Nr. 10
Für unsere Mütter und Hausfrauen
Ihr einziges Bedenken bei der Unterzeichnung des Kontraktes war die Sorge um ihr Kind. Aber Dr. Meher und seine Familie, die ihr von Anfang an freundlich entgegengekommen waren, boten sich an, Charitas in ihr Haus aufzunehmen und sie im Sinne ihrer Mutter zu erziehen. Noch lebte Amaliens Vater in Siebenlehn , der bisher schwer gelitten hatte unter dem traurigen Schicksal seiner Tochter. Von ihm wollte die Naturforscherin noch Abschied nehmen vor der langen Reise, die ja damals noch etwas ganz anderes bedeutete als bei den heutigen Verkehrsverhältnissen. Nicht mehr mit dem Hund vor den Karren gespannt tam Amalie diesmal nach Siebenlehn . Die Aufgabe, die ihr gestellt war, hatte sie mit Ruhe und Sicherheit erfüllt. Die Stellung, die sie nun einnahm, verlieh ihr in den Augen der Siebenlehner Einwohner einen großen Nimbus. Der Vater sah sie beruhigt scheiden; die Siebenlehner aber konnten sich lange nicht darüber beruhigen, daß die„ Nellenmale" nun noch weiter als zu den Türken wollte.
Noch ein anderer Abschied stand Amalie Dietrich bevor. Es entsprach ganz ihrem bescheidenen vornehmen Charakter, daß sie ihrem einstigen Gatten trotz allem Schweren, was er ihr angetan hatte, ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit bewahrte für das Wissen und Können, dem sie jetzt die günstige Wendung ihres Geschickes verdankte. Dietrich war noch Hauslehrer in Herzogswalde. Als Amalie ihn aufsuchte, traf sie auf dem Wege die Frau, die ihr einst ihr Lebensglück geraubt hatte. Aber das konnte sie nicht beirren, Dietrich ihre Dankbarkeit zu bezeugen. Dieser wollte es zuerst kaum glauben, daß eine so ehrenvolle, so gewaltige Aufgabe einer Frau übertragen werden sollte, noch dazu seiner Frau, die er stets nur als seine Handlangerin betrachtet und dementsprechend geringschäßig behandelt hatte. Vielleicht kam ihm jetzt erst die Erkenntnis von der Größe dieses Weibes, das seinen Lebensweg so zielbewußt allein gegangen war, und dem jetzt Aufgaben übertragen wurden, zu deren Lösung er sich selbst nicht stark genug fühlte.
Der letzte, schwerste Abschied war für Amalie Dietrich natürlich der von ihrem Kinde. Wohl wußte sie es wohlgeborgen bei guten Freunden, aber sie fühlte, daß die jahrelange Trennung gerade in diesem Alter von weitgehender Bedeutung für Charitas werden mußte. Sie überwand auch diesen Schmerz. Am 15. Mai 1863 schiffte sich Amalie Dietrich an Bord des Segelschiffes„ La Rochelle " ein. Aus den Briefen an ihre Tochter sehen wir am besten, mit welch großem Ernst sie an ihre wissenschaftliche Aufgabe herantrat. Sie reiste in der ersten Kajüte, und die Fürsorge Godeffroys verschaffte ihr alle Bequemlichkeiten, die auf dem Schiffe ermöglicht werden fonnten. Wie groß war der Gegensatz zu der Zeit, da Amalie mit wundem Rücken schwere Lasten tragen mußte oder mit schmerzender Brust mit dem Hund den Karren durch das Land zog! Um so größer war jetzt ihr Mitgefühl für die 450 Reisenden, die im Zwischendeck zusammengepfercht die lange Seefahrt von einundachtzig Tagen aushalten mußten, und sie tat, was in ihren Kräften stand, um deren trauriges Los zu mildern. Auf dem Atlantischen Ozean geriet das Schiff in große Gefahr, da ein gewaltiger Gewittersturm tobte. Endlich kamen die Reisenden in Brisbane an, dem Hauptort der britischen Kolonie Queensland in Nordost- Australien, wo Bekannte Frau Dietrich mit in ein Hotel nehmen wollten. Aber sie zog es vor, in ein einfaches Wirtshaus zu gehen, das ihren bescheidenen Gewohnheiten besser entsprach. ( Schluß folgt.)
