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Für unsere Mütter und Hausfrauen

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manchen Gegenden sind es beliebte Gerichte, Rind- oder Kalbfleisch oder auch Frikandellenteig in große Salbeiblätter zu rollen und dann ähnlich wie Ruladen zu schmoren. Von einer anderen küchen­mäßigen Verwendung, die aber kaum noch üblich sein dürfte, lesen wir in des fernigen Schweizer   Dichters Gottfried Keller   prächtiger Novelle Das Fähnlein der sieben Aufrechten  ":" Die Büchsen­schmiedin nahm eine tüchtige Handvoll Salbeiblätter, tauchte sie in einen Gierteig und but sie in heißer Butter zu sogenannten Mäuschen, da die Stiele der Blätter wie Mausschwänze aussahen. Sie gingen prächtig auf" usw.- Der Majoran( niederdeutsch Mairan) ist ebenfalls ein Lippenblütler und reich an dem äthe= rischen, auch zu Heilzwecken verwendeten Majoranöl. Die aus Nordafrika   stammende Pflanze wurde in Deutschland   erst im sech­zehnten Jahrhundert angebaut. Heute ist sie uns unentbehrlich als Wurstkraut, wozu sie gedörrt und zerrieben verwendet wird. Derselben aromatischen Pflanzenfamilie gehört der Thymian oder Quendel an. Seine Geschichte und seine Verwendung sind die gleichen wie beim Majoran. Seltener gebraucht wird Basili= tum mit seinem durchdringenden Würzgeruch. Ein Blättchen der getrockneten Pflanze hin und wieder neben Thymian als Zutat zu Frikassees und Ragouts ist sehr angenehm.- Beifuß wächst bei uns häufig wild. Die gewürzhaft- bitterlichen Oberteile der Pflanze waren beliebte Würzen in jenen verschollenen Zeiten, da man sich noch, ohne bankrott zu werden, dem Genuß eines Gänse­oder Schweinsbratens hingeben konnte. Estragon, Dragon oder Drachenkraut ist wohl die einzige unserer Würzen, die in Sibirien   zu Hause ist. Ihr sehr angenehmer Würzgeruch veredelt Lor= den mit der Pflanze zugesetzten Essig und jeden Salat. beerblätter, die immergrünen, glänzenden und länglich ge= formten Blätter des Lorbeerbaumes, sind nicht nur unerläßlich zur Herstellung von Kränzen, sondern auch eine beliebte Küchenwürze für Fleisch, Fisch und Gemüse, mit der manche nur gar zu ver­schwenderisch umgehen. Die Blätter enthalten viel Lorbeeröl, das als ein bewährtes Mittel gegen Fliegen in Wohnräumen gilt.

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Für die Hausfrau.

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M.Kt.

Selbstherstellung billiger und guter Seife. Die gegenwärtige Seifennot macht der Hausmutter manches Kopfzerbrechen, zumal in kinderreichen Familien, wo es viel Wäsche gibt. Da heißt es nach gutem Ersatz der sonst verwendeten Seife ausschauen. Eine sehr gute Seife zum Wäschekochen kann man auf folgende einfache Weise herstellen: 1 Pfund gute Kernseife wird fein geschnitten mit 4 Liter Wasser, 1 Pfund Soda, ein wenig Seifenpulver und einer Handvoll Salz über Nacht stehen gelassen. Am anderen Tag wird alles drei Viertelstunden unter fleißigem Umrühren gekocht, dann vom Feuer genommen und mit einem Viertelliter Salmiak verrührt. Die Masse wird darauf in einen Topf oder kleinen Eimer geschüttet und zum Gebrauch aufbewahrt. Von der erkalteten, feft= gewordenen Masse nimmt man eine Handvoll für einen Topf Wäschekochen. Die auf diese Weise hergestellte Seife ist sehr aus­giebig, und die Wäsche wird schön weiß. Die Erfahrung wird rasch von der Güte des Rezepts überzeugen.

Schmalz als wohlschmeckender Brotaufstrich. Schmalz erhält einen feinen Geschmack und kann als Brotaufstrich gebraucht wer­den, wenn man dem Speck beim Auslassen etwas Milch und Wasser zufügt. Auf 5 Pfund Speck nimmt man ein Viertelliter Milch und ein halbes Liter Wasser, fügt noch eine kleine Zwiebel hinzu, setzt alles zusammen mit dem feingeschnittenen Speck aufs Feuer und rührt fleißig um, damit sich Milch, Wasser und Zwiebel­geschmack schön gleichmäßig unter den Speck verteilen. Die zurück­bleibenden Grieben sind wohlschmeckend und besonders gut zu frisch gefochten Kartoffeln oder auch aufs Brot.

Ein gutes Frühstück für Kinder und Erwachsene mit schwachem Magen. Da Kakao sehr teuer ist und damit gespart werden soll, kann man ihn auf folgende Weise strecken". Man nimmt ein Viertelpfund Kakao, 200 bis 250 Gramm gestoßenen Buder und zwei Eßlöffel feines Mehl, mengt alles tüchtig durch­einander und bewahrt die Mischung in einem gut verschließbaren Gefäß, in einer Blechbüchse oder dergleichen. Ein Teelöffel der Mischung genügt, um eine Tasse Frühstücksgetränk zu bereiten. Am besten nimmt man dazu Milch, die aber bei der herrschenden Knappheit daran auch mit etwas Wasser versetzt werden kann. Die Milch muß aufgekocht über die Masse gegossen werden und braucht nicht nochmals aufzufochen. J. B.

