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Für unsere Mütter und Hausfrauen
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gerne in deren Nähe weile. Weiß der Wilde doch im ersten Augenblick nach Eintritt des Todes überhaupt nicht, ob die Seele endgültig ausgefahren oder nur spazieren gegangen sei. Hatte man doch bei Betäubungszuständen schon erlebt, daß sie nach tagelanger Abwesenheit wieder in den Körper zurückgekehrt war. Bleibt die Seele nun zu lange aus, dann beginnt man sie zu rufen, damit die etwa Verirrte den Weg zu ihrer Wohnung zurückfinde, und es ist meist die Aufgabe der Weiber mit ihren schrillen Stimmen, das zu besorgen. Sie machen denn auch vielfach einen Lärm bei dem Toten, daß er auf alle Fälle wieder erwachen müßte, wenn er nicht gang tot wäre. Diese Sitte hat sich bis weit hinein in die Halbkultur erhalten, und auch aus der Bibel kennen wir die Einrichtung der Klageweiber"( Jer. 9, 17), die hier schon eine Art Gewerbetreibende und halbe Zauberinnen sind, denn sie werden an der erwähnten Stelle ausdrücklich die Kundigen" genannt( Luther:„ die es wohl können"). Auch in gewissen Gegenden Deutschlands ist diese Sitte noch nicht lange ausgestorben. So wurden noch im vorigen Jahrhundert in Gera klagende, sich( das heißt nur ihre Schminke) ihr Gesicht zertragende Zeichenweiber, als die Nachfolgerinnen der serbischen Klagefrauen festgestellt.
Jst alles Geschrei umsonst, sieht man an den eintretenden Spuren der Verwesung, daß die Seele endgültig den Körper verlassen hat, so kommt es darauf an, sich vor den Heimsuchungen der Seele, die man für unwirsch und tückisch hält, zu schüßen. Das geschieht im kulturlosen Zustand am einfachsten dadurch, daß die Horde den Leichnam liegen läßt und ihres Weges weiterzieht. Im besten Fall deckt man den Toten mit einigen Zweigen oder etwas Erde oberflächlich zu, zündet wohl auch für die ersten Bedürfnisse der Seele ein Feuer an und legt einige Nahrungsmittel dazu. Den alten Lagerplaz meidet man so lange wie möglich. So geschieht es heute noch bei den schweifenden australischen Stämmen. Selbst dort, wo der Neger bereits zum Hüttenbau vorgeschritten ist, gibt es noch kleine Gruppen, die den Toten noch in seiner Hütte lassen, das gesamte Dorf aber abbrechen und an entfernter Stelle wieder aufbauen.
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Hat der Urmensch dieses Stadium ein wenig überwunden, dann findet er es selbstverständlich einfacher, den Leichnam aus der Gemeinschaft der Lebenden zu entfernen. Der Tote wird in einen Busch getragen oder auch, wenn fließendes Wasser in der Nähe ist, in dieses geworfen das führt den Körper und die ihm anhängende Seele ficher hinweg. Seeanwohner, besonders auf Inseln von beschränktem Umfang, versenten deshalb die Leichen gern ins Meer oder stoßen sie im Kahn des Toten darauf hinaus. Noch heute läßt der vornehme Inder seinen Leichnam am Ufer des heiligen Gangesstroms verbrennen und die Asche in dessen Fluten werfen der ärmere zieht freilich das einfachere Verfahren vor, dem Flusse gleich die ganze Leiche anzuvertrauen. Auch die alten Ägypter und Babylonier haben einst, wie ihre Sagen melden, dieselben Bestattungsgewohnheiten besessen. Daraus erklären sich die häufigen Erzählungen von Geistereichen in Wäldern, auf Bergen( die man später als Begräbnispläge bevorzugte), in Flüssen, Seen, über dem Meere.
