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Für unsere Mütter und Hausfrauen

wirbt, und wendet diese Erfahrung ohne weiteres auch auf den Ver fehr mit Geistern an.

Daß ein Wesen, das die Menschen an Kraft übertrifft, seine Macht nicht zu ihrem Nußen, sondern viel eher zu ihrem Schaden ver­wendet, halten noch manche halb und ganz kultivierte Völker für selbstverständlich, zum Beispiel die Zirkassier, die Chinesen und manche indische Stämme. Das ist noch die reine urmenschliche Denk­weise. Der Kulturlose fennt den Begriff der Gerechtigkeit, Billigkeit noch nicht, nur den der Macht. Daher kommt es auch, daß der von der Macht der Weißen noch nicht durch schmerzliche Erfahrungen überzeugte Wilde etwaige Milde und Freundlichkeit für bloße Schwäche ansieht, die er für sich ausnutzen zu können glaubt. Hiermit sollen nur Tatsachen in dem Verhalten der Wilden gegen Europäer   erklärt werden; wir denken natürlich nicht daran, damit jene Massenmorde zu entschuldigen, womit ausbeutende Europäer ihre Herrschaft un­fultivierten Völkern aufgezwungen haben und aufzwingen.

Wenn wir bisher von" Wilden"," Urmenschen  ", Stulturlosen" sprachen, so meinten wir mit diesen Ausdrücken keinen festen, in sich abgeschlossenen Begriff. Wo hört die Wildheit auf und wo fängt die Kultur an? Die Völkerkunde zeigt uns eine Unmenge verschie= dener Stufen und Nuancen der Entwicklung. Wir müssen unter dem Ausdruck Kulturlose"," Wilde"," Urmenschen  " die Menschen aller jener Gesellschaftsformen begreifen, die es noch zu feiner eigent lichen Technik und Wirtschaft gebracht haben, wo das Leben also noch mehr vom Fund und dem Zufall, als von einer zweckmäßigen Gütererzeugung abhängt. Die afrikanischen, amerikanischen und asia­tischen Hirtenvölker also sind keine Wilden" in unserem Sinne, sie mögen vielmehr als Vertreter einer Halbkultur" bezeichnet werden. Der Geisterglaube ist nicht bei ihnen entstanden, wohl aber haben sie ihn aus ihrer tulturlosen Vorzeit beibehalten und ausgebaut. Hat sich doch der Geisterglaube bis auf den heutigen Tag bei den hochkultivierten europäischen Christenvölkern in mannigfacher Ge­stalt erhalten, im Gespensterglauben, Spiritismus, Dffultismus. Bei den Völkern der Halbfultur lernen wir bereits die Mannigfaltigkeit fennen, in der sich der Geisterglaube in den verschiedensten Ländern und unter den verschiedensten Lebensverhältnissen entwideln mußte. Die Geister der afrikanischen Hirtenvölker sind äußerst rachsüchtig, launisch und müssen durch blutige Opfer versöhnt werden. Sogar die Geister naher Verwandter sind schadenfroh genug, um die noch lebenden Familienglieder zu quälen, zu foppen und ihnen das Vieh frant zu machen. Die Geister der Südseeinsulaner sind hingegen viel harmloser. Die Ursachen dieser Verschiedenheit liegen nicht in irgendwelchen geheimnisvollen Raffeninstinkten, sondern in den ver­schiedenen Lebensverhältnissen, unter denen diese Völker ihr Dasein fristen. Die Inseln der Südsee haben üppigen Bilanzenwuchs, die umgebenden Meere find reich an Fischen, etwas Handelsverkehr mit Nachbarinseln ist bereits entwickelt. Das alles bietet den Bewohnern eine gewisse Sicherheit der Existenz und macht ihre Gemütsart hei­ter und sorglos. Ähnlich sind dann auch ihre Geister. Der Daseins­kampf der afrikanischen Hirtenvöller ist dagegen ungleich härter, ihre Existenz auf einer ungleich schwankenderen Grundlage. Ihr ganzer Reichtum sind ihre Herden. Diese sind allerhand plöglichen Unfällen, Seuchen, der Tsetsefliege, Nachtfrösten, Dürren ausgesetzt. Dazu. kommen die häufigen Streitigkeiten unter sich und die räuberischen Überfälle durch benachbarte Jägervölker. Alles das und die unwirt­liche Landschaft macht die Gemütsart der afrikanischen Hirtenvölker mißtrauisch, grausam, geizig und verschlagen. Natürlich übertragen sie diese Eigenschaften auf ihre Geister, die Seuchen und Unfälle hervorrufen. ( Fortsetzung folgt.)

Der Körper des Kindes

im Lichte moderner Forschung.

Bon Dr. M. S. Baege.

