Für unsere Mütter und Hausfrauen
Nr. 26
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Beilage zur Gleichheit O O O O O O
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Inhaltsverzeichnis: Goethe. Gedicht von May Barthel. Die Schule und der Krieg. II. Von Friz Elsner. Augenverlegungen bei Kriegsspielen. Marmeladen. Von M. Kt. Feuilleton: Beim Gemeindevorsteher. Von Jeppe Aakjaer. ( Fortsetzung.)
Goethe.
Es war in einer schweren Stunde
An einem grauen Regentag,
Wo wie ein Rudel toller Hunde
Die Mörser knurrten, Schlag auf Schlag. Wir hörten die Granaten heulen Jn unserm finsteren Versteck, Die schlugen dann wie Riesenkeulen Und mischten Blut und Hirn zu Dreck..
Wie Tiere schrien die Kameraden Und stöhnten in den gelben Dampf, Jm hohlen Sausen der Granaten Erstarb das Blut in Schreck und Krampf. Ich sah die schwarzen Schatten tanzen, Jm Herz quoll auf Gebet und Fluch- Da riß ich gierig aus dem Ranzen Ein abgegriffenes, schmales Buch. Und bei der blaffen Abendröte, Die schüchtern durch die Trübe brach, Las ich im guten Wolfgang Goethe Die kleinen Frühlingslieder nach. Jch weiß nicht, was sich in mir dehnte, Da brach um mich der harte Zwang, Jch weiß nicht, was sich in mir sehnte Jm wunderlichen Überschwang.
Da schrie in mir die Lust zum Leben Und jubelte ihr Gloria,
Sich tausendfältig zu erheben
Und war noch nie dem Tod so nah. Da fühlt' ich aus den wilden Wehen , Aus all dem Quall und Schall der Wut, Sieghaft den neuen Mensch erstehen: Edel, hilfreich, gut.
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Die Schule und der Krieg.
II.
Kein Wunder, daß diese Tendenzen, denen bisher noch die Beharrung beim alten in etwas entgegenwirkte, sich in der Treibhausluft des Krieges aufs breiteste entfalteten und nun schon seit Monden aufs üppigste wuchern. Mit einem Schlage bot die Zeit, was man brauchte: die Einstellung der das Bild der bürgerlichen Harmonie störenden politischen und sozialen Kämpfe, die nationale Wertung aller Dinge als glatte Selbstverständlichkeit, und endlich einen dem findlichen Vorstellungskreis verwandten und darum das Kind ungemein fesselnden Stoff. Die Regierung aber hat in der Schule einen wertvollen Bundesgenossen zur Entfachung und Erhaltung einer kriegsstarken Gesinnung nicht nur der Jugend, sondern in hohem Grade auch der Elternschaft.
Der Unterricht selbst steht seit Striegsausbruch ganz im Banne der Zeitereignisse. Wenn der Straßburger Pädagoge Professor Ziegler an den Lehrer die Forderung stellt, er solle allen Unterricht in Beziehung zu den Ereignissen des Tages seßen und jede Stunde zu einer deutschen machen, so entspricht das durchaus dent, was von dem größten Teil der Lehrerschaft tatsächlich geübt wird. In der Religionsstunde wird etwa der Opfertod Christi den Kindern durch den Hinweis auf die Opfer des Schlachtfeldes„ erklärt"- nebenbei bemerkt auch eine der Notbrücken vom Christentum zum Kriege. Für den deutschen Unterricht liegen schon Kriegslesebücher und in ungezählter Menge Kriegsthemensammlungen vor. Der deutsche Aufsatz steht denn auch ganz im Dienst des Krieges. Einige tatsächlich behandelte Aufsatzthemen mögen zeigen, in welchem Sinne hier gearbeitet wird:„ Unsere Artilleriegeschosse"," Bilder aus dem Stroffener Gefangenenlager"," Warum zogen unsere Truppen durch Belgien ?",
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1915
Wilhelm, ein Turm in Sturmesnot"," Wir kämpfen um das Höchste", Warum hassen wir England?",„ Die Lüge als Kriegswaffe"," Auf welcher Grundlage soll Frieden geschlossen werden, wenn Deutsch land und Österreich in diesem Kriege siegen?"