An den erwähnten Orten aber wurden, wie die einfachste Erfahrung lehrte, die Leichen von den Tieren gefressen von Wölfen, Scha= falen, Geiern, Raben, Krokodilen, Haien und anderen Fischen. In diese gingen dann die Seelen ein, und das führte dann zu den bei den Wilden häufigen Anschauungen, daß jene Tiere ihre„ Väter" seien. Die Parsen in Indien haben die Sitte der Bestattung der Leichen im Tiermagen noch bis in historische Zeiten festgehalten- sie setzten ihre Toten an besonderen Orten( Leichentürmen) in öden Gegenden aus, damit sie dort von Hunden oder Geiern verspeist werden.
Die Furcht vor der Seele führte den zwar falsch, aber mit einer unerbittlichen Konsequenz denkenden Urmenschen zu noch unschöneren Handlungen. Der schweifende Stamm mußte seine Schwachen und Kranten, getötet oder noch lebendig, notwendig auf seinem Wege zurücklassen. Aber auch viele bereits seßhaft gewordene Stämme suchen sich der Totenseelen dadurch zu erwehren, daß sie bereits die Schwerkranken und Sterbenden aus ihrer Mitte entfernen. Der Kaffer läßt niemand in seiner Hütte sterben; den mit dem Tode ringenden Alten schleift man hinaus und läßt ihn verkommen, und nicht anders verfährt man mit dem Schwerkranken. Noch die griechische Sage erzählt vom Helden Philottetes, den seine Kampfgenossen mitleidlos mit einer schweren Wunde auf einer Insel aussetzten. Auch die alten Germanen sind von der üblen Sitte, Sterbende in einem lecken Kahn ins Meer hinauszustoßen, nicht freizusprechen. Das ist eben die Urzeit!
Muß man die Leiche notgedrungen in der Nähe lassen, so fegt man, wie am Kongo , die Hütte nach Entfernung des Toten aus, reißt sie wohl auch nieder, wie bei den Kaffern, wenn sie einen Todesfall in ihr nicht verhindern konnten, und die Angehörigen bauen sich eine neue. An der Westküste Afrikas überläßt man die
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Hütte ein volles Jahr dem Toten- dann übergibt man dem Geiste eine kleinere und bezieht die alte wieder. Das ist bereits eine höhere Stufe. Sie führte schließlich zur Sitte der Grabkapellen und Mausoleen.
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Die Gewohnheit der Botokuden, die Leiche zu fesseln, ist ebenfalls ein naiver Versuch, die Seele an ihren einstigen Aufenthaltsort zu bannen. Sie schnüren die Arme und Beine des Toten fest an den Oberkörper und machen so ein wahres Bündel aus ihm, ähnlich wie sie es wohl auch mit gefährlichen Gefangenen machten. Auch die zibilisierteren alten Peruaner begruben so. Ahnlich verfährt man noch heute an der Südsee. Diese Art der Bestattung muß einst weit verbreitet gewesen sein, denn die sogenannten„ Hodergräber" findet man in der ganzen Welt. Die alten Phönifer banden ihre Toten, selbst als sie sie bereits in feste Steinfarkophage legten, noch besonders an ein Brett an. Auch die Ägypter der Steinzeit machten Hocker: sie banden Beine und Arme mit zähen Ruten am Hals der Leiche fest. Ihr späteres Umwickeln der Mumien mit ungeheuer langen„ Binden" hatte ganz gewiß denselben Zweck der Fesselung; die Seele sollte zwar leben bleiben aber nur für„ fene" Welt. Manche Forscher führen auch das vielfach gebräuchliche Umschnüren der Negerfetische, die oft ein Stückchen von einem Toten( Reliquie) enthalten, auf denselben Gedanken zurück. Wenn der christliche Russe heute noch auf die Leiche oder um den Sarg einen einfachen roten Faden legt, so weiß er sicher nicht mehr, was er tut, uns aber erklärt sich dies als ein Rudiment( überlebſel) solch alter Sitten. Auch in der alten