mal. Der Harm über diesen Rückzug vor dem Krieg gab der Stimme Ausdauer und Stärke, und es währte lange, bis der letzte Ton davon verhallt war.
Hamza starrte ins Dunkel hinaus. Dieser Ruf richtete seine gebeugte Gestalt gerader, jagte ihm das Blut rascher durch die Adern und weckte neue Gedanken. Aber da fühlte er, wie seine alten, arbeitsmüden Hände zitterten.
,, Nein, nein!" murmelte er leise.
Wie ein Echo wiederholte Hanifa hinter ihm die Worte. Schließlich kam der Morgen und Hamza ging in seinen Garten hinaus. Er hatte kaum drei Schritte gemacht, als er seinen Namen rufen hörte.
An der anderen Seite der Kaktusecke stand Ibrahim, der Vorsteher des Dorfes, ein vierzigjähriger Araber mit langem, schwarzem Bart. Die Augen des Mannes leuchteten von einem seltsamen Feuer, und Hamza betrachtete ihn voller Erstaunen; so hatte er den anderen noch nie gesehen.
" Komm näher!" winkte Ibrahim, und als Hamza dem Folge gegeben, flüsterte er eifrig:
" Hast du heute nacht auch ein Gewehr bekommen? Verwahr' es gut! Still! Ich gebe das Signal!"
Er ging eilig fort, und es war Hamza, als sähe ein Revolver aus seinem Gürtel hervor.
Den ganzen Tag saß Hamza in seinem Garten und blickte traurig vor sich hin. Was bedeutete dies? Was würde geschehen? Seine Zunge formte viele Fragen, aber er fand keine Antwort darauf.
Wie diesen saß er noch mehrere andere Tage auf demselben Fleck, und jeden Abend sagte er mit einem betrübten Kopfschütteln: " Ich kann es nicht!"
Eines Tages fah er italienische Soldaten auf dem Wege. Sie gingen in raschem Takt der Wüste zu und machten bei den letzten Gartenmauern Halt. Die grünen Federbüsche flatterten auf ihren Tropenhelmen, und die Sonne gliberte auf dem Stahl ihrer Bajonette und Säbelscheiden. Sie waren guter Dinge, und mehrere von ihnen nickten den Arabern zu, die neugierig ihre Köpfe zur Haustür hinaussteckten.
Den ganzen Tag kamen und gingen andere Soldaten. Die ersten hatten sich neben dem Dorf gelagert, einige machten Feuer an und schlugen Belte auf, die meisten gruben eine lange Rinne im Sand oder besserten die an einigen Stellen schadhaften Mauern aus.
Hamza lag hinter der Kaktushecke und beobachtete ihr Vorhaben. Er fand es freundlich von ihnen, daß sie die verfallenen Gartenmauern wieder instand setzten. Besonders gut zu paß kam das hier im Nordwesten, wo die Oase nur einen schmalen Streifen fruchtbaren Landes zwischen Wüste und Stadt ausmachte.
„ Gott ist groß!" sagte Hamza fromm. Die Jtalianos machen das in einem Tag, was wir nicht in vielen Jahren fertig gebracht haben."
Am Abend kam Moedebb, der zwölfjährige Sohn des Dorfvorstehers, zu ihm.
Morgen nachmittag sollen sich alle Männer des Dorfes bei meines Vaters Haus versammeln."
" Morgen ist Feiertag," verwies ihn Hamza.
" Die Jtalianos haben das befohlen, nicht mein Vater." „ Soll ich das Gewehr mitbringen?"
Nr. 22
Der Knabe warf Hamza einen zornigen Blick zu und legte einen Finger auf die Lippen.
,, Komm mit leeren Händen und schweig!" sagte er und ging mit der Haltung und Würde eines Mannes von dannen.
Als Hamza am Freitag auf dem bestimmten Plak ankam, fand er dort bereits alle Männer des Dorfes versammelt. Die älteren saßen mit dem Rücken an die Hausmauer des Dorfvorstehers gelehnt, die jüngeren hielten sich an der südlichen Giebelseite auf. Zu beiden Seiten des freien Plazes war eine Kompagnie italienischer Soldaten aufgestellt, mit Gewehr bei Fuß. Die Offi= ziere standen in einer Gruppe vor der Front. Sie sowohl wie die Soldaten waren guter Laune und musterten mit einem Gemisch von scherzhafter Geringschäzung und Neugierde die Alten im Schatten der Mauer und die jungen Männer, die schweigend und ernst mitten im Sonnenschein standen. Hamza hatte in der Reihe der Alten Platz genommen. Nichts geschah.
