Siene unö Saumelster. Von H«lmuth galk«uf«lo. DaS.Kapital� von Marx will, wie schon au» seinem Untertitel hervorgeht vor allem die politische Oekonomie, die Form oer gesellschaftlichen Arbeit kritisieren. Marz interessiert nicht da» Psycho- logische an der Arbeit, sondern da» Oetonomisch«. Er will mit anderen Worten nicht feststellen, wie die Seele und wo» die Seele in der Arbeit erlebt, sondern wie sich wirtschaftlich va» Verhältnis von ArbeitSprozeh und Arbeitslohn darstellt. Di« wenigen Stellen nun aber, die im»Kapital� von der Psychologie der Arbeit hon. dein, find von einer so großen sprachlichen wie gedanklichen Kraft. daß sich ihrer Schönheit auch der nicht entziehen kann, der nicht Sozialist und nicht Anhänger der materialistischen Geschichtsauf- saffung ist. Jeder Forscher aber, der Psychologie der Arbeit treiben will, muß sich mit den Bemerkungen zur Psychologie des Arbeits- prozesie» bei Marx zum mindesten bekannt gemacht haben. Im l.„Arbeitsprozeß" betitelten Abschnitt deZ B. Kapitels de? 1. Bandes unternimmt e» Marx unter anderem, den Unterschied Mischen der menschlichen und der tierischen Arbeit überhaupt fest- zustellen Er entdeckt hier sozusagen ökonomisch den Vorzug des Menschen vor dem Tier, wenn er sagt:»Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene be- schämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Bau. meister. WaS aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat. bevor er sie in Wachs baut. Am Ende deS Arbeits- Prozesses kommt ein Resultat heraus, daS beim Beginn desselben schon in der Vorstellung deS Arbeiters, also schon ideell vorhanden war."(S. 140 der 8. Aufl. Hamburg 1919.) ES ist interessant. fich daran zu erinnern, daß auch Schiller, als er den wesentlichen Unterschied des Menschen vom Tier(und von Gott andrerseits) fest- stellen wollte, das Beispiel der Biene heranzog: Im Fleiß kann dich die Biene meistern, In der Geschicklichkeit ein Wurm dein Lehrer sein, Dein Wissen teilest du mit vorgezognen Geistern, Die Kunst, o Mensch, hast du allein. Aber Schiller fand den Unterschied da, wo er leichter zu finden war: Die Tiere verrichten nur zweckvoll«, d. h. den unmittcl- baren Lebensbedürfnissen dienende Arbeit, während der Mensch in der Kunst«in Gebiet besitzt, in dem zweck freie Arbeit, d. h. nicht unmittelbaren Lebensbedürfnissen, sondern höheren Seelen- bedürfnissen dienende Arbeit geleistet wird. Marx dagegen steigt noch tiefer in das Gebiet hinab. daS der Mensch mit dem Tiere ge- meinsam hat, daß Gebiet der zweckvollen, unmittelbaren Bedürf- Nissen dienenden Arbeit, und entdeckt noch hier einen Wesen»- unterschied von Mensch und Tier. Er, der groß« historische Ma- terialist, dient so der Sache des Idealismus dadurch, daß er den Vorzug des Menschen vor dem Tier auf dem Gebiet der materiell xweckvollen Arbeit feststellt, viel mehr als der ältere Idealismus, der das übertierischc Wesen des Menschen in der Fähigkeit zweck- freier Produktion sah. Die zweckvolle Arbeit, die die Biene verrichtet, entpuppt fich bei nähcrem Zusehen als eine ohne die Vor- stellung des zu verwirklichenden Zlveckes geleistete Arbeit- die zweck- volle Arbeit dagegen, die der Mensch verrichtet, ist«ine mit der Vorstellung deS zweckvoll zu schaffenden Objektes verbundene und mit ihr beginnende. Jeder Arbester, auch der, der die geringsten körperlichen Arbeiten verrichtet, ist ein Verwirklichcr innen borge-_ stelltcr Dinge in der äußeren Raumeswelt. Hier liegt nicht nur der wesentlich« Unterschied des arbeitenden