Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 4

Beilage zur Gleichheit O O O O O O O O

Inhaltsverzeichnis: Schwert und Buch. Gedicht von Ludwig Pfau  . Karoline Schlegel- Schelling. Von Anna Blos.  ( Schluß.) Hauswirtschaftliche Sorgen und Forderungen.  ( Schluß.)- Mut. Bon Jean Jaurès.  - Feuilleton: Es ist sehr möglich. Von Hein­rich Bschotte. Spruch. Von A. Feuerbach.

Schwert und Buch.

In einem Winkel hing ein Degen lang und schwer, Bedeckt' mit Staub und Rost von Tag zu Tag Sich mehr und mehr.

3um Buche, das in seiner Nähe lag, Begann er einst: Wie hass' ich diese Ruh', 3n der hier tatlos meine Kraft verschmachtet! Auf dich, Plebejer, geht man freundlich zu, 3ch liege hier verlassen und verachtet; Und dennoch bin ich nützlicher als du. Ich dringe stark zum Ziele wie ein Held. Dor mir erzittert alle Welt.

O könnt' ich mich von kühlen Mauern heben

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Und herrlich, wie voreinst, von Blut und Schlachten leben!" ,, Des Schwertes   3eit ist um so sprach zu ihm das Buch­Drum, edler Ritter, wollt dem tapfern Herzen wehren; Das Faustrecht kann jetzt niemand mehr bekehren. 3hr seht nur Feinde, wo Ihr geht und steht, Und hinter Euch zieht Rache, Haß und Fluch, Indes aus meinem Mund das Wort des Friedens geht. Erhebt Ihr Euch zu blutigem Derheeren, Will ich die Menschheit bessern und belehren. Behaltet Euren Rost und lasset ab vom Kriege, Denn ohne Blut erkämpf' ich größre Siege.

Du hast den schweren Grund mit Graben und mit Roden, Ein wackrer Pflüger, wohl gewendet;

Ich bin als Sämann ausgesendet,

Und streu des Wortes Korn in den gefurchten Boden. mit goldnen Ahren will ich alle Stirnen säumen, Mir laß die Zukunft, du

magst auf dem Lorbeer träumen!"

Karoline Schlegel- Schelling.

Ludwig Plau

( Schluß.)

Ein Lebensbild aus Deutschlands   klassischer Zeit. Von Anna Blos  . Schelling   brachte seine Frau zunächst zu seinen Eltern auf die Prälatur in Murrhardt  , einem schwäbischen Städtchen. Karoline wurde dort, wie sie ihrer Schwester mitteilt, über alle Beschreibung wohl und herrlich empfangen. Sie gab sich ganz dem Frieden hin, der sie in dem Schellingschen Familienkreise und in der lieblichen Landschaft umgab. Bei einem Besuch in Stuttgart   sah sie ihre ein­stige Jugendfreundin Therese wieder. Sie hatten sich in Mainz   in Unfrieden getrennt. Therese hatte inzwischen nach der Scheidung von Forster den Schriftsteller Huber geheiratet, mit dem zusammen fie in Stuttgart   das Morgenblatt" herausgab. Zu viel Leid und Freude hatten die beiden Frauen miteinander durchlebt, als daß sie nun nach Jahren sich nicht wieder zueinander gefunden hätten. Schelling   erhielt einen Ruf nach Würzburg   an die Universität. Karoline folgte ihm um so lieber dorthin, als eine halbe Tagereise davon, in Bamberg  , ihre Tochter Auguste begraben lag. Der Bild­hauer Fink hatte eine Büste von dem jungen Mädchen geschaffen, die zu seinen besten Werken gehört. Die Kriegsunruhen der Napo­Teonszeit ließen aber das Wirten Schellings und seiner Frau nicht zu rechter Entfaltung kommen. Es fehlte an Zuhörern in Schellings Vorlesungen, die studierende Jugend blieb aus. Die Teuerung nahm überhand. Aber wenn auch der arme friedliche Gelehrte unter Ver­hältnissen am schlimmsten daran ist, wo nichts mehr gilt als Sengen und Brennen, so ist doch beider Interesse an dem, was vor­geht, so groß, daß sie sich nicht zur Melancholie stimmen lassen. Die äußeren Unruhen lassen die beiden um so mehr Trost und Frieden beieinander suchen, und Karoline brach in die begeisterten Worte aus: Schelling ist sehr lustig und doch ungemein gesezt, ernst und sanft, unerschütterlich und würdiger, als ich aussprechen kann."

