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Für unsere Mütter und Hausfrauen

nur in den ertverbenden Klassen lag ein großer Teil der produktiven Arbeit in der Hand der Frau. Die Frau mußte spinnen und weben, mahlen und baden, schlachten und kochen, das Vieh besorgen, oft dem Mann im Handwerk helfen. Auch bei den befizenden Klassen war sie so recht die Seele der ausgedehnten Haus- und Hofwirt­schaft. Der Großgrundbejizz hatte noch eine mäßige Ausdehnung und stand unter unmittelbarer Zeitung des Besitzers. Die Frau, die allen hauswirtschaftlichen Arbeiten vorstand, nahm tätigen Anteil at den verschiedensten Verrichtungen. So zeigt uns die Sage Lit tretia beim Wollekämmen in der Mitte ihrer Mägde. Symbolisch wird die wirtschaftliche Bedeutung des Weibes darin ausgedrückt, daß sie als Hüterin des Herdfeuers gilt. In alter Zeit war nämlich das Feuer eine sehr tosibare Sache. Man durfte es beileibe nicht ausgehen lassen, denn das Neuanfachen fostete viel Zeit und Mühe. Auch in der Kleidung kam die produktive Tätigkeit der Frau zum Ausdruck. Die alte römische Hausfrau trug ein furzes ärmelloses Gewand, das sie bei der Arbeit nicht behinderte. Erst als die Ar­beit auf den Gütern und in den Haushaltungen von Sklaven und Stlavinnen verrichtet wurde, als die Frauen der besitzenden Klassen sich mehr und mehr von jeder Handarbeit fernhielten, fie sogar als eine Schande empfanden, kam das lange, bis zu den Füßen reichende römische Frauengewand, die Stola auf. Als das Dirnenwesen in Rom   immer mehr überhandnahm, wurde das einstige Arbeitskleid der römischen Frau, die Toga, zum Kennzeichen der Prostituierten. Die Prostituierten rekrutierten sich aus den ärmeren Bolfsschichten, wo die furze Toga fich länger erhielt.

Eine nebelhafte Erinnerung an die graue Vorzeit ist noch auf­bewahrt in der Sage vom Raub der Sabinerinnen. Nach der Grün­bung Roms habe es den Römern an Frauen gefehlt, so meldet dicse Sage. Sie hätten daher ihre Nachbarn bei einem ländlichen Feste überfallen und ihnen die Jungfrauen geraubt. Es scheint also, daß auch bei den alten römischen Sippschaften, wie bei den Blutsgemein schaften anderer Völker, das Verbot bestand, innerhalb des Geschlechts zu heiraten. Die Frauen wurden daher durch Raub oder Kauf von den Nachbarn erworben. Auf dieser Kulturstufe ist die Frau noch durchaus ein unfelbständiges Glied ihrer Sippengemeinschaft. Sie tritt bei der Ehe nicht unter die Gewalt des Mannes, sondern fie bleibt Angehörige ihres Geschlechtsverbandes, wenn Mutterrecht gift, und tritt in die Sippe des Gatten ein, wenn, wie bei den Römern, Waterrecht besteht. Bei den alten Römern finden wir starfe über­refte der vaterrechtlichen Sippe. Darum konnte bei ihnen die Fran nicht erben, denn das Eigentum ihres Vaters gehörte dem ganzen Verband und durfte diesem nicht verloren gehen.

