Mr. 21

Für unsere Mütter und Hausfrauen

fchäßung als fünstlerischer Vortämpfer einer um ihr Endziel fämpfenden Arbeiterklaffe. Als solcher steht und fällt er mit dem Urteil, das einst die Geschichte über die Rolle fällen wird, die die führenden Parteien in dieser Weltenwende spielen. Demgemäß wird auch seine Kunst eine bleibende Stätte im vollen Leben der Arbeiterbewegung erobern oder sich mit einem fühlen Achtungs­erfolg zu begnügen haben.

Der Krieg hat ein Wiederauffladern des volkstümlichen Sol­datenliedes mit sich gebracht. Auch ein Sozialist wird manches im Eoldatenleben finden, was ob seines rein menschlich- persönlichen Inhalts des Ganges   wert ist. Das Heimweh befällt den streng­fatholischen Oberbayern   so heftig wie den sozialistischen   Groß­Stadtproletarier. Der Schmerz der Trennung brennt in aller Her­zen, die Schwermut vor dem Tode, die heiße Lust, vom frischen Trunk des Lebens zu erraffen, was noch möglich ist, meldet sich bei diesem wie bei jenem. Und doch wird auch da die gesellschaft­liche Auffassung des einzelnen die Außerungen, selbst der elemen­tarsten Empfindungen, unwillkürlich verschieden färben. Die kind­liche Naivität des Bauernjungen, der das Leben noch auskosten will, weil er doch morgen verscharrt wird, ist ihrem ganzen Wesen nach unvereinbar mit dem Sozialismus. Wer an dem Ausbau einer neuen Welt arbeitet, tann folche primitive Lebensauffassung unmöglich teilen. Er kann sie auch nicht poctisch finden oder be­gehrenswert. Naivität und Roheit liegen gar zu nah beieinander, die Kindlichkeit der unaufgeklärten, in den Tag hinein lebenden Massen war von jeher ein Grund ihrer Knechtschaft. Die Be­fizzenden lieben es, wenn das Volk naiv" ist, darum treiben fie einen förmlichen Kult mit dem primitiven Volkslied. Es ist damit nicht anders wie mit der romantisch- fentimentalen Schäferei des höfifchen Adels im siebzehnten Jahrhundert. ( Schluß folgt.)

Partei.

Sprüche von Gottfried Keller  .

Wer über den Partei'n sich wähnt mit ftolzen Mienen, Der steht zumeist vielmehr beträchtlich unter ihnen.

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Trau keinem, der nie Partei genommen Und immer im Trüben ist geschwommen! Doch wird dir jener auch nicht frommen, Der nie darüber hinaus will kommen.

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Fällt einer ab von eurer Schar, So laßt ihn laufen und richtet nicht; Doch dem, der zu euch stoßen will

Von dort, dem schauet ins Gesicht!

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Halte fest an der Partei, wenn du ein Parteimann bist, Aber unentwegt verleugne jeden Lügner und Sophist.

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Betrachtet eurer Gegner Schwächen Und lernt, am besten euch zu rächen, Das eigne Unkraut auszuftechen!

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Feuilleton

Lucy Stone  .

( Schluß.)

Eine nordamerikanische Bahnbrecherin der Frauenbewegung. Luch Stone war eine viel zu starke, reiche und einheitliche Natur, als daß ihre Lebensführung in der Sonne des persönlichen Glüdes, in der traulichen Heimatmosphäre zu einer kampflofen, phäaken­haften Existenz zusammengedorrt wäre. Sie blieb die Lebensfüh­rung einer tief überzeugten Empörerin wider das soziale Unrecht, an dem ihr Geschlecht so fchtver trug; sie blieb die Lebensführung einer leidenschaftlich nach Betätigung verlangenden Kämpferin für das Menschenrecht der Weibpersönlichkeit. Der Gott der überzeu­gung in Luch Stone war ein starker, eifriger Gott, er duldete keinen Zwiespalt zwischen Empfinden, Denken und Tun, kein Lippenbekenntnis, das durch die Tat Lügen gestraft worden wäre. Wie das Ideal von des Weibes Selbstbestimmungsrecht in der Fa­milie das Verhältnis zu Gatten und Tochter gestaltete, so sollte die Forderung der Gleichberechtigung auch in Luchs   Beziehungen zur Allgemeinheit zu Kirche, Gemeinde und Staat- möglichst zum

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Ausdruck kommen. Wenn das Herkommen dem widersprach, wenn das Gesetz es verwehrte, so fündete wenigstens der energische und begründete Protest, daß Luch der gedanken- und finnlosen Ge­bundenheit die bewußte, wirkende Freiheit entgegenstellte, daß sie gegen das verjährte Unrecht ein neues Recht ins Feld führte. Sie nußte jebe Gelegenheit, um zu beweisen, daß die Gattin Henry Blackwells" ganz die frühere Luch Stone geblieben war, die schon als junge Farmerstochter ihr Recht zur Mitentscheidung in der Kirchengemeinde gefordert und geltend gemacht hatte.

