Nr. 22Für unsere Mütter und Kausfraucn87schenkte. Die drei ältesten Kinder holte eines Toges die Staatsmachtaus dem Familienkreis hinweg in die so wenig vertrauenerweckendeSchule der Zwangserziehung.Unartiger als„bessere" Kinder waren die kleinen Schirmflickerlenicht, und von ihrer Gemeingefährlichkeit konnte auch keine Redesein. Der Fürsorge wären sie aber Wohl bedürftig gewesen, zumaleiner gut verstandenen, warniherzigen Fürsorgeerziehung. Wenn aberzwischen der sträflichen Zwangs- und zwischen der gelinderenFürsorge-Zöglingsschaft die Wahl ist, sind es meist Gründe derSparsamkeit, die für eine berechnende Behörde augenfällig sind. DieKosten einer Fürsorge-Erziehung muß die Gemeinde allein tragen,bei der gestrengeren Methode ist gesetzlich der Staat ein mitzahlen der Genossenschafter. Also wanderten die drei Kinder des Kessel flickers als zu„ertüchtigende" Menschlein in zwei Zwangsanstalten.Der Krieg brach aus. Der Blechner zieht auch hinaus in derReihe der kleinstädtischen Vaterlandsverteidigcr. Später kehrt derKesselflicker als kranker Soldat zur Garnison zurück in ein Lazarett.Die Mutter will ihn mit der Geburt eines neunten Kindes über raschen und wählt deshalb, weil der Verkehr innerhalb einer Grenz-sestung sehr erschwert ist, ein benachbartes Garnisonsstädtchenzum Aufenthalt.Mit den fünf ihr noch verbliebenen Kindern wohnt die Mutterim Gasthaus„Zum Handwerksburschen". Sie bekommt ein leeresZimmer als Wohnung für Sechse und ein Halbes. In dem einfenste-rigeu dumpfen Räume stehen zwei schlechte Betten, ein Stuhl undTisch, eine Bank, eine Kiste, ein Kinderwagen und ein eiserner Ofen,darauf etwas Küchengeschirr. Dahin soll heute auch noch der Vateraus dem Lazarett herüberquartiert werden, weil man dort den Platzfür Schwerkranke sehr benötigt. Als der zur Erholung beurlaubteKesselflicker seine Familie wiederfindet, beginnt gerade die weiseFrau zum neunten Male bei der Schirmflickerin ihres Amtes zuwalten. Und mitleidsvoll gewährt der Lazarettvorstand dem Urlaubernoch ein weiteres Nachtobdach im Krankenheim. Es war am Tage„Unserer lieben Fraue Lichtmeß", da kam ein Kesselflickerkind mehrzur Welt.Von der Kriegsfürsorge bezog die sechsköpfige Familie gemäßVermittlung ihres Unterstlltzungswohnortes monatlich 7b Mark.Für die beschriebene Wohnung waren zum voraus 14 Mark demWirte hinzulegen. Zwei Mark im Tage blieben noch für sechs Mäulerzur Zeit der höchsten Teuerung! Es kommt ein Antrag bei derArmenverwaltung ein wegen Unterstützung. Das Bürgermeister amt des Grenzstädtchens, wo die Familie ihren Unterstützungswohn sitz hat, antwortet abwehrend: es habe dort keine Kriegcrfamilieeinen höheren Zuschuß; man sei bereit, dem Bezirksrat, wenn erim März wieder zur Sitzung zusammentrete, eine Berücksichtigungdes Familienzuwachses vorzutragen. Mit pharisäischer Klugheit schloßder Bericht: die Wöchnerin werde voraussichtlich acht Wochen langstillen und dafür die Stillprämie erhalten können, so daß keinGrund vorliege, eine Annenunterstützung zu gewähren! Der ver ständnisvolle Geist dieses Stadtamts äußerte sich noch nachdrücklichin einer recht sozialen Schlußnote des Berichtes: Übrigens, so heißtes, zähle die Familie nicht zu den„angenehmen Bewohnern", siegehöre„zu der weitverbreiteten Gilde der Schirmflicker". Väterdieser Gilde setzen draußen auf dem Schlachtfelde ihr Leben einund finden heimkehrend ihre Familie in unverschuldetem Elend.Kurz vor der Niederkunft der Frau waren sämtliche Kinder anden Masern erkrankt, eines noch an der Lungenentzündung. Amzweiten Wochenbettage mußte die Mutter aufstehen zur Kranken pflege. Trotz ungenügender Kost stillte sie den begehrlichen Säug ling, wie gewohnt. Hatte sie doch jedem der anderen acht Spröß linge jeweils so lange die Mutterbrust gereicht, bis ein Nachfolgersein baldiges Erscheinen anzukünden begann..Und jetzt zur Hungerzeit und in der Handwerksburschenherbergesteht daS kleine, Illmonatige Mäulchen bereit, das Mutterschöppleinbis zur Neige zu genießen, wenn das Wickelkindchen an der Mutter brust saugend eingeschlummert ist. Krankheit macht elend, und wo her so viel Milch bekommen, als für die Hecke des Kesselflickers Von nöten ist?