Menschen vor dem ar- beitenden Tiere, sondern auch der Anfangs- und Grundsatz aller Psychologie der menschlichen Arbeit. Zugleich auch gewinnt der ökonomisch so bedeutsame Begriff der.Arbeitszeit" seinen ganzen folgenschweren Sinn. Arbeitszeit ist nämlich nun nicht mehr nur die Zeit, in der fich der Mensch in arbeitender Bewegung befindet, sondern die Zeit, in der beständig das innere Vorstellungsvcrmögen damit beschäftigt ist, daS innen Vorgestellte in die äußere Welt zu übersetzen. Oder, wie eS bei Marx heißt:.Außer der Anstrengung der Organe, die arbeiten, ist der zweckmäßige Wille, der sich als Aufmerksamkeit äußert, für die ganz« Dauer der Arbeit erheischt..." <S. 140.) Jetzt erst ist klar, was die Begriffe Arbeitszeit und weiterhin ArbeitSgegenstand und Arbeitsmittel bedeuten. Marx hat sozusagen die Größe und die Schwere der menschlichen Arbeit als menschlicher Arbeit entdeckt, indem er den naturalistischen Wahn tötete, der glaubt, Arbeit deS Menschen sei nutzbringend« Be- wegung gleich der nutzbringenden Bewegung mancher Tiere. In der Arbeit des Menschen lebt vielmehr der ganze Mensch, der Mensch, der ein Innen hat und der Mensch, der außen nützliche Bewegungen ausführt— der Mensch der das Innen unid daS Außen hat und diese Kluft als Arbeitender überwindet. Darum heilt auch bekanntlich diejenige Zeit am besten die Wunden der Seele, die zumeist Arbeitzeit ist. Man sieht, der große Logiker der Oekonomi « der Arbeit war in den Ivenigen Bemerkungen, die er dem Arbeitsprozeß a!» psychologischem Ereignis widmet«, auch«in großer Psycholog«. Hn» vielleicht konnte mir einer, der so tief die Seele de» ardeilenden Menschen begriff wie Marx, so sehr um den ökonomischen Sieg de» arbeitenden Menschen kämpfen. Die Kunst in Sowjet-Rußlanö. Heber den Zustand der Künste unter der Räteherrschaft, über dl« Lage der Künstlerschast dort sind so widerspruchsvolle B« icht« zu uns gekommen, daß die Ausfühnmgen Arthur Holitschers in seiner Artitelso!g«.drei Monate in Sowjetrußland"(in der „Neuen Rundschau") mit ihrem Bestreben zu charaktervoller Objek- tioität besondere Beachtung verdienen. Wer nach Petersbu'g kommt, so erzählt er, der findet aus dem Newski eine riesig« Söul« von dem überlebensgroßen Kopf Lafs alles gekrönt, außer den beiden Marmortase.n mir der ein« gravierten Sowjewerfasiung im Smolny-Jnslitut, das schönste rra» er an neuer Kunst dort zu sehen bekam, wild monumental in der Dämonie des Tribunen, der Kopf au» dunkelgrün getöntem Gips, die Säule aus gipsbestrichenem Holz, deren ubereinandergetürmt« Quadern verschoben sind All« Postament« der Denkmä.«r der Räte« Herrschaft sind so aus dem Gleichgewicht gerückt, was heißen soll» daß überhaupt dt« Grundiagen dessen, was wir als Ruhm, Ewigkeit, Menschengröß« anzusprechen gewohnt waren, in den letzten Jahren einen Stoß erhalten haben, wie von einem moralischen Erdbeben. Un- endlich an Zahl sind die Marx. Denkmäler, bald steht er wl« ein vorgerückter Konzleirat mit dem Zylinder voll Regenwasser da, aber auch al« assyrischer Löwenkops, als Sonnengott mit zerflattern- der Mähne und Fächerbart. Nach ihrer Revolution hatten die Bolschewislen all« die Futuristen, Kubisten und anderen Atelier. rebellen mit richtigen Revolutionären verwechselt und sich an ollen Straßenecken austoben lassen. Inzwischen inerkten sie, daß das Dolt durch die Kapriolen In seinem revolutionären Trieb nicht m geringsten angeseuert wurde. Run kamen an Stell« der Kubisten usw. die Dachdecker und Maurerpoliere und errichten