Für unsere Mütter und Hausfrauen
Nr. 15
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。。。。。。。。 。 Beilage zur Gleichheit 。。。。。。。
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Inhaltsverzeichnis: Gräber. Den Toten des Weltkriegs. Von Karl Bröger . Der Seelenglaube. Von B. Sommer. Die Zentralfüche und der Krieg. Von Henr. Fürth . Feuilleton: Die Hölle. Von Olive Schreiner .
Gräber.
Den Toten des Weltkriegs. Don Karl Bröger .
Viel kleine Hügel im herbstlichen Land... Der Wind pfeift drüber und kräufelt den Sand. Zwei dürre Stecken, zum Kreuz verschränkt, Ein Helm, ein Käppi daraufgehängt
Und druntergekrigelt mit Tintenblei : " Franzosen sieben und Deutsche- drei."
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So schläft, fern der Heimat, verlassen und stumm, Das selbstvergessene Heldentum.
Was kündet von ihnen und ihrer Tat?- Zehn Zeilen bezahltes Inserat,
Ein plattes Wort in den Zeitungsspalten
Von der Pflicht und der Treue, die sie gehalten?-
nein! Denn die tausend Kinder und Frau'n, Die vergrämt nach den Totenhügeln schau'n, Sie wissen, und keins von ihnen vergiẞt, Was alles hier unten begraben ist.
Und willst du erfahren, wie viele es sind? frage den Windi
Den Wind, der über die Gräber jagt,
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Der Seelenglaube.
Von B. Sommer.
In früheren Auffäßen lernten wir Menschenstämme kennen, die auf der niedersten Stufe geistiger Entwicklung standen. Sie waren der Natur fast vollkommen untertan und noch ohne alle religiösen Begriffe. Lettere sind also nicht vom Himmel gefallen oder den Menschen angeboren, sondern wie alles, was sich im Menschen über das Tier erhebt, im Laufe von Jahrtausenden mit eigener Arbeit erworben.
Wir lernten auch Böllchen kennen, die ein wenig höher standen. Diese glaubten, sie könnten die Natur, das heißt ihre Umgebung, die sie im kleinen mit den Händen meisterten, durch Handlungen, die wir Zauberei nennen, zu eigenen und größeren Leistungen zwingen. Der Begriff des Zauberns geht ursprünglich überall auf den Begriff des Machens, Tuns zurück oder besser: alles Machen, Tun
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ist ursprünglich ein Zaubern. Der primitive Mensch sieht sich nämlich, sobald er etwas um sich zu blicken beginnt, von unzähligen „ Machern “,„ Mächten" umgeben. Wie ein Kind den Gegenständen seiner Umgebung ganz selbstverständlich dieselben Eigenschaften des Sehens, Hörens, Fühlens, Tuns usw. zulegt, die es bei sich selbst wahrnimmt, und daher mit der Puppe spricht, die Tischkante, an der es sich gestoßen hat, schlägt, so glaubt sich auch der primitive Mensch von lebendigen Mächten umgeben. Er bemerkt sie aber erst, wenn sie ihm schaden. Er sieht sie nicht nur in den reißenden Tieren, deren er sich in stetem Kampfe erwehrt, oder in der heimlich schleichenden Schlange, die den arglos Schlafenden so schnell vom Leben zum Tode bringt. Auch die Dinge der toten Natur sind ihm lebendig: Sturm, Hagel, Regen, überflutende Gewässer, der Blitz, der fallende Baum, der vom Berge rollende Stein. Sie verlegen ihn ebenso wie der Feind, der für ihn ja auch nichts anderes ist als ein wildes Tier oder Schlachtvieh. Mitmenschen kennt der ursprüngliche Mensch außerhalb seiner kleinen Stammesgemeinschaft überhaupt nicht. Menschen sind nur seine Stammesgenossen; die Namen Hunderter kleiner Völkerschaften bedeuten nichts weiter als „ Mensch".
Infolge dieser Vorstellungen bildet sich beim ursprünglichen Menschen schon frühzeitig ein unklarer Begriff der Lebenskraft, die er sowohl sich selber als auch allen Menschen, Tieren und Dingen seiner
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Umgebung zuschreibt. Er bezeichnet sie mit den verschiedensten Ausdrücken wie Leben, Straft, Seele, Geist, Macht usw. Alle diese Worte bedeuten ursprünglich dasselbe, erst die feiner sondernden Kultursprachen haben das Wort Seele auserwählt, um das speziell im Menschen wirkende Leben von den gleichfalls lebenden Tieren und den Wirkungen der unbelebten Natur zu unterscheiden.
