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Man ist aufgebrochen. Lieder wollten nicht mehr flingen. Semper zupfte vergeblich diese und jene Melodie an.-

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Am Bahnhof, in einer Ecke,- der Zug fam erft in einer fleinen halben Stunde steht Bige und dreht unruhig am Sopf. Da kommt er. der nachgeblieben war, daher. Sieht sie, die auf ihn zukommt. Gerade und hellen Auges auf ihn zukommt und an den Waldweg.

Faßt ihn an. Noch ein paar Schritte zurück gehen fie, und er hat in ihrem, wirklich in ihrem, Biges Auge, felt zwei Jahren und pielen, vielen gemeinsamen Dingen die erste Träne gefehen, und sie hat ihm ein leises und unfagbar inniges Du!" gesagt.

Da stand er stille und hat ihr übers Haar gestrichen. Dann haben sie fich das erstemal gefüßt und nicht darauf geachtet, ob Men schen fie fahen oder nicht.

Dann aber ist einer verzaubert worden, haben die andern ge­sagt: denn Audi war so laut, so froh, so übermütig, daß es nicht mehr Audi war.

An diesem Abend aber ging er leise und still allein nach Haus und hat einen nahen, leuchtenden Stern immer wieder mit glüd­lichem Auge gegrüßt.

Proletkult in Sowjetrußland.

Die unter dem Namen Broletfult( proletarische Kultur) zu­fammengefaßten Bildungsorganisationen, die in Rußland eine neue Kultur des Proletariats fchaffen wollen, behandelt Arthur Holit­ scher in dem Schluß seines Reiseberichtes, den das Märzheft der Neuen Rundschau" veröffentlicht. Ihr Wollen erklärt er für völlig phantastisch und utopisch. Aus der Arbeit selbst und der Gemein­chaft der Arbeitenden wollen die Schöpfer der Proletkult die neue Kunst hervorgehen lassen. Ihre Organisation umfaßt zwei Arbeits­gebiete: die proletarische Hochschule und die Wertstätten für prole. tarische Kunst. Die erstere will die Wissenschaften auf die Auf­nahmefähigkeit einer großen, aus Analphabeten wie aus fortgeschrit tenen Schülern zusammengefehten Hörerschaft einstellen. Eine Dar­ftellung der Methoden der Wissenschaft, des Zusammenhangs aller Wissensgebiete, sozusagen das Schema der Organisation aller Wiffen schaft soll gegeben werden. Das fo verschiedenartige Auditorium foll im Schnellzugstempo einen Aufriß der gesamten Wissenschaft porgeführt bekommen. Darstellung der Theorien und Erörterung des Kommunismus bilden Kern dieser Vorträge. Wenn also der Hörer, der den Kurfus jungfräulichen Geiftes betrat, ihn wieder ver­läßt, nimmt er wohl einen fich bald verflüchtigenden Begriff von allen Gebieten menschlicher Erkenntnis mit, aber er geht, und das scheint die Hauptfache zu fein, als fattelfefter Kommunist von dannen. Der Lehrer unterrichtet hier als Borsitzender einer Berfammlung und Leiter der Diskuffion, die fich an fein Referat anfchließt. Diefe Kurse bilden Instruktoren, die organisierte Arbeiter sind und bleiben, die von allen möglichen Betrieben Rußlands in eines der vielen Zentren der Prolettuft geschickt werden. Sie geben hier ihre Fabriftätigkeit nicht auf, fondern haben fle in der neuen Umgebung weiter auszu

üben.

Die Dichter der Proletfult wollen ihre Kunft als Ausdrud der reinen proletarischen Kommunistischen Klaffenideologie gestalten. Der Gesang soll aus dem Marschschritt der Soldaten geboren werden oder aus dem rhythmischen Stampfen und Schwingen in der Maschinen halle einer großen arbeitenden Fabrit. Diesen dem Gaffenhauer elgenen oder ähnlichen abgehadten Rhythmus erläutert Holitscher mit ein paar Bellen:

Gleich muß ich in die Fabrik, Komm, begleite mich ein Stüd.

Seit im Land der Burschuj schweigt, Bird bei uns nicht mehr gestreift."

Man fieht die Zeiten der Berfe! Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne..." find vorüber. Der Boltsdichter von Sowjetrußland, Demian Bjedny, hat diesen Rhythmus zu großer Birtung erhoben. Seine Agitationsgedichte find an den Fronten in Millionen Erem­plaren verbreitet; fie tieben auch, wenn fie fich auf aftuelle Ereigniffe ber inneren Bolitik beziehen, an allen Straßeneden der Städte. Der proletarische Dichter verherrlicht den Prozeß der Arbeit, und außer dem Arbeiter gehört feine uneingeschränkte Liebe dem Material. Als den wertvollsten Dichter dieser Generation nennt Holitscher den Michael Geraffimoff.

Vorgeahnt.

Kommen wird der Cag, der deinen Gelft Hus dem Dunkel auf zur Sonne reißt, Hn den Lenztag, der in Blütenpracht Wunder zaubert aus der Winternacht, Der aus jauchzend hellen Vogelkehlen Zum Vergellen grauer Crübfal ruft: Htmet auf und Iteigt empor, ihr Seelen! Eurer freiheit Treppen lind geftuft. Hus der Werkltatt, wo der Menich erichafft, Quillt dem Denken fchöpferischer Saft; Durch der Dände kunitgewandte Cat Reift zum Hehrengold des Denkens Saat, In den taufendarmigen Malchinen Beugt lich vor dem Denken die Natur, Und aus ihrem fchrankenlofen Dienen Steigen Palmen auf des Geiftes flur. Stolze Cräume, die den Geift durchziehn, Sehnend aus dem düftern Jetzt entfliehn, Träume, denen eine weite Welt Sturmgewonnen ward zum Siegesfeld,

Nicht wie Schaum kann euer Bild zergehen, Schönes Bild, das eine Welt befreit,

Denn der Menschheit Schaffen zwingt zu leben Gure vorgeahnte Wirklichkeit.

