Nr. 26
Für unsere Mütter und Hausfrauen
drückung, aber auch nicht vor ihrer das proletarische Volk inbrünstig umfassenden Liebe. In den letzten Jahren sehnte Elife Schweichel Tag um Tag ihr Ende herbei. Verklärende Seligkeit im letzten Scheideblick, ging sie am 3. Februar 1912 hinüber ins Schattenland. Kein Pfaffe sollte an ihrem Sarge Gebete schnarren; feine Kirchenglocke läuten; fein frömmelnder Sang ertönen. Das hatte sie gewünscht. Und so geschah es, als wir sie an einem empfindlich falten Wintertag auf dem Schöneberger Magfriedhof bestatteten, wo auch an anderer Stelle ihr Gatte ruht. Eine seltene Frau, mehr noch: eine starke Persönlichkeit, eine stillbescheidene Heldin war von uns gegangen. Ernst Kreowsti.
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Reform der Ernährung.
III.
Wie Hindhede, so haben auch andere Männer der Wissenschaft in neuerer Zeit gefunden, daß man den kostspieligen Eiweißbedarf erheblich herabsetzen könne. Livén fand durch Versuche an sich selbst, daß 40 Gramm Eiweiß für ihn genügten; Chit= tenden fand an einer Reihe amerikanischer Studenten, daß sie einige Monate hindurch mit 45 Gramm Eiweiß austamen und dabei gesund und so kräftig blieben, daß sie hervorragende Sportleistungen ausführen konnten. Chittenden selbst kam sogar mit 16 Gramm Eiweiß aus. Der Amerikaner Horace Fletcher hat sich, feit er vor 20 Jahren förperlich zusammengebrochen war, einer dem Hindhedeschen System ähnlichen Ernährungsmethode zugewandt. Er lebte lange Zeit von 1200 Gramm Kartoffeln und 150 Gramm Butter oder Palmin im Tag und gewann bei seiner einfachen Kost nicht nur seine volle Gesundheit wieder, sondern versetzte auch die amerikanische Sportwelt durch ungewöhnliche athle= tische Leistungen in Erstaunen. Er hat noch eine besondere Note, das ist die von ihm erprobte Methode des Kauens. Er kaut jeden Bissen so lange, bis er alfen Geschmack verloren hat und so flüssig geworden ist, daß er ohne jede Schluckanstrengung von selbst die Kehle hinuntergleitet. Bei einem vor Jahresfrist in Berlin vorgenommenen Stoffwechselversuch, den der Physiologe Zunk an Fletcher vornahm, stellte sich jedoch heraus, daß seine Kaumethode für die bessere Ausnutzung der Kartoffelfost nichts leisten konnte. Hatte Rubner die Ausnutzung der Kartoffel im Darm auf ungefähr 80 Prozent berechnet, so betrug sie bei Fletcher eher etwas weniger, nämlich 76 bis 77 Prozent. Das Eiweißquantum, das er sich mit seiner Kartoffelnahrung zuführte, betrug 35 Gramm. Diese Eiweißmenge hielt der untersuchende Forscher nicht für ausreichend, war aber der Meinung, daß eine geringe Zulage, beispielsweise ein Glas Milch, genügt hätte, um den Eiweißbedarf eines 63jährigen Mannes zu decken.
Erwähnt seien auch noch die Bestrebungen des Arztes Dr. Dumstreh,* eine auf hindhedeschen Grundfäßen aufgebaute, aber den deutschen Bedürfnissen angepaßte Rost mit mäßigen Fleischmengen( etwa/ Pfund pro Kopf und Tag) bei uns einzu bürgern. Als Dumstreh seinen Vorträgen über die Ernährungsreform das Thema:" Das Märchen von der Teuerung" zugrunde legte, begegnete er unter seinen Zuhörern, und zwar nicht nur bei Arbeitern, sondern auch bei bürgerlichen Männern, den stürmischsten Protesten. In der Tat! selbst wenn wir uns dem Fleischwucher soviel wie möglich entziehen, so ist doch die Teuerung kein Märchen. Wir spüren sie bei jedem Laib Brot, den wir auf den Tisch bringen, bei jedem Liter Milch, das unsere Kleinen brauchen, wir fühlen sie mit steigender Erbitterung gerade beim Kauf der notwendigsten Artikel des täglichen Nahrungskonsums, selbst wenn wir unsere Ansprüche an Qualität längst auf das tiefste Maß herabgeschraubt haben. Nicht einmal die alte brave Kartoffel", deren Loblied auch Dumstreh in den höchsten Tönen singt, kann uns die gemeingefährliche Ausbeutung des Volkes durch die Lebensmittelverteurer vergessen lassen. Länger bekannt ist bei uns die radikalste Ernährungsreform des strengen Vegetarismus. Sie hat wohl für einzelne Menschen, deren Gesundheit durch überfütterung oder durch die Laster und die Leiden unserer Zivilisation erschüttert ist, vorübergehend ihre Berechtigung und ihren Nußen. Für die große Masse der hart Arbeitenden wird der strenge Begetarismus in unserem Klima wohl niemals in Betracht kommen, und er braucht es auch nicht. Allen diesen Ernährungssystemen ist die erhebliche Herab setzung des von Voit als nötig erklärten Eiweißbedarfs eigentümlich. Doch ist das ungemein bedeutungsvolle Problem noch
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nicht genügend geklärt, um daraufhin ein ganzes Bolk auf halbe Eiweißration zu sehen. Die deutsche Militärverwaltung wenig Die stens hält nach wie vor ihre alten Grundsätze bei der Ernährung der Truppen fest, indem sie den Soldaten reichlich Eiweiß zuführt in einer Fleischmenge, die für den Arbeiter gewöhnlich unerschwinglich ist. Wollte die proletarische Hausmutter für ihre Familie täglich nur zwei Soldatenportionen Fleisch à 355 Gramm auf den Tisch bringen, sie müßte in dieser Zeit der Teuerung über 500 Mt. im Jahre allein dafür ausgeben, eine Summe, die für zahllose Familien den gesamten Nahrungsbedarf decken muß. Die ganze Frage wäre weniger schwierig, wenn der Kulturmensch in der heutigen Gesellschaftsordnung nicht zum Teil in ganz unnatürlichen Verhältnissen zu leben gezwungen wäre. Vorläufig aber wird man sich vor einer Unterschätzung des Eiweißes noch mehr hüten müssen als vor der überschäßung, vor der so viel gewarnt wird. Das Eiweiß hat nun einmal seine besondere Bedeutung, da es unentbehrlich ist zum Aufbau des Körpers in den Wachstumsjahren wie auch später zur Deckung des Eiweißberbrauchs, der durch die Abnutzung des Organismus entsteht.