In der Erdkunde und der Geschichte halten sich viele Lehrer, gedeckt durch Verfügungen des Kultusministeriums, überhaupt nicht mehr an die Lehrpläne, sondern führen Stunde für Stunde die Kinder auf die Kriegsschauplätze. Im Rechnen, den fremden Sprachen, der Zeichenstunde wird der Stoff natürlich auch der Kriegssphäre entnommen. Und im Turnen wird heute die militärische Vorbereitung ganz bewußt in den Vordergrund gestellt; hier verläuft der Unterricht nach Inhalt und Form durchaus in militärischem Geist. Wird so ein gut Teil des Unterrichts selbst zu Kriegsstunden zurechtgebogen o welche Lust, heut Schüler sein!, so hat nun da= neben die doch sonst so überlastete Schule Zeit zu tausend unter der Marke„ Kriegsdienst" geübten Dingen. Da wird, alles unter starker Inanspruchnahme der Schulstunden, Geld zu Liebesgaben gesammelt, die mitgebrachten Sachen werden verpackt, Begleitschreiben abgefaßt; eingelaufene Feldpostbriefe und Nachrichten aus dem Felde werden verlesen, häufig gesammelt; in vielen Schulen werden Kriegschroniken geführt. Kriegsmaterial aller Art wird in die Schule geschleppt und dort vorgezeigt. Dazu kommen die vielen schulfreien Tage, dann die Beteiligung der Schüler an Gold-, Kupfer-, Gummi-, Woll-, Büchersammlungen, neuerdings sehr häufig die Freigabe des Unterrichts für Feld- und Gartenarbeiten, für Gänge im Dienst der Brotkommissionen usw. Ein Teil der Schüler beteiligt sich außerdem unter Vernachlässigung der häuslichen Arbeiten an den Veranstaltungen der Jugendwehren und ähnlicher Vereine, andere leisten Hilfsdienste in Lazaretten und auf Bahnhöfen und dergleichen mehr.
Unter solchen Umständen ist von einer planmäßigen Arbeit, von wirklicher Erledigung der Aufgaben der Schule gar nicht die Rede. Die Unterrichtsziele waren vor dem Kriege nur durch angestrengte Arbeit unter voller Ausnutzung der karg bemessenen Zeit zur Not zu erreichen. Bei einem Kriege von mehr als einjähriger Dauer muß das zu unerseßlichen Lücken im Wissen und können der Schüler führen. Wobei wir noch ganz von den großen Störungen abgesehen haben, unter denen viele Schulen durch Einziehung von Lehrkräften und dadurch bewirkte Zusammenlegungen und Streichungen von Stunden und mangelhafte Vertretungen zu leiden haben.
Was macht das," werden die bedingungslosen Kriegsenthusiasten erwidern,„ wenn die heranwachsende Generation reichen Ersatz dafür an Einsicht in die gewaltigen Kräfte und Ereignisse der Gegenwart gewinnt und ihnen die, große Zeit zu einem für alle Zeit nachwirkenden Erlebnis wird!"
Hier scheiden sich die Geister. Wohl ist die Verbindung der Schule mit dem Leben der Gegenwart eine Forderung aller modernen Erzieher, nicht zum wenigsten der Sozialdemokratie. Das kann aber nicht besagen, daß die Jugend, soweit sie Gegenstand des Unterrichts und der Erziehung ist, in die Wirbel der Zeitstürme hineingerissen wird, von denen die Erzieher selbst erfaßt sind. Dem frieggefärbten Unterricht fehlt das für ersprießliche Erziehungsarbeit notwendige Maß von Abgeklärtheit des Urteils und der Stimmung. Daher macht sich oft die unglaublichste, durch keine sachkundliche Kontrolle eingeschränkte Kannegießerei breit; und vor allem werden alle Leidenschaften der aus den Fugen gegangenen Zeit in die Schulstube getragen. Siehe die oben angeführten Aufsatzthemen.
So fehlt dieser Art von Unterricht in erschrecklichem Maße das Merkmal der Sachkunde und der Leidenschaftslosigkeit. Wie soll unter solchen Einwirkungen ein den Dingen unbefangen gegenüberstehendes und zur Selbstbeherrschung erzogenes Geschlecht heranwachsen? Andererseits wird durch die Heranziehung zu Helfer- und Liebesdiensten die Opferwilligkeit nur in sehr geringem Maße gepflegt. Und diese, wenn überhaupt vorhandenen günstigen Wirkungen werden dadurch wieder aufgehoben, daß Leistungen als Opfer gewertet werden, die den Kindern eine willkommene Abwechslung sind und oft genug als Befreiung von den lästigen Schulpflichten empfunden werden. Der Gold sammelnde Junge, der dafür dem Unterricht fernbleibt, erleidet ganz gewiß in sittlicher Beziehung mehr Schaden als Förderung.
Dies sollte auch bürgerlichen Erziehern einleuchten.