100
Für unsere Mütter und Hausfrauen
leichten Sinn und guten Mut ein, der selten ausbleibt, wo ein Haufen Leute beisammen sitzt.
„ Donnerwetter, Mette, mir scheint gar, deine Hosen gehen auf eigenen Beinen davon," läßt sich Wolle Stajbaek vernehmen, indem er ein langes Stück zerfetzter Besatzborte von Mettes Unterrock in die Höhe hält.
Mette zieht rasch das kokett vorgestreckte Bein zurück und beugt sich herab, um den Fezzen abzureißen, den sie dann Wolle ums Ohr schlägt. Die Galopp- Sofie wird hintenaus mitgetroffen, daß ihr das kotige Band einen schmußigen Streif quer über den vorstehenden Badenknochen zieht.
Die Rücken dampfen, und der muffige Armeleutgeruch dunstet aus den wollenen Umschlagtüchern und den durchweichten Kapuzen. Franz Danggaard, der seine wenigen Tabakreste zu einem Priem zusammenzufügen trachtet, ist unversehens auf einen Rockzipfel Mettes zu sitzen gekommen. Mette reißt ihn wütend an sich, wirft einen bösen Blick auf Franz und beugt sich dann zu Sofie hinüber, der sie zuflüstert:„ Er ist ja laufig, der Mensch!"
Das Gneisel sitt an der äußersten Ecke, spuckt mit großem Ingrimm in die Radspeichen und flucht, daß ihn der Teufel zerreißen möge, wenn es nicht das letzte Jahr sei, an dem er zum Vorsteher Kartoffel ausnehmen fäme:„ Es kriegt eins doch so keinen Pfifferling dafür."
,, Was," fragt Per verwundert, ihr kriegt nichts für eure Arbeit? Wieso? Nehmt ihr denn nicht wie jeder andere seinen Taglohn?"
" Ja, wieso," sett Wolle Skajbaek auseinander, weil die Art Arbeit ja für nichts gerechnet wird; und dann denkt auch so ein Großmächtiger, liegt eins schon ohnehin auf der Gemeinde, warum soll er nicht so gut wie jeder andere einen ausnüßen dürfen." „ Eine saubere Erklärung das," meint Per. Warum sagt ihr denn aber nicht nein, wenn er euch ruft?"
"
" Dem Gemeindevorsteher, nein' fagen! Das käm einem teuer zu stehen!" gibt Wolle zurück.
" Nein," sagt Line, die still dagesessen hat und auf der einen Seite die Tropfen von sich abrinnen läßt, solche Leute, die verlangen, daß alles nach ihrem Kopf geht."
" Da haben wir's!" ruft Per." Ihr Angstmeier, ihr! Seid imstand und laẞt euch ins erste beste tiefe Wasser hineintreiben, wenn nur dem Gemeindevorsteher seine Müße zur Tennenluke hinausschaut!"
-
„ Aber ihr anderen ihr Dienstleute, ihr vielleicht nicht?" fragte die Galopp- Sofie.
" Ja, gewiß, kann schon was dran sein! Wir halten alle miteinand zu wenig auf unser Recht," pflichtet Per ihr bei.
" Da müßt ihr aber zu eurem Recht schauen, so lang ihr jung seid; denn seid ihr erst alt worden, nachher ist's wohl zu spät," erklärte Ywer, sich die triefenden Augen mit dem Pulswärmer trocknend.
„ Ein wahres Wort," versetzte Ber .„ Aber versucht es nur heut abend, jeder besonders, euren Lohn zu verlangen; wir werden ja dann sehen, wie er's aufnimmt."
" Ich trau mich nicht, was zu verlangen," sagte Line, denn ich hab Angst, er läßt uns dann nichts mehr von der freien Armenlasse zukommen, und da wüßt ich mir nach keiner Seite einen Ausweg, solang der Anders feiern muß.
Die anderen verhalten sich schweigend. Der Regen ist vorbei.
Die triefend nassen Menschen kriechen zwischen den Rädern hervor und fangen aufs neue an, im Kartoffelkraut zu wühlen.
Die Arbeit geht freudlos und verdrossen vonstatten, solange das nasse Zeug sich allenthalben an den Körper klebt.
" O jemine, wie gut tät einem jetzt ein Schluck Schnaps!" seufzt Wolle Stajbaek. Diese Worte erwecken offenbar ein in ihnen
-
allen schlummerndes Sehnen.
Ganz eigenartig schmachtend schweifen die Blicke über den Acer hin. ,, Könnt nicht am Ende einer im Eßkober sein?" flüstert Franz Dangaard.
" Da hast du aber meiner Seel einen Gedanken! Könnt schon sein", meint Wolle, und eilt, den Deckel des Storbes zu öffnen. Alle halten einen Augenblick mit der Arbeit inne und schauen mit stockendem Atem auf Wolle.
„ Nein! Auch nicht ein Tropfen." Mit zornigem Wurf schmeißt er den Deckel zu.
Ein unmutiges Murren geht durch die ganze Reihe:„ Hab mir's denken können!" Der alte Ywer trocknet sich enttäuscht den zahnlosen Mund mit seinem Fäustling. Franz reißt mit den Nägeln Schabseln aus den Kartoffeln, so wütend fährt er in die Erdschollen.
„ Ach, Gneisel," sagt Wolle Sfajbaek, du bist ja so fest auf den Beinen, du könntest wirklich hinüberspringen zum Konsum und uns eine Flasche Branntwein holen."