Feuilleton

Die ewige Antigone.

Von Romain Rolland  .

Nr. 25

Der Internationale Frauenstimmrechtsver= band in London   hatte den berühmten französischen   Dichter Romain Rolland   um seine Meinungsäußerung über das Gebot der Stunde für die Frauenstimmrechtsbewegung ersucht. Romain Rolland   ist nicht nur ein Dichter von Gottes Gnaden, son­dern auch ein hochstehender Mensch, der an Adel der Gesinnung, an durchdachter Herzensgüte und vorurteilsfreiem Mute recht viele Kunstschaffende und Kunstgenießende in allen Ländern überragt. Seine Antwort verdient als Ausdruck edler Menschlichkeit in den weitesten Kreisen gewürdigt zu werden, wenngleich sie ein flares geschichtliches Erfassen des Weltkriegs vermissen läßt, wie es der grundsätzliche internationale Sozialismus vermittelt.

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" Ich wende mich an alle Frauen," so schrieb Romain Rolland  , ,, und nicht bloß an die Engländerinnen und die Frauenstimmrecht­lerinnen allein. Denn wenn es mir auch logisch dünkt, daß die Frau Gleichheit der Rechte mit dem Manne fordert, so glaube ich doch nicht genug an die Tugenden, die das allgemeine Wahlrecht in den Männern wirkt, um an ein Mehr davon für die Frauen zu glauben. Die stärkste und die einzig wirksame Betätigung, die meines Dafürhaltens in unser aller Macht steht, seien wir Männer oder Frauen, ist die individuelle Betätigung, ist das Wirken von Mensch zu Mensch, von Seele zu Seele; ist das Wirken durch das Wort, durch das ganze Sein. In dieser Betätigung, Frauen Europas  , seid Ihr nicht eifrig genug. Ihr sucht heute die Plage aufzuhalten, die die Welt zu vernichten droht, Ihr sucht gegen den Krieg anzu­fämpfen. Das ist gut, aber es ist zu spät. Diesen Krieg hättet Ihr in den Herzen der Männer bekämpfen müssen, ehe daß er ausge­brochen wäre. Ihr seid Eurer Macht über uns nicht genug be= wußt. Mütter, Schwestern, Gefährtinnen, Freundinnen, Geliebte: bon Euch hängt es ab, wenn Ihr es wollt, die Seele des Mannes zu formen. Ihr habt ihn als Kind in Eurer Hand, und neben der Frau, die er achtet und liebt, ist der Mann immer ein Kind. War­um lenkt Ihr ihn nicht!- Wenn es mir gestattet ist, ein persön liches Beispiel anzuführen, so bekenne ich, daß ich das Beste, was ich habe, oder das wenigst Schlechte bestimmten Frauen verdanke. Daß ich inmitten des jetzigen furchtbaren Wirbelsturms meinen unerschütterlichen Glauben an die menschliche Redlichkeit bewahren konnte, meine Liebe für die Liebe und meine Verachtung für den Haß, das ist das Verdienst einiger Frauen. Um nur zwei davon zu nennen: meine Mutter, eine Christin, die in mir von Kindheit und die große an den Drang nach dem Ewigen gepflegt hat, moderne Europäerin, Malvida von Meysenbug, die reine Idea­listin, die in ihrem heiteren Alter die Freundin meiner brausen­den Jünglingszeit war. Wenn eine Frau eine Mannesseele retten fann, warum rettet Ihr nicht alle Mannesseelen? Ohne Zweifel weil noch zu wenige von Euch sich selbst gerettet haben. Macht da­mit den Anfang! Das dringendste ist nicht die Eroberung der poli­tischen Rechte( obgleich ich deren praktische Wichtigkeit nicht ver­kenne). Das dringendste ist, daß Ihr Euch selbst gewinnt. Hört auf der Schatten des Mannes zu sein und seiner Leidenschaften des Stolzes und der Zerstörung. Habt klaren Blick für die brüderliche Pflicht des Mitleidens, der gegenseitigen Hilfe, der Vereinigung aller Wesen, eine Pflicht, die das höchste Gebot ist, das einmütig borgeschrieben wird den Christen von Christo Stimme, den freien Geistern von der freien Vernunft. Wie viele von Euch Frauen in Europa   sind heute von dem nämlichen Strudel erfaßt, der die Seele der Männer fortreißt, und statt diese zu erleuchten, steigern sie den allgemeinen Wahnsinn durch ihre fieberhafte Glut. Schafft zuerst Frieden in Eurer Seele! Nottet darin den blinden Kriegsgeist aus.... Behütet vor allem Euer Herz vor dem Kriegs­rausch, Ihr rettet damit vor der Feuersbrunst die Zukunft, die in Euch ist. Auf jedes Wort des Hasses zwischen den Kämpfenden ant­wortet mit einer Tat der Barmherzigkeit, der Liebe für alle Opfer. Eure bloße Gegenwart muß die Verirrung der Leidenschaften ruhig beschämen, Ihr müßt der Zeuge sein, deren klarer und mit­fühlender Blick uns Männer in unserer Unvernunft erröten macht. Seid der lebendige Friede inmitten des Krieges die ewige An­tigone, die den Haß weit von sich weist und die nicht mehr zwischen den feindlichen Brüdern zu unterscheiden vermag, wenn diese leiden." Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart  .

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Drud und Berlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.8. tn Stuttgart  .