Nr. 12

Kriegsküche.

Für unsere Mütter und Hausfrauen

Es unterliegt für den Einsichtigen keinem Zweifel, daß die von der Reichsregierung in Angriff genommenen Maßnahmen für die Sicherung der deutschen   Volksernährung im Kriege nach allzu langem Zaubern

in

die Erscheinung getreten sind. Wir müssen ihren vielen Halbheiten kritisch gegenüberstehen, und dieser Kriegssozialismus" fann uns wahrlich wenig imponieren. Wir müssen aber zugleich auch durch praktische Winke den proletarischen Hausfrauen die täglich schwerer werdende Bürde erleichtern, die ihnen die Politik des Durch­haltens" aufzwingt. Es gilt so rationell zu wirtschaften wie nur irgend möglich, und ferner sich an die veränderten Bedingungen anzupassen, die der Krieg durch die Absperrung unserer Lebens­mittelzufuhr aus dem Auslande schafft. Mit den altgewohnten guten Ratschlägen, wie aus der Not eine Tugend zu machen sei, fommen wir jetzt nicht mehr aus. Wir müssen, soweit es uns mög­lich ist, unseren Verbrauch an Nahrungsmitteln regeln nach Maß­gabe der vorhandenen Vorräte. Dies bedingt, daß wir manches anders machen müssen, als wir es bisher gewohnt waren.

Eine Einschränkung des Konsums ist nötig in allererster Linie an Mehl, dann an Fett, Fleisch, Reis, Eiern, Nahrungsmittel, die wir in gewaltigen Mengen alljährlich aus dem Ausland bezogen. Reichlich, ja überreichlich vorhanden ist allein der Zucker, der ein Inlandserzeugnis ist, dessen Ausfuhr trotz alles Zetergeschreis der Zuckerinteressenten glücklicherweise im Kriege verboten ist.

Reines Weizenmehl gibt es jetzt nicht mehr außer kleinen Be­ständen des teuren Luxusmehls, das man Auszugmehl nennt. Alles übrige Weizenmehl kommt nach gesetzlicher Vorschrift mit 30 Pro­zent Roggenmehl gemischt in den Handel. Die Hausfrau fann nun statt dieses gestreckten Weizenmehls zu Einbrennen für Suppen und Saucen ebensogut reines Roggenmehl verwenden. Ein Unter­schied im Geschmack der so bereiteten Speisen ist gar nicht zu merken. Eierkuchen, Klöße, Plinsen werden nunmehr mit halb Roggen und halb Weizenmehl hergestellt. Einige Gemüse, wie Kohl und Spinat verdiden wir fünftig nicht mit Schwißmehl, son­dern mit Graupen, Hafergrüße oder flocken, auch mit Hirse. Das sind zum Teil alte Volksgerichte, die in der Neuzeit nur etwas in Vergessenheit geraten waren. Sie sind durchaus wohlschmeckend, so daß unser Gaumen sich schnell daran gewöhnen wird. Dazu kommt, daß alle Gemüse in dieser Zubereitung weit nahrhafter sind als in der sonst üblichen. Solche rationellen Mischgerichte sind: Spinat mit Haferflocken oder mit Graupen, Weißkohl mit Graupen oder mit Hafergrüße, Graupensuppe mit Spinat, Sauerkohl als Gemüse wie als Suppe mit Haferflocken gefocht, getrocknete grüne Bohnen mit Graupen, Grünkohl mit Hafergrüße oder mit Graupen, Weiß­fohl mit Hirse und anderes. Kochvorschriften zu einigen dieser Ge­richte, die ja zum Teil auch in der vegetarischen Küche heimisch sind, hat die Gleichheit" früher schon gebracht.