Besonders kennzeichnend ist ihre Weigerung, Steuern zu zahlen, eine Weigerung, die sich auf die politische Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechts berief. Es muß hier eingeflochten werden, daß die Steuerverweigerung zu den ältesten Waffen des englischen Bürger­tums in dem ruhmbollen und erfolgreichen Stampfe gehörte, den es für politische Freiheit und Macht gegen das abfolute Königtum geführt hat. Der Pflicht zur Steuerzahlung, so schlußfolgerte man, müsse das Recht der Mitentscheidung über die Steuerverwendung entsprechen. Das englische Parlament lehnte es wiederholt ab, bom König geheischte Steuern zu bewilligen, wenn dieser nicht vorher ganz bestimmte Reformen und politische Rechte sicherstellen werde. E3 fam aber auch vor, daß einzelne hervorragende Persönlich­feiten fich weigerten, Steuern irgend einer Art zu entrichten, um dadurch Protest zu erheben sei es gegen erfahrenes persönliches Unrecht, das sich mit dem Schein der Gefeßlichkeit schmüdte, sei es gegen politischen und firchlichen Zwang, gegen das geltende Recht als System, gegen die herrschenden Zustände überhaupt.

In diesem Zusammenhang ist es zu verstehen, daß die Steuer­berweigerung in England, den Vereinigten Staaten   usw. von je bereinzelt bis in die neueste Beit hinein als Kampfmittel für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts empfohlen worden ist. Der Geistlichen, Reverend Dr. Anna Shaw, eine der angesehensten Führerinnen der bürgerlichen Frauenstimmrechts­bewegung in Nordamerika  , ja der ganzen Welt, wurde voriges Jahr das Auto zwangsweise vom Staat versteigert, weil sie es be­harrlich ablehnte, die staatlichen Steuern zu entrichten. Anna Shaw erklärte, daß sie damit nur die Tradition der Familie fest­halte. Vor mehr als hundert Jahren habe sich in England ihre verwitwete Großmutter aus Gewissensbedenken als Seltengläubige grundfäßlich geweigert, der anglikanischen Staatskirche die Zehnten zu zahlen; alljährlich sei dann dies und jenes von ihrem Hausrat für die zwangsweise Steuerdeckung öffentlich zur Auf­tion gekommen. Zumal in den Anfängen der Frauenrechtsbewe­gung hat die Aufforderung zur Steuerverweigerung eine Rolle gespielt. Man betrachtete die Frauenfrage rein ideologisch, ohne Ware Einsicht in die geschichtlichen Zusammenhänge, mit denen sie verkettet ist. Die Forderung politifcher, sozialer Gleichberechtigung und Freiheit erschien ausschließlich als eine Rechtsfrage und nicht letzten Endes als eine Machtfrage. Da war man denn überzeugt, daß Berge fozialen Unrechts verseht werden könnten, wenn nur der allgemeine Blid auf fie gelenkt und gezwungen würde, fie richtig zu sehen.

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Aus dieser Auffaffung heraus entschloß sich auch Luch Stone zur Steuerverweigerung. Gab es eine schreiendere Ungerechtigkeit und gleichzeitig eine lächerlichere Unlogit als die Tatsache, daß der Staat im Interesse feines Bestands und seiner Funktionen der Frau Bürgerpflichten aufbürdele, ihr aber keine Bürgerrechte zuer­kannte, daß er der Zahlpflicht nicht das Wahlrecht zur Seite stellte? Mußten nicht Hunderttausende, Millionen allen voran die Frauen selbst zu Kämpfern für die Gerechtigkeit werden, wenn ihnen die Augen für Unrecht und Widerfinn aufgingen? Besaßen die Frauen als die Hälfte der Staatstinder nicht die Macht, im Hinblick auf ihr Recht dem blinden, ungerechten Rabenvater zu er­Hären: Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt", wenn fie wüßten, wollten und handelten? Diese Fragen wurden von Führe­rinnen der Frauenbewegung bejaht.

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Das Beispiel follte lehren und belehren. Luch Stone würde sich felbft verachtet haben, hätte fie es an diesem Beispiel fehlen laffen, und es ist auch kein Zweifel, daß in jenen Zeiten ihr mutiger und opferbereiter Rechtshandel mit dem Staat eine nicht unerhebliche agitatorische Wirkung hatte. Der greifbare Erfolg blieb dagegen natürlich aus, nicht so aber die Strafe" für die Rebellion gegen Ordnung und Gefeß". Zur Begleichung der Steuern ließen die Be­hörden einen Teil des Mobiliars pfänden und versteigern, dar­unter die Wiege des Töchterchens- die Kampfesepisode fiel in die Zeit des ersten Mutterglücks. Mit dem Kinde auf dem Schoße schrieb Luch Stone einen flammenden Protest gegen die Steuer­pflicht ohne das Wahlrecht. Er fand die weiteste Verbreitung und feine unerbittliche scharfe Logik trifft noch heute das politische Recht oder richtiger Unrecht in vielen Ländern wie mit Keulenschlägen.