Mit der Entwicklung des Privateigentums innd der Einzelfamilie erlangte der Familienvater, das Haupt dieser Großfamilie, eine un­umschränkte Herrschaftsgewalt über alle Glieder der Haus- und Wirt­schaftsgemeinschaft. Er wird zum Erben und Bertreter der alten Sippenmacht. Die Frau wurde zu einem Stück Privateigentum des Mannes und unterstand lebenslang seiner väterlichen Gewalt" ebenso wie die Kinder und Stiaven. Bei der Heirat tourde sie zur Gemeinschaft des Wassers und Feuers durch das heilige Salzmeht" in die Hand" des Gatten gegeben; bei der feierlichen religiösen Eheschließung wurde das symbolisch durch Handauflegen ange­deutet. Auf ihrem Ehebruch stand der Tod, der Mann dagegen wurde dafür nur insofern bestraft, als er das patriarchalische Recht eines anderen Mannes verletzt hatte. Erst später wurde das Recht des Gatten, die Ehebrecherin zu töten, auf die ordentlichen Gerichte und den Vater übertragen. In keinem Kulturstaate war der Eigentums­begriff des Mannes an der Frau so scharf ausgeprägt wie in Rom  . Noch in verhältnismäßig späterer Zeit hören wir, daß ein Römer seine Frau ungestraft mit der Faust erschlug, weil sie aus einem Struge- Wein genippt hatte. Den römischen Frauen war wie den Stiaven das Weintrinken verboten. Auch nach dem Tode des Gattent genoß die verheiratete Frau im alten Rom   feine Selbständigkeit, blieb vielmehr lebenslänglich unter männlicher Vormundschaft. Sehr oft wird die eheliche Treue der alten Germanen in Gegensatz zu der Verkommenheit", dem Sittenverfall der Römer gesetzt und über­schwenglich gepriesen. Mit Unrecht. Das Lob hat nur den Schein der Berechtigung für sich, wenn man zum Vergleich die Sitten in der Verfallzeit des römischen Reichs heranzieht. Die alten Ger­manen hatten die Einehe bei weitem nicht so streng und rein aus­gebildet wie die Römer, als sie in das Licht der Geschichte traten. In den ältesten historischen Zeiten finden wir bei ihnen die Einehe, die als innigste und untrennbare Lebensgemeinschaft der Gatten nach göttlichem und menschlichem Recht erklärt wurde. Das Kontubinat war gestattet, aber nur mit einer Frau und neben ihm durfte dann feine Che bestehen.

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Unter der alten Geschlechterverfassung war die Frau nicht erb. berechtigt gewesen. Das ändert sich mit dem Aufkommen des Privat

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eigentums. Auch die Form der Eheschließung ändert sich. Hatte früher der Mann dem Vater die Braut abgekauft, nur um die wert­volle Hilfskraft der Frau zu bekommen, so ist es jetzt der Vater, der, um die Tochter loszuschlagen, ihr eine Mitgift mit in die Ghe gibt. Die Frau wird jetzt weniger nach ihrer wirtschaftlichen Tüchtig­feit als nach dem Vermögen bewertet, das sie mitbringt. Bezeich nend ist aber für die starke Nachwirkung der alten Geschlechtervers fassung, daß die Mitgift der Braut nicht mit ihr in die Hände des Gatten gelangt, sondern unter vormundschaftlicher Verwaltung des Vaters oder eines ihrer männlichen Anverwandten bleibt. Dies gibt der Frau gegenüber der väterlichen Gewalt" des Ehemannes eine gewisse Unabhängigkeit, die um so notwendiger war, als die Ehe­scheidung ursprünglich nur vom Manne ausgehen konnte, und als dieser auch in späterer Zeit noch das Recht hatte, die unfruchtbare oder untreue Frau zu verstoßen. Übrigens sollen nach Plutarch   schon die Gesetze des Romulus die Scheidungsgründe festgesezt und die unbefugte Scheidung mit Strafe belegt haben.