Nach einer Weile donnerten Hufschläge, und eine Schar Offizicre sprengte auf den Marktplatz. Ein Kommandoruf ertönte, die Reihen der Soldaten richteten sich strammer und die Gewehre flogen vom Boden auf. Darauf folgten einige Zeremonien, die den arabischen Zuschauern unverständlich waren. Zuleht erhob der Oberst seine Stimme und hielt eine Ansprache an die Araber, die sich noch immer regungslos verhielten.
Ein Dolmetsch mehrere der Dorfbewohner kannten ihn, denn er war Pantoffelmacher und hatte einen Laden in einer Straße der Stadttrat vor und übersetzte, als der Oberst seinen ersten Satz beendigt hatte.
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Italiens großmächtiger Herr und König," übersetzte er„ Gott gebe ihm ein langes Leben und schenke seinem Unternehmen Erfolg!" fügte er für eigene Rechnung hinzu erklärt hiermit Tripolis für eine italienische Provinz und die Bewohner für seine Untertanen, die ihrem neuen Herrscher zu Treue verpflichtet sind." Die Alten an der Hausmauer neigten ihre Stirnen tiefer zur Erde, und auch die jungen Leute sahen vor sich nieder, bis der Knabe Moedebb unerwartet in der Gruppe auftauchte und einige höhnische Worte flüsterte. Da ballten sich die Fäuste unter den Falten der Burnusse und die Augen begannen zu funkeln.
Während der Zeit redete der Oberst weiter, und der Pantoffelmacher vom Basar verdolmetschte seine Worte.
Im Namen des neuen Regenten versprach er eine milde und gnädige Behandlung und viel fünftiges Glück. Deshalb sollten auch die Einwohner den Soldaten Entgegenkommen zeigen, sie nicht bei ihren Arbeiten hindern und vor allen Dingen immer alles berichten, was sie von dem Vorhaben der Türken aufschnappten.
Diese Verblendeten hätten, statt sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, eine Zuflucht in der Wüste gesucht. Nichts als Elend und Entbehrungen ständen ihnen bevor, aber sie hätten selber gewählt. Der geringste Ungehorsam würde strenge bestraft werden. Ob sie ihn verstanden hätten?
Niemand antwortete, und der Dolmetsch zog die Schultern hoch. Der Oberst sah forschend die Reihe der Alten an, ließ den Blick über die jungen Männer gleiten und befahl, daß der Dorfvorsteher vortreten solle. Diesem ließ er durch den Dolmetsch sagen:
" Jeder Mitbürger hat die Pflicht, sein Leben für sein Land und seinen Glauben zu opfern. Verachtung ist die gerechte Strafe, die jeden trifft, der sich dieser Pflicht weigert. Sag' das deinen Landsleuten. Wenn sie die Wahrheit meiner Worte eingesehen haben, werden alle wissen, was sie zu tun haben."
" Du sprichst flug und recht!" antwortete der Dorfvorsteher und hob den Kopf, um dem Oberst in die Augen zu sehen.„ Es ist die Pflicht jedes Rechtgläubigen, für seinen Glauben und sein Land zu sterben. Du sollst keine Veranlassung haben, uns mit Verachtung zu strafen."
Der Pantoffelmacher vom Basar schüttelte den Kopf. Ihm gefiel der Ton nicht, in dem der Dorfvorsteher gesprochen hatte. Aber der Oberst und ringsherum die Offiziere lächelten freundlich. Sie waren an das gemessene Wesen der Araber gewohnt, und deren Eprache verstanden sie nicht. Zudem hatten sie Eile, es gab noch mehr Dörfer in der Oase, und die Einwohner sollten so rasch wie möglich über die veränderten Verhältnisse in Kenntnis gesetzt werden.
" Dann betrachte ich eure Antiport als einen Treueid. Denkt daran, daß man den nicht brechen darf. Das wird strenge bestraft." ( Fortsetzung folgt.)