Nicht nur im gewöhnlichen Leben, sondern selbst in den wissen­schaftlichen Theorien, die unseren erzieherischen Einwirkungen zu grunde gelegt sind, finden wir die Meinung vertreten, daß die Kinder den erwachsenen Menschen gleich oder mindestens sehr ähnlich seier, daß sie sich höchstens von Erwachsenen in förperlicher Hinsicht unter­scheiden durch ihre kleinere Gestalt, ihre geringeren Kräfte und in geistiger Hinsicht durch mangelnde Erfahrung und geringere Kennt­nisse. Die moderne Kindesforschung hat aber gezeigt, daß die Kinder nichts weniger als fleine Erwachsene sind, sondern in quantita­tiver und qualitativer Hinsicht sich so sehr von Erwachsenen unter­scheiden, daß man eigentlich verpflichtet wäre, die Kinder als Men­schen anderer Art zu betrachten. Sie stellen leiblich wie seelisch Wesen anderer Struktur dar, die sich nicht nur in ihrer Größe, sondern auch in ihrer Gestalt, in dem Verhältnis der Gliedmaßen

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und Organe zueinander, in der chemischen Zusammensetzung ihrer Knochen, Muskeln usw., sowie auch in der Verrichtungsweise ihrer Organe beträchtlich von den Erwachsenen unterscheiden. Die Nicht­berücksichtigung des wesentlichen Unterschieds zwischen Kind und Erwachsenem hat zu falschen Verhaltungsmaßregeln und pädagogi schen Prinzipien geführt, die selbstverständlich schwere Erziehungs­fehler zeitigen mußten. Man hatte sich eben nicht nach dem Kind als Kind gerichtet, sondern sich, ohne das Kind eingehend studiert zu haben, auf Grund einer mehr als oberflächlichen Vergleichung und oft gestützt auf religiöse oder metaphysische Spekulationen ganz falsche Vorstellungen, einen ganz unhaltbaren Begriff vom Kinde geschaffen. Das Kind ist in keiner Weise dem Erwachsenen gleich, und infolgedessen müssen auch alle pädagogischen Methoden versagen, die von dieser falschen Vorausseßung ausgehen, können auch die Erziehungsziele niemals erreicht werden, die auf der alten Annahme des Gleichseins von Kind und Erwachsenem aufgebaut find. Nur solche pädagogischen Ziele und Methoden, die aufgebaut sind auf einer genauen Kenntnis der körperlichen Besonderheiten und geistigen Eigenheiten des Kindes, geben uns eine Handhabe zu erfolgreicher Einwirkung.sagu lemmid and ather 400 75min at

Unsere Aufgabe soll es heute nicht sein, nach allen Seiten hin die pädagogischen Schlußfolgerungen darzulegen, die sich aus der feststellung des körperlich- geistigen Unterschieds zwischen Kind und Erwachsenem ergeben. Unsere Abficht ist es vielmehr, die Mütter und Väter zunächst einmal mit den Ergebnissen der modernen Jugendforschung bekannt zu machen, die diese Verschiedenheit zum Auspruck bringen. Unser kleiner Hinweis auf die Erziehung sollte nur dazn dienen, schon jetzt die hohe praktische Bedeutung von Fest­stellungen hervorzuheben, die manchen vielleicht sehr troden und unwesentlich anmuten.

Bekannt ist wohl allgemein, daß die Atmung beim Kinde in an­derer Weise erfolgt als beim Erwachsenen. Das Kind atmet infolge der tomenförmigen Gestalt seines Brustkorbes mehr mit dem Bauche als mit der Brust. Auch die Herztätigkeit ist beim Kinde eine andere. Sie hat einen anderen Rhythmus, wie man das an der Verschieden­heit der Pulsschläge pro Minute sofort feststellen kann. In anderen Formen vollzieht sich auch der kindliche Stoffwechsel. Beim Erwach= senen schafft er lediglich Ersatz für die verbrauchten Stoffe, aus denen der Körper fich aufbaut, beim Kinde dient er außerdem noch dem Wachstum. Weniger bekannt ist wohl die Tatsache, daß die Busammensetzung der Grundstoffe( chemischen Elemente), die den Körper aufbauen, beim Kinde ganz anders ist als beim Erwachsenen, und zwar je jünger ein Kind ist, desto mehr unterscheidet es sich in dieser Beziehung vom reifen Menschen. So beträgt zum Beispie! der Wassergehalt eines Neugeborenen 74,7 Prozent der Gesamt­törpermasse, beim Erwachsenen aber nur noch 58,5 Prozent. Ebenso kräftig fommt beint Stelett zum Ausdruck, wie groß der Unterschied ist, der in der chemischen Zusammensetzung der Grund­stoffe des kindlichen Körpers im Vergleich zum Erwachsenen besteht. Die einzelnen Knochen sind beim Kinde weicher und gefäßreicher, sie weisen einen Mangel an festen( mineralischen) Substanzen auf. Deshalb ist auch der findliche Körper schmieg und biegsamer, viel gelentiger als der des Erwachsenen. Das Verhältnis von organischen Stoffen( Knorpel und Fettsubstanz) zur anorganischen, das heißt festen Substanz im Knochen beträgt zum Beispiel am Schienbein­Inochen gemessen: Organische Substanz 34,68 Prozent 32,29

beim Kinde von 2 Monaten beim Keinde von 3 Jahren

beim Erwachsenen von 25 Jahren 31,36

Feste Substanz 65,32 Prozent 67,71

68,42

Auffällig ist auch die Verschiedenheit des prozentualen Verhältnisses einiger Körperteile zum Gesamtgewicht beim Kind und Erwachsenen:

Stelett

Muskeln.

Haut.

Gehirn

Rüdgrat

Augen

Neugeborener Erwachsener 16,7 Prozent 15,35 Prozent

=

23,4

11,3

43,09 6,30

14,34

2,37#

0,20

=

0,067 2

0,28

Speicheldrüsen

0,24

0,023 0,12

=

Schilddrüse.

0,24

0,05

Lungen

2,16

2,01

Herz.

0,89

0,52

0

Thymusdrüse.

0,54

0,0086

Magen und Eingeweide

2,53

2,34

Bauchspeicheldrüse

0,12

0,15

Leber.

4,39

2,77

0,41

0,346

0,88

0,48

Milz  .

Nieren