Kunstwerk« aus öfsenllichen Plätzen und In öfsentiichen Gebäuden auf ihre Art. In Moskauer Ausstellungen sah Holitscher den K o n d! n s k y bereits als akademischen Klassiker überholt. Aus dem Tohuwabohu dieser Ausstellungen geht hervor, daß In die Akademien nun jedermann auf- genommen werden kann und muß, der von der Straße hereinkommt und Kunst lernen will. Hundert« von sungen und älteren Leuten melden sich, aber von allen erscheinen In der Klasse kaum vi« oder fünf, denn wer hätte nach der täglichen Arbeitszeit und der Last und Qual der Lebensmitteleinholung noch Lust und Spannkraft zur Kunstübung? Das Petersburaer Winterpalois ist Museum der Revolution, mit einem Sammelsurium moderner Malerei, von Schularbeiten, Herbarien, primitivem Hausgerät, Entwürfen für das Liebknecht-Luxemburg-Denkmal. An der Petersburger Akademie arbeitet Tatlin , der lein« Denkmäler aus Maschinenteilen zusammen- setzt, aus Latten, ausgedienten Wasserleitunashöhnen, Blechbüch'en, Gummischnullern, Echürhaken, geborstenen Treppenge'ändern. Ho- lltscher nennt ihn in der Tot den repräsentativen Künstler dieser Epoche: denn wo man nun In Rußland einen Hausen von zerbrach«- nen Gebrauchsgegenständen, ausrangierten Lokomotiven,.zerfallenen Bretterbunden finde, lag« man sofort: Tatlin . Das Boll der Städte, das wenig zu«sien hol, füttert das Sowjetregime dafür m't S p I e l e n. In den Opernhäusern ent. faltet sich allabendlich Pomp und Farbenpracht der ehemals kalfer- lichen Opernausstattungen. Holitscher erzählt von meisterhaften Auf» führungen, von den Taufenden von Kindern, die die Ränge füllen und deren Jubel sich nach den Balletten zum Paroxismus steigert. Der Metallarbeiterverband Petersburg hat sich beschwert, daß di« Räte�egierung für Ballette mehr Geld ausgibt als für den Verband. Holitscher hörte Künstler klagen, daß Lunat.charlti. der Bolkskom- missar für Aufklärung, Bollettqesellfchoften Im ganzen Land herum« hetze, wo doch die Bauernweiber sich vor den nackten Beinen de- kreuzigten und davonliefen. Aber der Tanz ist ja dort ein E!>-m«nk der Vol..anst. Das Schauspiel wird wen'ger begünstigt. Stanislawski. der auch bei uns bekannte große Erneuerer des mo- dernen Theaters, spielt leichte Stücke, die die Lebensgeister der Schau» fpieler und Hörer beschwingen— zu ernster Arbelt reicht die Kon» zentratton nicht. Bühne und Rampe gibt es nicht mehr, von.Was ihr wollt" spielt manche Szene Im Zuschauerraum, so im Vestibül und in der Garderobe und In de? Zweikampfkzene sagten sich di« Schauspieler durchs ganze Haus. Ueberall aibt es Tb-ater für politische Satire. Als großartioften Eindruck Ichildert Holitscher die Aufführung des historischen Schauspiels.Die Erftü'mung des Winterpalois" am Reoo'uttonsfeiertaa auf dem Platze f« bft, und unter Mitwirkung von Hunderttaulenden, unter dem Donner der Aurora, des Kriegsschiffs, das im November 1917 das Winten- palals bombardierte und nun von dem leiben Fleck der Reva aus feine Kanonen abfeuerte, um di« Aufführung zum Erlebnis der Revolution selbst zu erhöhen. Verhungert, ausgehunaert sind all« die bildenden Künstler, Dichter, Musiker, die Holitscher in Ruß'and spra»: sie verdursten noch der Kultur der Außenwelt. Das Volkskommisiariat ve fucht« vergebens, die Blockade in dieser Hinsicht zu lindern, und immer mehr geraten dt« Intellektuellen in Konflikt mif den Herttcki enden, Individualisten, die sie sind. Komitees bestimmen, wer als Künstler anzusrhrn ist und wer nicht.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten