Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 18

。。。。。。。。 Beilage zur Gleichheit o

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Inhaltsverzeichnis: Röte dich, junger Tag... Gedicht von Ernst Preczang  . Wer verteuert die Lebensmittel? Von A. W.( Schluß.)

Der Mütter Bittgang. Ein antites Tendenzdrama für den Frieden. Für die Hausfrau.- Feuilleton: Lucy Stone.  ( Forts.)

Röte dich, junger Tag...

Röte dich, junger Tag!

Röte dich in den aufbrennenden Gluten, Die schöpfungsstark

Dampfende Erde und singendes Meer Mit strahlender Liebe überfluten.

Durchflamme die Welt.

Schmiede der Menschheit sonnige Stunden. Lohe dem Tod

Sieghaft ins irre, gierige Antlig.

Erhelle die Seelen; heile die Wunden.

Was ist dir Haß?

Was dir 3orn? Ein blindes, tönendes Erz. Du nimmst alles,

Alles, alles in deine weifen Arme,

An dein großes, leuchtendes Herz. Ernst Preczang  .

Wer verteuert die Lebensmittel?

( Schluß.)

Daß die Zölle preissteigernd auf die Lebensmittel wirken, haben wir schon an den Getreidepreisen nachgewiesen. Es soll hier nur noch gezeigt werden, wie auch die Fleischpreise durch die Zölle in die Höhe getrieben werden. Zur Aufmästung des Schlachtviehs be= darf der Viehzüchter der Futtermittel, vor allem Hafer, Gerste und Mais. Diese Getreidearten sind in Deutschland   nicht so start angebaut, um für eine so ausgedehnte Viehzucht zu genügen, wie wir sie zur Fleischversorgung der gesamten Bevölkerung nötig hätten. Im Ausland wären diefe Futtermittel zwar billig zu haben, da aber unsere Großgrundbefizer vornehmlich Getreide­und Futtermittelbau betreiben, haben sie es in ihrem Interesse durchgesetzt, daß auch auf Futtermittel, die aus dem Ausland zu uns hereinkommen, Zölle erhoben werden. Der Viehbesizer muß infolgedesser für das Viehfutter einen um den Zollzuschlag höheren Preis bezahlen. Der Aufzuchtswert des Schlachtvichs wird dadurch bedeutend verteuert, und der deutsche Viehzüchter könnte mit seinen ausländischen Kollegen nicht konkurrieren, wenn nicht auch auf lebendes ausländisches Vieh Zölle erhoben würden und für die Einfuhr frischen Fleisches nicht so strenge Bestimmungen vorge­sehen sein würden, daß dadurch die Einfuhr so gut wie unmöglich gemacht wäre. Durch diese Bestimmungen, die verlangen, daß frisch geschlachtetes Fleisch nur in Verbindung mit leicht verderblichen Bestandteilen des toten Tierkörpers, wie Herz, Lungen, Nieren, Milz usw. eingeführt werden dürfen, ist es zuwege gebracht wor= den, daß die Einfuhr frischen Fleisches aus dem Ausland fast völlig aufgehört hat, sant doch die Einfuhrziffer von 9,03 Millionen Kilogramm im Jahre 1906 auf nur noch 20 185 Kilogramm im Jahre 1911. Ähnliche Wirkungen übten die Zölle auf alle anderen Lebensmittel, wie Butter, Käse, Milch, Obst, Gemüse usw., aus, doch mögen die angeführten Beispiele jebt genügen.

Diefer gewaltige Schutz der deutschen Landwirtschaft hat trotz­dem nicht vermocht, uns in bezug auf die Lebensmittelversorgung vom Ausland völlig unabhängig zu machen. Besonders der Mangel an Futtermitteln macht sich jetzt für uns sehr fühlbar, da infolge­dessen die Viehzucht eingeschränkt werden mußte und wir unter einer Knappheit an Fleisch, Fett, Milch und Eiern zu leiden haben. Auch das neutrale Ausland, das jetzt nach Aufhebung der Zölle seine Produkte zollfrei bei uns einführen könnte, ist nicht in der Lage, uns genügend mit dem fehlenden Bedarf zu versehen. Ab­gesehen davon, daß es seine früheren Absatzmärkte in anderen Ländern nicht aufzugeben gedenkt auf die Gefahr hin, daß wir ihm nach dem Kriege den Stuhl wieder vor die Tür sehen, ist seine

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1916

Produktion auch gar nicht darauf eingerichtet, um an uns nach Belieben liefern zu können. Die Lebensmittel sind im Gegenteil durch unsere neue Kundschaft auch in den neutralen Ländern, Dänemart, Schweden  , Norwegen  , Holland   und Schweiz  , so knapp geworden, daß wir sie nur zu ungeheuer hohen Preisen dort er­werben können.

Es hätte demnach auch im nationalen Interesse gelegen, wenn wir schon in Friedenszeiten dem Ausland Gelegenheit gegeben hätten, seine landwirtschaftlichen Produkte bei uns abzusetzen. Daß das deutsche Volk nicht gut beraten war, als es sein Vertrauen allein auf die eigene Landwirtschaft setzte, hat die Kriegszeit zur Genüge bewiesen. Nur eine völlige Umwandlung unserer Wirtschaftspolitik nach dem Kriege wird uns vor der Wiederholung solcher Vorkomm­nisse bewahren können.

Es genügt aber nicht, daß wir nur nach außen die Wirtschafts­politik neu orientieren, sondern ebenso notwendig ist auch die Um­wandlung im Innern. Genau so wie die deutsche Landwirtschaft bei der Lebensmittelversorgung versagt hat, haben wir dies auch beim Handel gesehen. Was man dort erlebt hat, kann man nur als wildeste Anarchie bezeichnen. Von Organisation keine Spur, jeder arbeitete für sich, nicht in dem Bestreben, die Lebensmittelnot zu beheben, sondern nur bemüht, zu verdienen, je mehr, je besser. Das lag in der Natur der Sache, denn der private Unternehmer ist es nicht gewohnt gewesen, im allgemeinen Interesse zu arbeiten, son­dern nur im eigenen; andere Interessen brauchte er nur wahrzu­nehmen, wenn er dazu gezwungen wurde oder wenn sich diese In­teressen mit seinen eigenen vertrugen. Das System war mit dem Kriege auch nicht ausgerottet worden, schien im Gegenteil seine Höhe erreicht zu haben. Die Eingriffe der Behörden waren ent­weder ganz ein Schlag ins Wasser oder vermochten höchstens die gröbsten Auswüchse zu beseitigen. Im Grunde genommen blieb alles dasselbe: was der Bauer noch ganz ließ, zerschmetterte der Händler. Bemühungen der Städte und Gemeinden, den privaten Handel möglichst auszuschalten, scheiterten in ihrer durchgreifenden Ausführung an dem Fehlen der notwendigen Bereitschaft und Energie. Die vielfach nicht verdiente Rücksicht auf den Kleinhandel ließ die ergriffenen Maßnahmen schon von vornherein zur Halb­heit werden, während man sich dem Großhandel gegenüber fast gänzlich in Abhängigkeit befand. Der Großhandel besitzt seine Ge­schäftsverbindungen und mußt diese natürlich für sich aus. Wäh= rend die Lager der Großhändler schon gefüllt waren, um im ge­eigneten Moment für den Markt geleert zu werden, bemühten sich die Vertreter der Gemeinden häufig vergeblich um Lebensmittel. Ja es ist sogar vorgekommen, daß sich Landwirte geweigert haben, an die Gemeinden direkt zu verkaufen; diese wurden vielmehr an irgendeinen Großhändler verwiesen, der aber die Verkaufsver­mittlung nur gegen Zahlung einer besonderen Provision über­nahm. Ungezählte Millionen sind auf diese Art und Weise von den Verbrauchern zubiel gezahlt worden zugunsten einer Spekulanten­gruppe, deren Schädlichkeit sich jetzt erst recht gezeigt hat.

Was beim Handel die Ware verteuert, das ist vor allen Dingen die Planlosigkeit bei der Güterverteilung. Die Zahl der Händler ist im Verhältnis zur Einwohnerzahl viel zu hoch, mußten doch nach der Statistik im Jahre 1907 bereits 30 Personen( Kinder inbegriffen) in Deutschland   einen Händler er= nähren. Die große Zahl der Warenvermittler ist die Ursache der großen Preisunterschiede zwischen den Erzeugerkosten und dem, was die Konsumenten für die Ware bezahlen. Deshalb muß der überflüssige Zwischenhandel ausgeschaltet und eine geregelte ge­meinnützige Warenverteilung geschaffen werden. Was in der Kriegszeit begonnen und sich als ein Segen für die Konsumenten erwiesen hat, muß weiter ausgebaut und verallgemeinert werden. Die Lebensmittelfürsorge muß Aufgabe der Gemeinden werden, die sich dabei auch der bestehenden Konsumgenossenschaften bedienen fonnten; eine Zersplitterung der Lebensmittelbeschaffung muß nach Möglichkeit vermieden werden, vielmehr müßte durch das Zu­sammenarbeiten nahe beieinanderliegender Gemeinden eine ein­heitliche Versorgung herbeigeführt werden.

Welche Vorteile für die Konsumenten durch Ausschaltung des privaten Handels und Errichtung gemeinnüßiger Verkaufsstellen erzielt werden können, lehrt recht drastisch das folgende Beispiel. Die Stadt Wilmersdorf   bei Berlin   besitzt seit einigen Jahren eine städtische Fleischhalle, die in ihrer gesamten Einrichtung an und