In jedem Falle ist die Unterschätzung des Eiweißes gefährlicher für Gesundheit und Leben als die überschäßung. Einige Forscher, so A. Lorand, empfehlen denn auch, bei der Eiweißzufuhr nicht bis an die äußerste Grenze nach oben oder unten zu gehen, sondern ungefähr die Mitte zwischen den Extremen Voits und Chittendens innezuhalten, das wären etwa 75 bis 100 Gramm Eiweiß pro Tag. Bei Berücksichtigung des Einflusses individueller Verhältnisse, des Nervensystems, des Gemüts, des Klimas, der Rasse, alter Gewohnheiten usw. sei es wohl überhaupt unmöglich, eine bestimmte Zahl aufzustellen. Gefahren der überernährung bestehen für das Proletariat im allgemeinen nicht. Hier hat sich die tatkräftige Abwehr vielmehr gegen die Schädigungen durch Unterernährung zu richten, die niedrige Löhne sowie jede künst liche Verteuerung der Lebenshaltung durch eine volksfeindliche Steuer- und Bollpolitik bewirken.
Was wir den erwähnten Ernährungssystemen wirklich zu danten haben, sind die oft sehr wertvollen Anregungen zu besserer Verwendung von Gemüsen und Früchten und zur Herstellung einer gefunden und wohlschmeckenden Mischkost. Was den ökonomischen Nutzen einer Verbilligung der Kost durch geringeren Fleischkonsum zum Teil illusorisch macht, das sind die großen Anforderungen, die die Ernährungsreform an die Kochkunst und vor allem an die Zeit der Hausfrau stellt, wenn die Einförmigkeit der Armenkost vermieden und den berechtigten Ansprüchen an Wohlgeschmack Rechnung getragen werden soll. Denn Zeit ist auch Geld, vor allem für die ständig wachsende Zahl von Frauen- es ist heute schon fast die Hälfte aller weiblichen Erwerbstätigen -, die durch eigene Berufsarbeit zu den Haushaltungskosten beitragen müssen. Die Bereitung jener oft sehr komplizierten Speisen wird weiter erschwert durch die überaus dürftige Ausstattung der Arbeiterküche mit arbeitsparenden Geräten und Maschinen und die häufig recht primitiven Kochvorrichtungen. Man sieht, gerade auch vom füchentechnischen Standpunkt aus ist die Ernährungsreform wenn sie konsequent durchgeführt werden soll- eine schwierige Sache, solange nicht die häusliche Arbeit der Frau als soziale Leistung gewürdigt wird oder in großem Stile angelegte Zentralfüchen und Volksspeisehäuser eine Entlastung der Proletarierin herbeiführen. M. Kt.
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Für die Hausfrau.
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Vegetarische Würstchen, ein billiges und wohlschmeckendes Ge richt, stellt man folgendermaßen her. Für drei Personen läßt man 200 Gramun das sind etwa drei daumendicke Scheiben von nicht ganz frischem Schrotbrot kurze Zeit in Wasser weichen. Sie dürfen aber nicht zerfallen. Die gehörig durchfeuchteten Brotscheiben müssen dann noch auf einem Durchschlag etwa zwei Stunden liegen, bis sie sich zerrühren und zerdrücken lassen. Eine Zwiebel reibt man, dämpft sie, ohne daß sie Farbe annehmen darf, in Schmalz, Palmin oder Butter weich und gibt sie mit einem Ei, etwas feingehacktem Wursttraut( Thymian und Majoran) und Salz an den Schrotbrot brei. Man arbeitet alles tüchtig durcheinander und fügt soviel geriebene Semmel hinzu, daß sich fingerlange Würstchen aus der Masse rollen lassen. Sie werden in zerquirltes Ei getaucht, mit geriebener Semmel paniert und in heißem Palmin schön bräunlich gebacken. Das Palmin wird nach dem Gebrauch durch ein Sieb gegossen und zu weiterer Verwendung verwahrt. Zu den Schrotbrotwürstchen passen Kartoffelsalat oder Bratkartoffeln und eingemachte rote Rüben, Peterfilienfartoffeln oder ein anderes Kartoffelgemüse. M. Kt..
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