Nr. 16

Für unsere Mütter und Hausfrauen

Einige der in dieser Tabelle angegebenen Unterschiede scheinen unbedeutend. Das kommt daher, daß sie im Prozentsaz des Ge­samtförpergewichts ausgedrückt sind, sie würden viel kräftiger zum Ausdruck kommen, wenn sie im Prozentsag ihres eigenen Gewichts angegeben worden wären. So ändert das Herz im Laufe der kind­lichen Entwicklung seine Größe um das Zwölf- bis Dreizehnfache, die Leber um das Elffache, die Lungen ungefähr um das Zwanzig fache, das Gehirn um das Vierfache usw.

Wie sich das Mischungsverhältnis der den Körper aufbauenden Stoffe fortgesett ändert, dafür nur noch ein Beispiel: Das Verhält­nis der Mineralsalze in den Knorpeln beträgt im Alter von sechs Monaten 2,24, mit drei Jahren 3 und mit 19 Jahren 7,29 Prozent. Ähnliche Unterschiede können wir für die Zusammensetzung des Knochenmarts, der Muskeln, des Blutes usw. feststellen. So weist zum Beispiel das kindliche Blut viel mehr weiße Blutkörper auf als das des Erwachsenen. Würde man dieselben Mischungsverhältnisse beim reifen Menschen vorfinden, würde man ihn unbedingt als frant" bezeichnen.

Aus den eben genannten Tatsachen geht schon unzweifelhaft her­vor, daß die Stufen der Kindheit und Minderjährigkeit nur Zeiten der Vorbereitung sind, die in sich selbst kein festes Bestehen haben. Am gewaltigsten offenbart sich der provisorische Charakter der find­lichen Körperformen wohl an den mannigfaltigen Veränderungen, die die einzelnen Kopffnochen bis zum Zustand der Geschlechtsreise, also etwa bis zum zwanzigsten Jahre, durchlaufen. Die kindliche Schädelbildung ist eine ganz andere als die des Erwachsenen. Das gilt nicht nur für das Verhältnis der Größe des Kopfes zur Ge­samtkörperlänge, sondern auch in bezug auf das Verhältnis der Schädelbreite zur Schädelhöhe. Beim Neugeborenen ist der Kopf verhältnismäßig groß, er beansprucht ein Viertel der Gesamtkörper­länge, beim Zweijährigen ein Fünftel, beim Sechsjährigen ein Sechstel, beim Fünfzehnjährigen ein Siebtel und beim reifen Men­schen( 25 Jahre) nur noch ein Achtel. Beim Neugeborenen ist ferner der Schädel in seinem größten Breitendurchmesser mindestens ebenso breit wie hoch, oft noch breiter, beim Erwachsenen hingegen macht die Schädelbreite nur noch drei Viertel der Schädelhöhe aus. Das Gesicht des Erwachsenen erscheint deshalb schmaler. Größe und Ge­stalt der einzelnen Schädelknochen sind beim Kinde zu verschiedenen Zeiten oft recht verschieden. Infolgedessen ändert sich auch fortgesetzt das Lageverhältnis der einzelnen Gesichtspartien zueinander. So befindet sich zum Beispiel bei der Geburt die Nasenöffnung nur ganz wenig unterhalb der niedrigsten Stelle der Augenhöhle. Au­mählich rücken diese beiden Stellen immer mehr auseinander, so daß man sie beim Erwachsenen nicht mehr zusammengruppieren fann. Entsprechend der fortgesetzten Veränderung in Lageverhältnis der einzelnen Kopfteile verändert sich nicht nur die Gesichtsform ständig, sondern auch die Funktionsweise der am Kopf befindlichen Haupt­finnesorgane: Auge und Dhr. Das neugeborene Kind sieht zuerst überhaupt nichts, und wenn es die Sehfähigkeit nach einiger Zeit erlangt hat, zunächst nur ungenügend. Beim Ohr liegen die Ver­hältnisse ganz ähnlich. Recht auffällig ist die Verschiedenheit von Kind und Erwachsenem in der Ausbildung der sogenannten eustachi­schen Röhre, jenes Ganges  , der den Schlund mit dem inneren Dhr verbindet. Sie liegt beim kleinen Kinde fast horizontal, während sie beim Erwachsenen sich start abwärts biegt. Sie ist heim Kinde außerdem türzer, zugleich aber im Durchmesser weiter als beim Er­wachsenen. Daher kommt es denn auch, daß beim Kinde sich Ent­zündungen der Nase und des Rachens viel leichter dem Mittelohr mitteilen als beim Erwachsenen.

Einer fortgesetten Veränderung unterliegt auch die Nase, sowohl in ihrem äußeren wie inneren Bau, wie jeder leicht, wenigstens was die äußere Form anbetrifft, durch einen Vergleich seiner Nasenform mit der auf Bildern aus seiner Kindheit feststellen kann. Allgemein bekannt sind die Veränderungen, die die Zähne im Laufe der Ent­widlung zum Erwachsenen aufzuweisen haben. Man denke nur an den Zahnwechsel usw.

Auf die Verschiedenheit der Zungen- und Kehlkopfbildung beim Kinde und Erwachsenen wollen wir hier nicht näher eingehen, so wichtig diese Dinge dafür sind, die Fähigkeit respektive Unfähigkeit des Kindes zu bestimmten Lautbildungen und damit für die Ent­wicklung der Sprache zu verstehen.

Ganz auffällig ist der Größenunterschied in der Ausbildung der Thymusdrüse, die sich beim neugeborenen Kinde in der unteren Schlundgegend befindet, und die fast so groß ist wie der linke Lungen­flügel. Sie wächst weiter bis zum dritten Jahre, bleibt dann in nur wenig verändertem Zustand bis zur Zeit der beginnenden Ge­schlechtsreife( Pubertät) bestehen und verschwindet darauf in furzer Zeit nach und nach. Sie scheint also für den spezifisch jugend­lichen Stoffwechsel bestimmte Funktionen zu erfüllen.

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Wir hatten schon oben darauf hingewiesen, daß die Gestalt des findlichen Brustkorbes von der des Erwachsenen erheblich abweicht und tonnenförmig ist. Es ist dies bedingt durch die weniger schräge und flache Lage der Rippen. Die Spige des Brustkorbes ist nicht nur fleiner, sondern liegt auch höher als beim reifen Menschen. Die Maßverhältnisse der Brust verändern sich fortgesetzt. Dabei wächst die Brust im Breitendurchmesser viel schneller als im Durchmesser von vorn nach hinten.

Auf die mannigfachen Veränderungen, die Herz, Lunge und Leber in bezug auf ihre Größe, Gestalt, Struktur und Lage durchlaufen, wollen wir hier nicht näher eingehen. Der sehr großen praktischen Bedeutung wegen möchten wir aber darauf hinweisen, daß in der Kindheit das Herz in bezug auf die Körperlänge verhältnismäßig klein, das Arteriensystem hingegen weit ausgedehnt ist, während sich mit der Pubertät allmählich das umgekehrte Verhältnis heraus­bildet. Der Blutdrudzustand im kindlichen Körper ist also ganz anders als beim Erwachsenen, nämlich wesentlich niedriger, nur in den Lungen ist er höher, weil die Lungenarterie beim Kinde einen größeren Durchmesser hat als die Hauptschlagader( Aorta). Die Folge davon ist die erhöhte Absonderung von Kohlensäure und ein rascheres Atmen beim Kinde. Diese Umstände geben schließlich wieder die Bedingungen für die größere Lebhaftigkeit des Kindes ab.

Was die Baucheingeweide anbetrifft, können wir feststellen, daß sie ebenfalls durch die Lage, Gestalt usw. wesentich von den Organen Erwachsener abweichen. So liegt das Zwerchfell beim Kinde höher als beim Erwachsenen. Unter allen Baucheingeweiden zeigt der Magen seiner Gestalt und Lage nach den größten Unterschied. Beim Kinde ist er röhrenförmiger und liegt senkrechter als beim Erwachsenen; außerdem ist ver Schlundschließmustel noch gering entwickelt. Stinder erbrechen deshalb viel leichter als erwachsene Menschen.

Vollkommen verschieden von seiner späteren Form ist auch das Rückgrat des findlichen Menschen. Es ist breiter und fürzer und sentt sich zu gleicher Zeit um die Länge eines Wirbels tiefer herab als beim Erwachsenen. Es ist sehr leicht und biegsam und kann be­quem in jede Lage gebracht werden. Die Nacken- und Lendenkrüm­mungen fehlen ihm noch, da diese ja erst durch den Druck des Körper= gewichts der reifen Form entstehen. Wir wollen hier die in der Kindheit bestehende Abweichung einzelner Körperteile von der Nor­malform nicht weiter durchgehen, das bisher herangezogene Material dürfte wohl genügen, um uns davon zu überzeugen, daß das Kind tatsächlich in Bau, Verrichtung und Struktur des Gesamtkörpers wie seiner einzelnen Teile ein anderer Mensch ist. Wären die Körper­verhältnisse des Kindes beim ausgewachsenen Menschen noch anzus treffen, so würden wir ein Wesen von groteskem Aussehen vor uns haben, mit großem Kopf und zwerghaftem Gesicht, mit spizzem Brustkorb und furzen Armen und Beinen.

Feuilleton

Die Hölle.

Von Olive Schreiner  .

( Schluß.)

Und das Fest nahm seinen Fortgang. Plößlich aber rief ich aus: Wenn einer von der Tafel aufstände aus ihrer Mitte her­aus und, seine Trinkschale wegwerfend, ihnen zuriefe: Meine Brüder und Schwestern, haltet ein! Wißt ihr, was wir trinken?' Wenn er dann mit seinem Schwert den Vorhang zerschnitte, ihn weit auseinanderzöge und den Ruf ergehen ließe: Brüder, Schwestern, seht! es ist nicht Wein, nicht Wein, nicht Wein! Meine Brüder, o meine Schwestern!' und er würde umstürzen die

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Da sprach Gott  : Schweig!

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sich dorthin."

Ich schaute; vor dem Festhause sah ich im Grase eine Reihe von blumenbedeckten Erdhügeln, zu deren Häupten vergoldeter Marmor stand. Ich fragte Gott um ihre Bedeutung.

,, Es sind die Gräber jener, die vom Feste aufstanden und jenen. Ruf ertönen ließen."

Und ich befragte Gott  , wie sie dahin kämen.

Er sprach: Die Männer aus dem Festhaus erhoben sich und warfen sie rüdlings nieder."

Ich sagte: Wer begrub sie?"

Die Männer, die sie niederwarfen."

Wie kam es, daß sie sie erst niederwarfen und dann ihnen Denksteine setten?"

"

Gott   sprach: Weil ihre Gebeine aufschrien, bedeckten sie sie." Doch zwischen Gras und Unkraut sah ich einen unbegrabenen Körper liegen und fragte Gott  , warum das sei.