religiösen Mythe wird der Drache, der nicht zu töten ist -Ariman , Typhon, Satan, gefesselt, und bei den alten Völkern war Anbinden, Anketten und Einschließen von wilden Göttern sehr beliebt. Der sanfte Bewohner der Mariannen stellte neben den Sterbenden einen Korb und bat die Seele, sich da hineinzubegeben und dies auch bei späteren Besuchen zu tun. Der germanische Malbaum erklärt sich aus demselben Gedankenkreis. Unsere Sitte, Kreuze und Denksteine auf den Gräbern zu errichten, geht letzten Endes auf nichts anderes zurück. Das„ Ruhe sanft!" auf so vielen christlichen Gräbern sollte ursprünglich wohl soviel heißen als: Laß mich in Ruhe! Manche Wilde bedecken den Toten mit schweren Steinen oder einem großen Erdhaufen, weniger um ihn vor dem Gefressenwerden zu schützen, als um sich selber vor den Besuchen der Seele zu be= wahren. Je stärker und gewalttätiger der Mann in seinem Leben war, je mächtiger er über die Menschen herrschte, desto größer muß zur Bändigung seiner Seele auch die Pyramide sein, die man über ihm aufhäuft. In der Wüste legt heute noch der Vorüberwandelnde stets ein Steinchen auf ein solches Haufengrab das hält man heute für„ Pietät", während. es früher einfach Furcht war. Auch die ägyptischen Bauwerke dieser Art find ins Riesige gewachsene Grabhaufen, nur daß die mächtigen Erbauer sie prozenhaft für ihre eigne Seele schufen. Auch die in Norddeutschland häufigen Hünengräber" gehören hierher.
In folgerichtiger Weiterbildung der Seelenabwehr schreckt der Wilde auch vor Verstümmelung der Toten nicht zurück: man bricht ihm die Beine, damit er nicht zurücklaufen, oder die Arme, damit er nichts tun kann. Ja man schneidet hie und da ihm sogar den Kopf ab, weshalb so viele kopflose Gespenster herumlaufen. Diesem Kopfabschneiden huldigten auch die hochzivilisierten, aber vorsichtigen alten Ägypter.
Nachdem man einmal die Erfahrung gemacht hatte, daß beim Verbrennen eines Gegenstandes eigentlich nichts mehr übrig blieb, verbrannte man, besonders in Zeiten der Halbkultur, mit Vorliebe die Leichen, zumal der führenden„ Helden", deren Seelen man besonders große Kräfte zutraute. Trotzdem schuf man ihnen aber noch große Grabhaufen, die zum Teil die Jahrtausende überdauert haben und von der modernen Wissenschaft wieder aufgegraben werden. Die Sage erzählt von den Westgoten, daß sie zur Zeit der Völkerwanderung ihrem großen Heerkönig Alarich ein Grab im Flußbett des Busento aushoben. Gewiß mit aus Großtuerei, vielleicht aber auch, um seiner Seele Ruhe zu verschaffen vor den rachsüchtigen Händen der Römer. Auch das Aufessen des Leichnams dient zum Teil der Abwehr des Totengeistes. Stämme nördlich des Amazonenstroms brennen und pulverisieren sogar des Toten Knochen, um sie bei Festen, gemischt unter den üblichen Rauschtrant, zu genießen. Wie die Seele eines tapferen Feindes in sich aufzunehmen die eigene Straft nur stärken kann, so auch der Genuß der Seele eines geachteten Stammesgenossen. Aus diesem Gedanken heraus erklärt sich die Menschenfresserei der wilden südamerikanischen Waldindianer wie der allgemein als sanft geschilderten Bewohner der Südsee, wenngleich für später eine gewisse Leckerhaftigkeit nicht abzustreiten ist. Aber es steht jetzt ziemlich fest, daß die Hawaianer ihren Entdecker Cook, dem sie mancherlei Wohltaten verdankten, bei seiner Abreise nur aus Liebe erschlugen, weil sie seine Seele bei sich behalten wollten. Ein christlicher Heiliger ist im mittelalterlichen Spanien diesem Schicksal nur knapp entgangen.
( Schluß folgt.)