Sieg.

Bore Sterna Mihita.

Franz Diederich.

Wörter find Bälle, bunt und schnell, die von einer Hand in die andere fliegen, hier aufgefangen, dort zu Boden geworfen und wieder jauchzend gen Himmel gefchickt werden.

Und solch ein Spielball in der Hand der Völker ift dies Wort: Sieg! Wo es schreitet, ist stolzes Bewußtsein, das sich bis zum hochmütigen Triumph zu steigern versteht. Wo es den Rücken mendet, ift dumpfe Berzweiflung. Und immer föst eines das andere ab. Das hat uns die Geschichte gelehrt, daß auf und ab beinahe wie ein Gefeß die Welt regieren, beinahe wie ein Gefeß die Welt regieren.

Wie aber, wenn sich die Menschen von diesem Ballspiel befreien lönnten? Wenn fie das Wort in feiner Tiefe erfaßten und in lautere Tat umwandeln würden?

Muß der Sieg des einen die Niederlage des anderen bedingen? Muß die Niederlage wieder Rache finnen, um Sieger werden zu fönnen? Will denn die Menschheit die Torheit dieses Spieles gar nicht erkennen und endlich zur ernsten Lat schreiten? Sollen all die vielen Herzen, die um uns da draußen verzuckten, umsonst sich ge opfert haben? Soll es wieder so weitergehen, wie es ewig schon Sieg. Unsere Nationalisten scheinen ging: Sieg- Krleg, Krieg- dieser Ansicht.

Wir aber fragen euch leichtfertigen Spieler nicht, was nennt ihr Sleg, sondern: Was ist Gieg?

Steg ist Leberwindung des Schlechten in mir selbst. Wenn ich hier vermag, mir zu gebieten, bin ich meister. Sieg ift eiserner Bille zum Guten. Nur der hat ein Anrecht, Sieger zu heißen, der diefen beiden Anforderungen genügt.

Wo aber ftünde einer auf und sagte: Nimm meinen Mantel, der Rod Meidet mich warm genug. Wo finge einer bei sich selber an, nur den mageren, bittenden Kinderhändchen zulieb, fein Krümeldjen mehr an sich zu nehmen, als er unbedingt zum Leben braucht. Wo wäre diefe Ueberwindung. Bei dir, der du vielleicht diese Zeilen liefeft. Bei deinen Freunden. Wilft du mit ihnen gemeinfam ringen und Sieger werden? Steger, an dem ein ganzes Bolf gen nefen tann.

Wo wüchse aus diefer furchtbaren Demoralisierung der elferne Bille zum Himmel auf? Bei dir, deutsches Bolt? Gerade weil du im Staube llegst, weil du getreten bift. Schmerz und Leid fchafft wunderbare Kräfte. Beige der Welt dein heiligstes: Ich will! Beige, wie dir am Leide die Kraft wächst, gebrauche fie, aufzustehen aus der Macht des Wahnsinns. Sei ein tommender Tag. Gel in diesem Sinne Sieger, dann werden die Bölfer unseres ganzen Planeten an dir genesen.

Im Zentral- Broletfult, in einer früheren Moskauer Broßen­villa, fah Holitfcher Ateliers für Malerei und Kultur. Der einfache Arbeiter foll da ohne Unterweisung von Künstlern in seinen muße- Denn sie erfaßten so wenig wie du, was Sieg bedeutet. Ihre Stunden Farbe, Binsel und Leinwand bekommen, und dann foll er Kriegsfanfaren trompeten: Wir haben gefiegt Rennt ihr Sieg, fich zurechtstellen, was er malen will, oder seinen Freund, feine Ge über Kinderleichen zu schreiten? Nennt ihr Sieg, Maschinen des liebte auffordern, ihm au figen, und dann in Gottes Namen drauf los. Aber da die Ausstellungen von Werfen der modernen Runft Militarismus zu fein? Rennt ihr Freiheit, Nummer hinter Num-. allen zugänglich find und der unverdorbene Arbeiter in ihnen alle mer zu marschieren, einem fremben Willen zu gehorchen, dieweil Rapriolen der Expressionisten, Futuristen und Suprematisten nach das Herz ein Heimwehlieb zu fingen weiß? Habt ihr an dem Herzensluft studieren fann, fo mimmelt die Werkstätte der Proletkuli Wahnsinn des Militarismus, der fich lange Jahre ausgetobt, nicht auch ohne direkte Künstlerunterweisung von Bildern, die schiefe gelernt? Wollt ihr diesen Spielball Sieg nicht in die Hölle werfen Tischplatten mit einem Teller Heringe und einer Flasche darstellen. und Sieger in des Wortes tieffter Bedeutung werden? Aber auch mancher ehrliche akademische Borträtfitsch ist da. Ferner foll der Arbeiter aus dem Material, das er in seiner Fabrit vor sich hat, Kunstwerte fchaffen: aus Eisen, Meffing oder Holz. Hier öffnet fich vieleicht ein Weg zu neuen Formen der Kunstbetätigung.

Wie ihr dann die garze Welt beglücktet! Ringt mit uns. leberwindung und elferner Wille werden unfere Helfer fein und Sieg die Krone unferes Lebens,