Auch im Verbrauch des Brotes sind wir weit stärker eingeschränkt als sonst. Man kann es des Abends ganz oder teilweise öfters durch nahrhafte dice Suppen oder Breigerichte ersetzen, die wir vorteil­haft mit Magermilch zubereiten.( Vergleiche Nr. 1 der Gleich­heit".) Die verschiedenen Getreidepräparate: Nudeln, Weizen, Gries  , Grünfern, Hafergrüße, Buchweizengrüße, Hirse, Reis ge statten reiche Abwechslung. Von Reis kauft man am besten den unpolierten Reis. Insbesondere sei hier noch der viel zu wenig ge­schätzte Maisgries empfohlen, der nächst dem Roggenmehl das bil­ligste Getreideprodukt ist, das wir haben. Er ist reichlich vor­handen und kostet zurzeit 20 Pfennig das Pfund. Aus Maisgries bereiten die Jtaliener ihr Nationalgericht, die Polenta. Alle diese Gerichte können überdies in der Not einen Teil des fehlenden Fleisches und Fettes ersetzen. Eine bedeutende Rolle spielen diese Mehlspeisen in der nordischen Küche, wo die Grüße oft schon des Morgens auf den Tisch kommt.

Die drohende Fettknappheit fündet sich jetzt schon durch die unge­wöhnlich hohen Preise für Schmalz, Speck, Margarine und Butter an. Der Genuß von Butter spielt im Proletarierhaushalt keine sehr große Rolle. Desto schwerer fällt für ihn die Teuerung der übrigen Fette ins Gewicht. Margarine wird es nach einiger Zeit zu er­schwinglichen Preisen wahrscheinlich nicht mehr geben, da die zu ihrer Herstellung nötigen ausländischen Fette und Öle fehlen.

Die Erzeugung von inländischem Fett durch Viehmast und Milch­wirtschaft muß durch den Mangel an ausländischen Futtermitteln schwer beeinträchtigt werden. Man rechnet, daß der Milchertrag allein sich dadurch um 10 Prozent verringern wird. Der Butter­konsum und die Buttererzeugung müssen also eingeschränkt werden, wenn wir ein Steigen der Milchpreise verhindern und Kinder, Kranke und Schwache im Milchgenuß nicht verkürzen wollen. In

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der Butter werden die Nährstoffe der Milch für die menschliche Ernährung am ungünstigsten ausgenügt. Es ist also gegenwärtig zweckmäßiger, Vollmilch oder Fettkäse zum Brot zu reichen als Butter. Im Fettkäse ist in konzentrierter Form neben dem Fettgehalt der Milch auch ihr gesamter Eiweißgehalt vorhanden. Der Käse hat zudem den Vorzug großer Haltbarkeit. Verwenden wir Fett in der Hauptsache zum Kochen und behelfen uns sonst zum Frühstück und Vesperbrot mit zuckerhaltigem Aufstrich, wie Sirup, Honig oder Marmelade, so kommen wir den besonderen Anforderungen der Kriegszeit entgegen. Außerdem ist es nach wissenschaftlichen For= schungen erwiesen, daß Fett durch Stärkemehl oder Zucker bis zu einer gewissen Grenze ersetzt werden kann und umgekehrt, ohne daß die Ernährung des Körpers Schaden leidet. Wir müssen das feh­lende Fett jedoch durch etwas mehr als die doppelte Menge Zuder ersehen. Wenn jetzt einem stärkeren Verbrauch von Zucker besonders zur Herstellung von Marmelade und einfachen Mehlspeisen das Wort geredet wird, dann wäre eine Vorbedingung dafür allerdings eine Herabseßung oder Aufhebung der hohen Verbrauchs­abgabe von 7 Pf. auf das Pfund Zucker, die der Staat ein­streicht. Diese hohe Steuer bewirkte es, daß die Engländer den deutschen Zucker, den sie steuerfrei einführten, billiger kaufen konnten als wir in dem Erzeugungslande des Zuckers. Infolgedessen wurde der Zucker in England viel mehr Volksnahrungsmittel als in Deutsch­ land  . Dort betrug der Jahresverbrauch vor dem Kriege 42 Kilo­gramm pro Kopf, in Deutschland   jedoch nur 19 Kilogramm.

Fleisch, insbesondere Schweinefleisch wird ähnlich wie Fett sehr knapp werden, da es an Futtermitteln zur Aufzucht von Vieh fehlt. Ein großer Teil unseres Schweinebestandes muß aus diesem Grunde jetzt schon vorzeitig weggeschlachtet werden. Damit wird uns ein Teil der wertvollen tierischen Eiweißstoffe mangeln. Magermilch und Buttermilch, über deren großen Nährwert wir uns in Nr. 1 verbreitet haben, können billigen Ersatz schaffen, wenn wir sie zur Bereitung der Suppen und Breigerichte verwenden. Magerkäse und Quark, die das Fleisch an Eiweißgehalt über­treffen, seien noch besonders empfohlen.

Eier sind zu teuer, als daß sie gegenwärtig irgendwie als Fleisch­ersatz dienen könnten, außer in der Krankenkost. Da die Eierein­fuhr aus Rußland   und Galizien   völlig unterbunden ist, werden wir während des ganzen Krieges mit großer Knappheit und dem­zufolge auch mit hohen Preisen für Eier zu rechnen haben. Wo sie zur Lockerung oder zum Binden von Speisen, wie Klops, falscher Hase, Fleischklößchen oder Bouletten, dienten, verwendet man jetzt gefochte, falt geriebene Kartoffeln. Aach   Kartoffelklöße lassen sich ohne Eier herstellen. Bei allen diesen Speisen muß man die feh­lende Feuchtigkeit durch etwas Milch oder Wasser ersetzen. Zum Einhüllen von Koteletten oder Fleisch- und Fischschnitten bedient man sich eines dicken Breis, den man aus Roggenmehl und Wasser oder Milch bereitet. In diesen Mehlbrei taucht man die Fleisch­schnitten, die man einhüllen( panieren) will und wälzt sie in ge= riebener Semmel. Ist diese in Zukunft vielleicht nicht mehr zu haben, so muß geriebenes Brot in den Fällen, wo wir sie nicht ent­behren zu können glauben, als Ersatz dienen.

Die Gemüsevorräte verbrauchen wir am zweckmäßigsten in der Reihenfolge ihrer Haltbarkeit, zunächst also was noch an Kohl und Rüben vorhanden ist, dann eingelegte Salzbohnen und Sauerkraut, in der schwierigen Spätfrühlingszeit gedörrte Gemüse, möglichst in Mischgerichten, wie grüne Bohnen mit Mohrrüben oder mit weißen Bohnen oder mit Graupen und dergleichen. Die teuren, aber für die Ernährung so wertvollen Hülsenfrüchte reichen wir auch am besten mit Getreidepräparaten gemischt. Die Bestände an Backobst sind solange es irgend geht zu schonen, wie alle Nahrungsmittel, die haltbar sind. Daß uns mit der Zeit einige ausländische Gewürze fehlen wer­den, ist nicht so schlimm. Für Vanille verwenden wir das in kleinen Täfelchen billig erhältliche Vanillin, für Pfeffer Paprika, mit dem aber vorsichtig verfahren werden muß. Andere Gewürze können durch einheimische Würzkräuter ersetzt werden. Statt mit Zimt würzen wir mit Zitronenzuder oder Apfelsinenzucker. Kleine Stüde   harten Zuckers werden an sauber gewaschenen und abgetrockneten Zitronen oder Apfelsinen abgerieben und in verschlossenen Gläsern aufgehoben. Wenn wir nun noch nach den so oft in der Gleichheit" gegebenen Anweisungen bestrebt sind, alles, was an Nährwert in den Nah­rungsmitteln steckt, aus ihnen herauszuholen, wenn wir die be= schränktere Auswahl durch möglichst abwechslungsreiche Zuberei­tung auch der einfachsten Gerichte wettzumachen suchen, damit die Eßlust der Familienmitglieder rege bleibt, dann haben wir so ziemlich alles getan, was diese schwere Zeit im Reiche der Küche erleichtern kann. An den Behörden ist es nun, dafür zu sorgen, daß die Einschränkungen des Verbrauchs von Lebensmitteln von allen Schichten der Bevölkerung getragen werden. M.Kt.