Für die Hausfrau.
Modernes Kleid. Verschiedenartiges Material kann für das moderne Kleid verwendet werden, das unsere heutigen Abbildungen zeigen. So kann man es aus farbigem Tuche herstellen, mit Gürtel und Schlußschleifen aus schwarzem Samt und heller Spizengarnitur oder aber aus leichtem Wollstoff, der dunklen Ausput erhalten muß, wenn er hellfarbig ist. Dunkles Tuch oder dunkler Wollstoff erfordert als wirksamen Gegensatz eine Garnierung mit hellem oder golddurchwirktem Stoff und entsprechender Spize. Für das Kleid werden 31 Meter Tuch gebraucht, das 1,10 Meter breit liegt, oder 4 Meter leichtere Stoffe wie Voile, Krepon usw., die nur knapp einen Meter breit liegen. Es bleibt ohne Futter, nur die Passenärmel können mit ganz leichtem Batist abgefüttert werden. Die Stammform des Blusenteils ist der russische Blusenkittel, der nur sehr wenig verändert worden ist, um etwas Neues"," Driginales" zu schaffen. Wie die Abbildungen zeigen, wird er an der Vorder- und Rückenbahn mit kleinen Stüfchen abgesteppt. Der gute Sitz muß beim Anheften der Passenärmel an die Blusenteile an der Figur selbst ausprobiert und erzielt werden. Die Bluse wird in der Mitte der Stüfchenvorderbahn durch Druckknöpfe und Bandschleifen geschlossen. Die dauerhafteste Ärmelgarnierung erhält man, wenn man 2 Meter
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lange und 8 Zentimeter breite Stoffstreifen säumt und plissieren läßt. Diese Garnierung wird in der Mitte durch ein 2 Zentimeter breites Samtband befestigt und gehalten, in der Farbe des Gürtels
und der Schlußschleifen. Der Rock hat nur eine Naht, hinten in der Mitte, der Schluß wird 35 Zentimeter lang in diese Naht eingearbeitet
halber
Rockteil
Rückenansicht
Rückenbahn
Passen Ärmel
Achsellinie
Vorderbahn
halber
Blusenteil
und erfolgt mittels Druckknöpfen. Der Stoffbruch muß vorn in der Mitte des Roces sein. Die Hüftenabnäher sind an der Figur abzupassen, der Saum wird mit einer haltbaren Borte unternäht. Die Schnittmuster vermittelt die Redaktion gegen Einsendung von 1 Mt. in Briefmarken. N. R. J.
O
Feuilleton
Der Brief.
Komm aus dem Feld, Vater; hier ist ein Brief von unserem Peter; komm an die Haustür, Mutter; hier ist ein Brief von deinem lieben Sohn!
Jetzt ist es Herbst.
Seht, wie die Bäume, die grünen, gelben und roten, lieblich kühlen Ohios Dörfer, mit Blätter flatternd im linden Winde; wie die Apfel reif im Obstgarten hängen und die Trauben an den Reben!
( Schmeckst du den Geruch der Trauben an den Reben? Riechst du den Buchweizen, wo die Bienen kürzlich summten?) Oben am Himmel alles so ruhig, so klar nach dem Regen, mit wunderbaren Wolfen,
unten auch alles ruhig, lebensvoll und schön, und die Farm ge= deiht wohl.
Unten auf den Feldern gedeiht alles wohl.
Doch komm aus dem Feld, Vater; komm auf den Ruf deiner
Tochter;
fomm in den Hausgang, Mutter, an die Haustüre komm schnell!