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Für unsere Mütter und Hausfrauen

rativen Schmud von alten und neuen Büchern" sind voll von Erfahrungen des Meisters und den ästhetischen Grundsäßen, nach denen er arbeitete, und bewegen sich in der Hauptsache auf den Bahnen, die Ruskin und Morris gebrochen haben. Crane wird zu einem Rufer im Streit gegen die herrschende Geschmacklosigkeit, gegen alles Ge­meine und Häßliche unserer krämerhaften, gewinnsüchtigen Zeit. Durch all seine Reden und Bücher zieht sich wie ein roter Faden sein so­zialistisches Glaubensbekenntnis an eine kommende Zeit, in der die Kunst in allen Formen das Leben erhöhen und das Schöne Gemeingut des ganzen Boltes sein wird, an eine große volkstümliche Kunst in einer freien Gemeinde.

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Der Schwerpunkt und die Bedeutung von Cranes Schaffen liegt anerkanntermaßen auf dem Gebiet der angewandten Kunst, nament­lich der Graphik. Als Maler von Staffelei- und Wandbildern wird unser Künstler etwas summarisch unter die Präraffaeliten ge= rechnet, eine Schule, die sich die italienische Frührenaissance zum Vorbild nahm, also ein Jugendzeitalter der Kunst. Sie fam jedoch wie jede Richtung, in der moderne Künstler in Ermange­lung eigener Art die Primitiven spielen über eine äußerliche Nach­ahmung der großen Quattrocentisten nicht viel heraus. Ihr bekann tester Vertreter war Burne- Jones , von dem Crane allerdings be­einflußt wurde. Sonst schöpfte die Kunst unseres verstorbenen Ge­nossen viel mehr aus der italienischen Spätrenaissance, auf die vor allem auch seine Manier verweist. Das bezieht sich freilich nicht auf die Farbe, die in Cranes Malereien ein untergeordnetes, dienen­des Element bildet. Zeichnung und Komposition, Aufbau und Raum­verteilung spielen die Hauptrolle in seinen Bildern, von denen wir nur die bekanntesten nennen wollen: die symbolisch reiche Brücke des Lebens" und den rhythmisch bewegten Wettlauf der Stun den". Daß die offizielle Kunst Crane als Maler boykottierte, ist kaum auf sein sozialistisches Credo zurückzuführen, denn das gleiche Los ist schon vielen gutgesinnten" Größeren als ihm widerfahren. Dagegen hat der Künstler gewiß für seine Überzeugung da und dort Opfer bringen müssen, wenn auch nicht in dem Maße, daß sie für eine Märtyrerkrone ausreichen würden. Es hat ihm nie an hohen Ehrungen und reicher Anerkennung seines künstlerischen Schaffens gefehlt, auch nicht unter unseren Gegnern. Die Engländer sind in solchen Dingen vernünftiger und duldsamer als etwa die Deutschen oder auch die Amerikaner. Als unser Künstler im Jahre 1891 einem an ihn er­gangenen Rufe folgend nach der Union ging, um sein Werk zu zeigen und Vorträge zu halten, wurde er von Künstlern, Literaten und Verlegern als berühmter Mann gefeiert, von den respektabeln" Leuten jedoch mit demonstrativer Kühle behandelt.

Ihnen war es ein Greuel, was uns den Künstler lieb macht: sein sozialistisches Bekenntnis, sein unerschütterlicher Glaube an eine schönere Zukunft der Menschheit, dem er in vielen Zeichnungen Gestalt gegeben hat. Einige davon kamen als selb­ständige Blätter heraus, die meisten waren aber für die englischen Parteiorgane Commonweal" und" Justice" gezeichnet und dien­ten, sei es in humoristisch- satyrischer, sei es in ernster, pathetischer Weise den jeweiligen Bedürfnissen der sozialdemokratischen Propa­ganda. Es find Kampfbilder, deren künstlerischer Wert durch ihre Tendenz keinen Abbruch erleidet. Wie sich die herrschende Klasse in der barocken Gestalt der verlebten, aufgepugten Missis Grundy" vor ihrem eigenen Schatten dem drohenden Proletariat- fürchtet, ist ein vernichtender Hohn auf unsere Gesellschaft. Den Stempel innerer Überzeugung tragen die Bilder, in denen der Sozialismus als streitbarer Held den Drachen Kapitalismus überwindet und da­mit die Welt von allen übeln befreit. Cranes Figur der Ar­beit im Gedenkblatt auf die in ihrem Blute erstickte Kom mune von Paris ist von mächtigem Wurf, und verkündet, wie das groß angelegte Maibild von 1891, bas dem tämp­fenden Proletariat der ganzen Welt gewidmet ist, den endlichen sicheren Triumph der Arbeit".

Die bildenden Künstler unserer Zeit sind in ihrer großen Mehr­heit Diener und Schmaroßer der herrschenden Klassen, deren Nei­gungen und Bedürfnissen sie entgegenkommen. Nur wenige von ihnen haben den Mut, ihnen einen Spiegel vorzuhalten oder gar ihre Kunst in den Dienst der Armen und Unterdrückten zu stellen, wie Walter Crane . Wir wollen darum sein Andenken hochhalten und legen dankbaren Sinnes einen immergrünen Kranz auf sein frisches Grab. H. S.

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Der Seelenglaube.

Bon B. Sommer.

( Fortsegung.)

Die Rachsucht und Boshaftigkeit der Geister sind also die Ursachen alles Übels, besonders auch der Krankheiten von Mensch und Vieh. Daß jemand ohne äußerlich geschlagen oder verwundet zu

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werden, fich unwohl fühlen kann, ist dem Naturmenschen unfaßlich. Ein unsichtbarer Geist muß der hämische Täter sein. Diese An­nahme liegt um so mehr auf der Hand, als die Krankheiten, denen der Urmensch, zum Beispiel der Australneger am meisten ausgesetzt ift, einen auffallenden und schmerzhaften Verlauf haben. Meist handelt es sich um Muskelrheumatismus, Fieber, Geschwülste und Geschwüre oder um nervöse Störungen wie Tobsucht, Schlafwan­deln, zeitweise Bewußt- und Empfindungslosigkeiten. Noch in den christlichen Evangelien werden bestimmte Krankheiten einfach Be­sessenheit" genannt.

Vor allem ist es die Fallsucht( in Deutschland örtlich das böse Wesen" genannt) mit ihren plöglichen und beängstigenden Erschei­nungen, die ,, Besessenheit" vortäuscht. Sie ist bei Naturvölkern häufig und überall da, wo eine hohe Reizbarkeit des Nervensystems vor­handen ist. Noch Griechen und Römer nennen die Fallsucht die " heilige Krankheit", und jede Volksversammlung, jede Tempelfeier wurde abgebrochen, wenn ein Anwesender einen Krampfanfall er­litt. Es hatte sich dann, so wähnte man, ein böser Geist einge­schlichen. Auch die Besessenen" der Bibel sind Nervenkranke.

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Bei der Heilung handelt es sich immer darum, den Geist auszu­treiben, und zwar durch die Macht eines guten, heiligen" Geistes. Dieser Gedanke lebt sogar noch heute in unserer Mitte fort. Noch heute hören wir hie und da von einem katholischen Geistlichen, der den Exorzismus", die Austreibung der bösen Geister ausgeführt hat. Das Niesen halten alle Naturvölker für das Ausfahren eines bösen Geistes, und auch wir sagen: Zum Wohl! was eine ursprüng­liche Beschwörungsformel ist. Die Sage, daß der Teufel mit Ge­polter und Gestank davonfahre, hat ihren Ursprung in den schmerz­haften Verdauungsstörungen und dem, was darauf folgt. Wie die Geister zu behandeln und auszutreiben sind, darüber haben sich je nach den Lebensverhältnissen der verschiedenen Völker die mannig­faltigsten Gebräuche und Anschauungen herausgebildet.

Der Wilde fürchtet den Tod weniger als wir, weil er weniger an die Zukunft denkt als wir. Das bedeutet nicht, daß ihm der Tod gleichgültig oder gar schäzenswert erscheint. Den natürlichen Tod aus Altersschwäche kennt er fast gar nicht; die meisten Wilden sterben eines gewaltsamen Todes, durch Krankheit, Hunger, Natur­gewalten, durch die Hand eines Feindes oder der eigenen Stammes­und Sippenangehörigen. Kranke und Alte kann nämlich die schweifende Horde in ihrem harten Stampfe um die Existenz nicht brauchen. Sie hat gar nicht die Möglichkeit, sie mitzuführen, zu pflegen und zu ernähren. So werden denn die Kranken und Schwachen entweder einfach in der Wildnis zurückgelassen, wo sie zugrunde gehen be­ziehungsweise von wilden Tieren gefressen werden, oder sie werden von ihrer eigenen Horde getötet, sogar verzehrt.

Das mag uns schauderhaft erscheinen. Zartgefühl fennt der Wilde nicht, und zudem erscheint unter den Umständen die Tötung und auch das Verspeistwerden den Betroffenen durchaus ehrend, wenn nicht gar als Wohltat. Denn die Seele des Verspeisten geht in die Lebenden über, braucht also nicht ruhelos umherzuschweifen. Der Lebende aber erwartet von der Aufnahme der verspeisten Seele Stärkung der eigenen Lebenskraft, vor allem, wenn der Tote ein tapferer Krieger war. Frauen werden nie verspeist, weil die Wilden annehmen, daß ihr Genuß feige macht. Ihre Seele wenn man ihnen überhaupt eine zugesteht fürchtet man nicht. Nach der Meinung der meisten Wilden besitzt die männliche Seele die Kraft, Unheil anzurichten, und das soll am einfachsten durch die Ver speisung des Toten verhütet werden. Durch die Verzehrung der Leichen schlägt der Wilde also mehrere Fliegen auf einmal: er ent­ledigt sich lästiger Mitesser, erzeigt den Opfern eine Ehre, schützt sich vor boshaften Geistern und kommt selber zu einem ausgiebigen und stärkenden Braten.

Die Altentötung, wenn auch ohne Leichenfraß, hat sich bis in die Zeiten der Halbkultur erhalten, obwohl es hier nicht mehr so an Nahrung mangelte wie auf der früheren Stufe. Sie ist heute noch in Nordafien üblich, auf den Südseeinseln, bei einzelnen Indianer­stämmen und Negervölkern. Mit Zustimmung der Opfer wird sie nicht bis zum Grau- und Wackligwerden hinausgeschoben. Es ist dabei der schon erwähnte Glaube maßgebend, daß die Seele in der Verfassung weiterlebt, die der Körper beim Tode hatte. Dieser Glaube ist der Grund, warum es, wie alle Reisenden bezeugen, so wenig wirklich alte Wilde gibt. Der Engländer Wilke fand an einem Orte Polynesiens unter mehreren hundert Einwohnern keinen Mann, der über 40 Jahre alt sein konnte. Die älteren waren alle getötet worden, meist von den eigenen Kindern, denen diese Pflicht in erster Reihe obliegt. Wer bereits Entel hat, muß immer gewärtig sein, durch Familienratsbeschluß getötet zu werden: Auf diese Weise wird beim Stande einer noch unbeholfenen Lebensfürsorge die Magen­frage" am einfachsten gelöst.