Nr. 25
Die anderen wieherten freudige Zustimmung. Das Gneisel sendete eine Spucksalve gleich einem Strahl aus einem Storchbürzel sieben Klafter weit ins Pflugland hinein und schwur:„ Übernehmt ihr der= weil meinen Ackerstrich, so soll mich der Deibel holen, wenn ich nicht wieder da bin, so geschwind wie der Wind."
" Ja- a, das will mir nicht zum allerbesten gefallen, wendete Per ein.„ Nicht daß ich euch euern Branntwein nicht gönn, aber ich fürcht, die Arbeit könnt sich dadurch verziehen, und das käm dann auf unſereinen."
„ Ja," entgegnete Wolle,„ du hast gut dagegen sein; du bist nicht halb so naß wie wir. Wahrhaftig, mir ist so kalt, daß ich nicht weiß, hab ich einen Rücken oder hab ich keinen?"
,, Und ich bin bis aufs Hemd naß; ich mein, man könnt es auswinden", erklärte Mette.
Per gab den Widerstand bald auf. Aber nun handelte es sich um das Geld. Wolle hatte keines. Gneis fand fünf Ore unter ettvas Tabakasche in der Westentasche; die übrigen waren gänzlich blank. So mußte denn Per die Zeche bezahlen.
" Du sollst wahrhaftig nicht allein herhalten müssen," versicherte Wolle, es wird eins doch auch wieder mal einen Groschen zum Heimzahlen haben."
"
Das Gneisel buckelte sich zum Laden fort. Die Zurückgebliebenen kosteten die Süßigkeiten der Erwartung, indes die Kartoffeln in lustigem Bogen nach den undichten Dauben der Eimer flogen.
Wie sie so im besten Zuge sind, ruft Per, der mit einemmmal wie an die Forke genagelt steht: Hol's der Teufel, jetzt können wir uns freuen! Wißt ihr, wer da gegangen kommt?"
Die ganze Reihe dreht sich um und sieht Hans Nielsen über den Weggraben springen und in das Feld, wo sie arbeiten, einbiegen. " D Jeses, Kinder!" piept Line und duckt sich wie vor dem Bösen. " Jetzt wird's was sezen!" flüsterte Wolle.„ Ach, Per, du darfst nichts sagen, daß ich sie eingefädelt hab, die Geschichte mit dem Branntwein. Hörst du?"
Bers Oberlippe fräufelte sich in verächtlichem Lächeln.
Langsam, wie eine drohende Wolfe, kam der Armenvorsteher über den Acker daher. Eine echte Kuhländer Pfeife baumelte in seinem Mundwinkel.
Die Nachmittagssonne fiel von rückwärts in seinen roten Backenbart, daß jedes Haar leuchtete. Bei jedem zweiten Schritt beugte er sich herab und nahm eine vergessene Kartoffel vom Boden auf; nach der großen Regenwäsche lagen sie so tenntlich zwischen den Schollen da. Bald hatte er seine beiden sommersprossigen Hände voll, so daß er die Pleife allein mit den Zähnen festhalten mußte. Die Kartoffelgräber wühlten in der Erde, daß sie nach allen Seiten aufstob. Ihre Nasen berührten fast den Boden, ihre Hinterteile ragten in die Höhe, daß sie sich ausnahmen wie riesengroße Heuschrecken. Ab und zu flüstern sie sich heiser etwas zu, wie im Dunkel hockende Vögel, die fühlen, daß ihnen etwas Feindliches auf der Spur ist.
Auf einmal wirft Hans Nielsen seine Handvoll Kartoffeln über die Köpfe der Gräber in den Eimer, daß drei oder vier polternd von den Dauben zurückspringen. Ein leises Zucken geht durch die ganze Reihe.
" Die habe ich jetzt allein nur auf dem kleinen Ende Weg gefunden. Gebt ordentlich acht, daß ihr alle mit aufflaubt. Von dem, was am Acker liegen bleibt, läßt sich nicht fett werden. Am ärgsten ist's auf der Seite da." Er deutete mit dem Holzschuhschnabel nach dem von Gneis verlassenen Ackerstrich:" Wessen ist der? Ist niemand dabei? Wo ist der Gneis?"
Ein Schauer durchläuft Wolle Skajbaek; er schaut bittend zu Per auf. „ Ach, er hat nur einen Sprung in den Konsumverein gemacht", sagt Per.
" So- o! In den Konsumverein! Läßt du die Leute mitten in der Arbeitszeit so herumspazieren: Da kann ich freilich verstehen, warum so wenig geschafft worden ist; es ist der Wagen ja kaum noch halb voll, ob der Tag auch gleich schon dreiviertel vorbei ist." „ Es hat ja doch geregnet", sagt Per entschuldigend.
"
Geregnet! Ist der auch der Rede wert, der Spritzer, der gekommen ist?" sagt Hans Nielsen .
,, Da ist eins wahrhaftig schön naß geworden von außen und von innen", erklärte Sophie als die mutigste des ganzen Kreises.
"
So- oo!" enigegnet der Vorsteher beißend, innen auch? Das, habe ich geglaubt, kommt erst, wenn der Gneis aus dem Konsum zurück ist."
Der Satan", raunt Sophie dem Wolle Stajbaek zu; der aber, besorgt, Hans Nielsen tönnte gehört haben, daß Sophie ihn zu ihrem Vertrauten mache, senkt die Nase noch tiefer auf die Kartoffeln hinab. ( Fortsetzung folgt.)
Berantwortlich für die Redaktion: Jn Bertretung Hanna Buchheim in Stuttgart . Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.g. in Stuttgart .