Die vermögensrechtliche Stellung der römischen Frau war das Einfallstor, durch das sie in die Burg des männlichen Absolutis­ mus   eindrang. Nachdem die bejizende Frau einmal das Recht er­reicht hatte, sich den Verwalter ihres Vermögens selbst zu wählen, war es nur ein kleiner Schritt zum vollkommen freien Ver­fügungsrecht über ihr Hab und Gut. War die Frau aber einmal vermögensrechtlich frei, so mußte der alte strenge Begriff der Ehe und weiblicher Unterordnung fallen. Tatsächlich kommt denn auch mit der zunehmenden Geldwirtschaft eine neue Form der Ehe auf, die neben der alten sich immer mehr ausbreitet. Die reli­giösen Zeremonien fallen dabei weg, die Frau ist nicht mehr fürs ganze Leben an den Mann gebunden. Die Eheleute leben zuerst ein Jahr auf Probe miteinander, dann erst gilt der Vertrag als dauernd geschlossen, und nun erst fällt die Frau unter das mundium, die Vormundschaft des Mannes. Sie fann sich jedoch dieser auf die Dauer entziehen durch das sogenannte Trinoftium, den Dreinächtebrauch, nämlich dadurch, daß sie jedes Jahr drei Nächte außerhalb der gemeinsamen Wohnung verlebt. Dieser Brauch nahm immer mehr überhand, da er der Frau ein ver hältnismäßig freics Verfügungsrecht über ihre Person sicherte. Die nichtreligiöse Ehe konnte wie irgendein anderer geschäftlicher Vertrag gekündigt werden. Bei dieser Form der Ehe blieb das Vermögen der Frau ihr Eigentum oder das ihres Vaters, mit Ausnahme der Mitgift, die aber bei Scheidung oder bei Tod des Maunes meist zurückgegeben wurde. Die Gattin kam nur so weit in die Gewalt des Mannes, als dies der Zweck der Ehe mit sich brachte und der einheitliche Wille in der Familie erheischte". Im übrigen blieb sie unter der Gewalt ihres Vaters oder der Vor­mundschaft ihrer männlichen Anverwandten. Mit Hilfe des Vaters oder der genannten Verwandten konnte sie die Scheidung auch gegen den Willen des Gatten durchsetzen. Ehescheidungen und Wiederverheiratungen werden im Laufe der Zeit so häufig, wie sie früher selten waren. Natürlich galt die rein weltliche Eheform unter den hochkonservativen Patriziern nie für ganz anständig, sie entsprach aber den Interessen der Geschäftswelt am besten. In den ärmeren Kreisen gab es noch eine dritte Form der Ehe­schließung, die eine Art gegenseitigen Kauf symbolisierte. Bei der Hochzeit gaben Mann und Weib sich gegenseitig einige Geldmünzen und das Versprechen, Eheleute sein zu wollen. Hatten sie einander fatt, so gingen sie wieder auseinander.

Als Mutter nahm die römische Frau eine hochgeachtete Stellung ein; das kommt in dem Ehrennamen der verheirateten Frau deut­lich zum Ausdruck. Sie heißt matron a von mater, die Mutter. Die römische Sage, Dichtung und Geschichtschreibung weiß viel von edlen und flugen Müttern zu erzählen, deren Einfluß auf die Söhne gar nicht hoch genug zu veranschlagen sei. Bekannt ist die Sage von Koriolan  , der an der Spitze eines feindlichen Heeres gegen Rom   zieht und von seiner ihm entgegeneilenden Mutter zum Abzug bewogen wird. Von der Mutter der beiden Volksführer und Sozialreformer, des Tiberius   und Gajus Gracchus, wird eine hübsche Anekdote erzählt. Eines Tages ward sie von einer reichen Dame besucht, die mit ihrem Schmuck und ihren Schätzen prahlte. Die Mutter der Gracchen aber nahm ihre beiden Söhne an der Hand und erklärte: Das sind meine Schätze.

Die hohe Achtung der Mutterschaft ist zum Teil ein Rest aus der Zeit der sogenannten mutterrechtlichen Geschlechterverfassung. Diese ist höchstwahrscheinlich auch in Nom der vaterrechtlichen Sippe vorausgegangen. So soll zum Beispiel der Ausdruck Pa­trizier, das ist Watersöhne von den Reichen und Vornehmen zur Unterscheidung von den Armen zu einer Zeit gewählt worden sein, wo die Plebejer noch an der mutterrechtlichen Geschlechtsgenossen­schaft festhielten. Bei dieser wurden die Kinder nach der Mutter