Auf die Vorstellung, daß die Lebenskraft oder Seele etwas vom Körper verschiedenes sei, daß sie sich sogar zeitweilig von diesem loslösen könne, brachten den Menschen die Erscheinungen des Schlafes und des Todes. Im Traume sieht sich der Mensch in ferne Gegenden versetzt, erscheinen ihm oft die Gestalten verstorbener Feinde oder Stammesangehöriger. Also, folgert der naive Mensch, war während des Schlafes meine Seele auf Reisen und ist mit den Seelen von Verstorbenen zusammengetroffen. Da die ungleiche Lebensweise den Naturmenschen häufig einer Überfüllung des Magens aussetzt, die dann wieder mit langen Hungerperioden abwechselt, so ist er oft das Opfer schwerer Träume und sogenannter Halluzinationen, das heißt Sinnestäuschungen im wachen Zustand. Für ihn sind diese Erscheinungen aber nicht Träume oder Phantasiebilder, sondern wirkliche Vorkommnisse, die seine Seele erlebte, als sie auf Wanderschaft außerhalb des Körpers war. Diese Ansicht finden wir bei allen„ Wilden" ohne Ausnahme. Wir brauchen aber gar nicht so weit zu gehen, um auf Spuren derselben Vorstellungen zu stoßen. Eine deutsche Sage, die in Grimms Sammlung enthalten ist, enthält den ganzen Gedankenzusammenhang. Sie lautet:
„ Der fränkische König Guntram war eines gar guten, friedliebenden Herzens. Einmal war er auf die Jagd gegangen, und seine Diener hatten sich hierhin und dahin zerstreut: bloß ein einziger, sein liebster und getreuester, blieb noch bei ihm. Da befiel den König große Müdigkeit; er seßte sich unter einen Baum, neigte das Haupt in des Freundes Schoß und schloß die Augenlider zum Schlummer. Als er nun entschlafen war, schlich aus Guntrams Munde ein Tierlein hervor in Schlangenweise, lief fort bis zu einem nahefließenden Bach, an dessen Rande stand es still und wollte gern hinüber. Das alles hatte des Königs Gesell, in dessen Schoß er ruhte, mit angesehen, er zog also sein Schwert aus der Scheide und legte es über den Bach hin. Auf dem Schwerte schritt nun das Tierlein hinüber und ging hin zum Loch eines Berges, dahinein schloff es. Nach einigen Stunden kehrte es zurück und lief über die nämliche Schwertbrücke wieder in den Mund des Königs. Der König erwachte und sagte zu seinem Gesellen: Ich muß dir meinen Traum erzählen und das wunderbare Gesicht, das ich gehabt. Ich erblickte einen großen, großen Fluß, darüber war eine eiserne Brücke gebaut; auf der Brücke gelangte ich hinüber und ging in die Höhle eines hohen Berges; in der Höhle lag ein unsäglicher Schatz und Hort der alten Vorfahren. Da erzählte ihm der Geselle alles, was er unter der Zeit des Schlafens gesehen hatte, und wie der Traum mit der wirklichen Erscheinung übereinstimmte. Darauf ward an jenem Drte nachgegraben und in dem Berg eine große Menge Goldes und Silbers gefunden, das vorzeiten dorthin verborgen war."
König Guntrams Seele war also sichtbar in der Gestalt eines Tieres. Auch in anderer Gestalt zeigt sich die Seele dem Urmenschen, so als das ihm unerklärliche Spiegelbild im Wasser oder als Schatten. Deshalb sind auch in der ganzen Welt die Bezeichnungen für Bild, Schatten ursprünglich gleichbedeutend mit Geist, Gespenst. Daraus entstand dann die Voltsmeinung, daß ein Toter keinen Schatten werfe, und umgekehrt, daß auch die toten Dinge, da sie Schatten werfen, eine Seele besigen müssen. Bei geivissen Südseeinsulanern begibt sich auch diese Seele in das Reich des Jenseits Die Bewohner des persischen Himmels sind schattenlos, und die Pythagoräer, eine altgriechische Sekte, wollten ein Gespenst daran erkennen, daß es keinen Schatten werfe und nicht mit den Augen blinzle. Leute, die durch einen Teufelspakt ihrer unsterblichen Seele verlustig gegangen sein sollen, hielt noch das deutsche Mittelalter für schattenlos. Chamisso in der Erzählung„ Peter Schlemihl" und Lenau in der Ballade" Anna" haben dieses Motiv dichterisch verwertet. Aus diesem Vorstellungskreis heraus erklärt es sich, daß viele Indianer bestrebt find, ihren Schatten immer im Zusammenhang mit ihrem Körper zu belassen, da sie andernfalls Krankheit be= fürchten. Aus demselben Grunde vermeidet es der Basuto peinlich), daß sein Schatten in einen Fluß falle. Er glaubt, die Krokodile hätten die Fähigkeit, ihn an seinem Schatten festzuhalten. Die Fidschi - Insulaner haben sich sogar zwei Schatten konstruiert: den