— Die Mutter verteilt, was sie den beiden Konkurrentengeben kann, solange die Quelle nicht versiegt. Die Armenverwaltungdes Aufenthaltsortes tritt helfend ein. In einem liberalen Lande,im Zeitalter des erhöhten Mutter- und Säuglingsschutzes ist es ge schehen, daß man so verständnislos bureaukratisch gegen„unange nehme Bewohner" entschied. Auf dem Fragebogen, der zur Erhebungder Familienverhältnisse auszufüllen war, stand die Frage, durch welcheUmstände die Notlage herbeigeführt wurde? Darauf lautete dieAntwort: Durch Einberufung des Vaters zu den Waffen.Aber dieser Einberufene gehört zur„weitverbreiteten Gilde derSchirmflicker". Und vormals hieß es: Kann auch aus Nazaret Guteskomnien?Notizen.Die Mutter als Familienoberhaupt im bürgerliche» Recht.Der Krieg hat in zahlreichen Familien den minderjährigen Kin dern den Vater und damit den„gesetzlichen Vertreter" vorüber gehend oder dauernd genommen. Das ist von einschneidender Wir-tung für die Rechtsverhältnisse im Familienleben. Nach demBürgerlichen Gesetzbuch übt der Vater die„elterliche Gewalt" überdie noch nicht volljährigen, das heißt noch nicht 21 Jahre altenKinder aus. Sie besteht darin, daß er das Kind„vertritt", daSheißt, daß der Vater daS Kind in bestimmten Prozessen vor Gerichtvertritt, die nötige Zustimmiing zu Rechtsgeschäften gibt, wie Ab schluß voN Verträgen usw., ebenso die Zustimmung zur Ausstellungvon Arbeits- und Dienstbüchern, zum selbständigen Betrieb einesErwerbsgeschäfts, zur Heirat usw. Die„elterliche Gewalt" bestehtweiter darin, daß der Vater das Vermögen des Kindes verwaltet, dasKind erzieht, beaufsichtigt, seinen Aufenthalt bestimmt usw. Zwarsoll und wird bei allen diesen Dingen auch die Mutter mitwirken,aber bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern hat derVater allein die ausschlaggebende Stimme.Das Gesetz kennt aber eine Anzahl von Fällen, in denen dieMutter die elterliche Gewalt über das Kind und damit auch dessengesetzliche Vertretung ausübt, auch wenn der Vater»och am Lebenist. Die Voraussetzung dafür ist nach§ 1685 des Bürgerlichen Ge setzbuches vorhanden, wenn der Vater an der Ausübung der elter lichen Gewalt„tatsächlich verhindert" ist. Zu den Bchinderungs-gründen gehören längere Reisen, Krankheiten usw. und natürlichauch die Einberufung zum Heeresdienst. Die Mutterkann also während der Abwesenheit des Baters alle diesem zu stehenden Rechtsgeschäfte ausüben, wie Kauf- und Lehrvcrträgefür das Kind eingehen und kündigen usw. Ist in außergewöhn lichen Fällen die Mutter jedoch außerstande, die elterliche Gewaltauszuüben, so kann ihr vom Amtsgericht ein Beistand gestelltwerden. Die elterliche Gewalt und damit die gesetzliche Vertretung derMinderjährigen geht aber auch auf die Mutter über, wenn derVater verstirbt. Das geschieht einfach kraft des Gesetzes, oln eirgendwelche Formalitäten. Es ist also nicht mehr nötig, daß auchbei Lebzeiten der Mutter ein Vormund bestellt wird, wie das vorEinführung des Bürgerlichen Gesetzbuches in den meisten Bundes staaten geschehen mutzte. Ist die Mutter allein das Familienober haupt, so hat sie ganz genau dieselben Rechte und Pflichten wieder Vater. Natürlich kann auch der Mutter ein„Beistand" gestelltwerden, wenn der Tod des Mannes sie zum Familienoberhauptmacht. Trotzdem bleibt sie aber in diesem Falle die gesetzliche Ver treterin des Kindes. Wenn die Mutter wegen Krankheit oder aussonstigen Gründen ihren einschlägigen Aufgaben nicht gerecht zuwerden vermag, so kann auch den Kindern ein„Vormund" gestelltwerden. Tritt dieser Fall ein, so ist der Vormund der gesetzlicheVertreter des Kindes. Ist die Mutter selbst noch minderjährig, somutz unter allen Umständen das Kind einen Vormund erhalten.Das nämliche ist auch der Fall, wenn die Mutter eine neue Eheeingeht. Die Mutter behält trotzdem das Recht und die Pflicht, fürdie Person des Kindes zu sorgen.Nach alledem ist ein Vormund in der Regel nur zu stellen für dieVollwaisen, die weder Vater noch Mutter haben, und für die un ehelichen Kinder. Aber auch in diesen Fällen hat das neue Bürger liche Gesetzbuch eine Erweiterung der Fraucnrcchte gebracht. Aucheine Frau kann als Vormund berufen werde», bei einem unehe lichen Kinde also dessen Mutter. Die Berufung geschieht durch d.»Vormuiüischaftsgericht sAmtsgericht). Eine verheiratete Frau be darf zur Übernahme einer Vormundschaft der Zustimmung ihresEhemannes. Während ei» Mann eine ihm angetragene Vormund schaft nur unter bestimmten Voraussetzungen ablehnen darf, isteine Frau ohne Angabe von Gründen berechtigt, eine Vormund schaft zurückzuweisen. Infolge des großen Bedarfs an Vormün dern und des Mangels an hierzu geeigneten Männern sind inletzter Zeit wiederholt Aufforderungen an Frauen ergangen, Vor mundschaften zu übernehmen. Soweit einzelne Frauen die nötigeZeit und die nötige Liebe zu dem Ämt haben, sollten sie solchenAufforderungen Folge leisten. Je mehr die Frauen von ihrenRechten Gebrauch machen, je gewissenhafter sie die damit verbun denen Pflichten erfüllen, um so mehr wird das Streben für eineErweiterung ihrer Rechte in der Familie, in Gemeinde, Staat undReich erleichtert.Die vom Krieg geschaffenen Verhältnisse bereiten auf vielen Ge bieten den Boden für den Kampf um die volle soziale und politischeGleichberechtigung der Frauen. An den Frauen liegt es, diesenKampf mit der nötigen Energie zu führen. l<!.