Die durch den Krieg hervorgerufenen unruhigen Zustände ließen bald die Fortdauer der Universität Würzburg   zweifelhaft erscheinen, und Schelling   erhielt einen Ruf nach München  . Die übersiedlung

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1915

dorthin machte eine kurze Trennung der Gatten notwendig. Die Briefe, die Karoline dem Geliebten während dieser Zeit schickte, gehören zu den schönsten Liebesbriefen unserer Literatur. Es ist, als ob sie eine Ahnung hätte, daß ihr keine allzu lange Spanne Lebenszeit mehr beschieden wäre. So findet sie für den Trennungs­schmerz wie für ihre Sehnsucht den rührendsten Ausdruck. Von dem Tage der Trennung sagt sie, daß aus Morgen und Abend ein ent­feßlich langer Tag wurde in ihrer nicht Schöpfungs-, sondern Ver­nichtungsgeschichte". Und sie schließt den ersten Brief mit den Wor­ten: Lebe wohl, mein Herz, meine Seele, mein Geist, ja auch mein Wille." Als Schelling ihr den Reiseplan entwirft, da findet sie die tiefempfundene Antwort:" Von allen Herbergen kann mir eine nur wieder Erquidung geben, wenn ich zuletzt in deine Arme einkehre." Während ein großer Teil Deutschlands  , auch der, in dem Karo­line ihre Jugend verlebte, zu ihrem großen Schmerz von Krieg und Verwüstung heimgesucht war, begann das Ehepaar Schelling sich in München   unter friedlicheren Verhältnissen einzurichten. Aber in allem Glück verließ Karoline die bange Todesahnung nicht mehr. Ihr ist, als ob sie sich nirgends mehr ansiedeln möchte und es ganz buchstäblich nehmen, daß wir nur Pilger sind. Wie wenig Wert die Menschen jener Zeit überhaupt auf äußerlichkeiten legten, das geht auch aus dem Brief hervor, den Goethe während der Tage der Schlacht von Jena im Jahre 1806 an Schelling   richtete. Fest und unerschütterlich war er auch in diesem Sturme geblieben, trotzdem man in Weimar   72 Stunden gleichsam in Todesangst zubrachte. Geld und Geldeswert verschmerzt man," schrieb Goethe, wenn man nur das Teuerste und Liebste durchbringt." Er hatte sich am Tage der Schlacht mit Christiane Vulpius   trauen lassen, als wenn er Bande noch hätte knüpfen und fester anziehen wollen in einem Augenblick, wo alle Bande gelöst scheinen". Die kriegerischen Er­eignisse regten Schelling an, mit seiner Frau die Geschichte des Siebenjährigen Krieges zu lesen. Das war ein anderer Kampf, wie dieser siebentägige, meint Karoline. Oft alles verloren, aber dann durch den Geist wieder alles gerettet, der nicht unterging, der letzte Funken aus der Asche wieder angefacht und in helle Flammen verwandelt."

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Die beiden bedeutenden Persönlichkeiten begannen bald in Mün­ chen   einen Kreis bedeutender und interessanter Menschen um sich zu sammeln, und wenige der vielen Durchreisenden versäumten, ihren Besuch im Schellingschen Hause abzustatten. Bemerkenswert unter diesen Besuchen ist der von Frau v. Staël, die in Begleitung Aug. Wilh. Schlegels ihre bekannte Reise durch Deutschland   unter­nahm. Das Wiedersehen zwischen Karoline und ihrem einstigen Gatten gestaltete sich freundlich und ohne alle Spannung. Er und Schelling   waren unzertrennlich. Über Frau v. Staël   äußerte sich Karoline: Sie hat über allen Geist hinaus, den sie besitzt, auch noch den Geist und das Herz gehabt, Schelling sehr lieb zu gewin­nen. Sie ist ein Phänomen von Lebenskraft, Egoismus und unauf hörlich geistiger Regsamkeit. Ihr Äußeres wird durch ihr Inneres verklärt und bedarf es wohl; es gibt Momente oder Kleidung viel­mehr, wo sie wie eine Marketenderin aussieht, und man sich doch zugleich denken kann, daß sie die Phädra im höchsten tragischen Sinne darzustellen fähig ist." Karoline prophezeite, daß München  bald alles an sich ziehen würde, wie einst Jena   und Weimar  .

Zu den Männern, die damals einen Namen hatten, der noch heute einen guten Klang hat, und die sich bei Schellings aufhielten, ge­hörten die Brüder Tieck  , der eine Dichter, der andere Bildhauer, der eine schöne Büste von Schelling anfertigte. Ferner kamen die Brentanos. Klemens Brentano  , der mit seinem späteren Schwager Achim   v. Arnim die Gedichtsammlung Des Knaben Wunderhorn  " Herausgab, und Bettina Brentano  , die Enkelin von Sophie La Roche  , Wielands Jugendliebe. Bettina   hatte die Schwärmerei ihrer Mutter Maximiliane   für Goethe geerbt und war viel bei ihm in Weimar   ein und aus gegangen. Ihre Erinnerungen an diese Zeit hat sie in Goethes   Briefwechsel mit einem Kinde" veröffentlicht, einem wunderlichen Gemisch von Dichtung und Wahrheit  ! Ka­rolinens Urteil über Bettina   war scharf:" Bettina   sieht aus wie eine kleine Berliner   Jüdin und stellt sich auf den Kopf, um wißig zu sein, nicht ohne Geist, tout au contraire, aber es ist ein Jam­mer, daß sie sich so verkehrt und verreckt und gespannt damit hat; alle die Brentanos sind höchst unnatürliche Naturen."

Im Jahre 1809 unternahm Schelling mit seiner Frau eine Reise nach Maulbronn   zu seinen Eltern. Hier erfüllte sich Starolinens