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Nummer 12

6

Heimwelt

24. März 1921

d

Unterhaltungsbeilage des Vorwärts

Frühlingsglaube

s wandert eine schöne Sage

Es

Wie Veilchenduft auf Erden um, Wie sehnend eine Liebestlage Geht ste bet Tag und Nacht herum. Das ist das Lied vom Völkerfrieden Und von der Menschheit leytem Glück, Von goldner Zeit, die einst hienteden, Der Traum als Wahrhett kehrt zurück, Wo einig alle Völker beten

Zum Einen Röntg, Gott und Hirt; Bon jenem Tag, wo den Propheten The leuchtend Recht gesprochen wird.

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Dann wird's uur Eine Schmach noch geben, Nur Eine Sünde in der Welt: Des Eigen- Netdes Widerstreben,

Der es für Traum und Wahnsinn hält.

Wer fene Hoffnung gab verloren 2lub böslich sie verloren gab,

Der wäre besser ungeboren:

Denn lebend wohnt er schon tur Grab.

Lampel.

Goitfeleb Reffer

Eine Ostergeschichte von Wilhelm Scharrelmann . Lampel war ein gewöhnlicher Feldhafe mit graubraunem Fell, Ohren und Läufen von der üblichen Farbe, großen schwarzbraunen Augen und der weißen Unschuldsblume, die alle Hafen, wenn auch nicht im Knopfloch, tragen.

Er war ein Spätling aus dem vergangenen Sommer und darum fleiner und schwächer geblieben, als Hafen sonst im Frühjahr zu fein pflegen. Blutsbrüber befaß er feine, denn wenige Wochen nach feiner Geburt war die Mähmaschine eines Bauern über die Wiese und Mutter Lampels Kinderstube hinweggegangen, und wenn nicht ber feine Lampel wie durch ein Wunder vor den scharfen Messern der Maschine bewahrt geblieben wäre, so wäre auch von ihm da­mals nichts geblieben. Ein Andenken an dieses Ereignis hatte er aber doch behalten: die Maschine hatte ihm die Spigen beider Ohren statpiert und ein Stück aus dem Fell seines Rüdens hehntüdisch mitgenommen. Ueberhaupt war Lampel seit jenem Unglüdstage die Empfindung nicht wieder fosgeworben, daß das ganze Leben in der Kunst bestände, den Gemeinheiten, infamen Tüden und Bosheiten anderer aus dem Wege zu gehen!

Es war um die Diterzeit

Mit Regen und warmen Minden , blühenden Birken und ersten Jungen Grosfpißen war der Frühling gekommen und hatte beffere Tage gebracht.

Lampel hatte ein Lager unter den überhängenden Zweigen einer alten Kiefer bezogen, nicht weit von der Stelle entfernt, wo ber Weg von den Aeckern in die weite Heide abbog. Es war eine einfache Mufde im Erdboden, auf einer sandigen, etwas erhöhten Stelle, wo er gemächlich Ausschau halten konnte nach allen Seiten und wo das Waffer beim Regen leicht ablief und der fandige Boden fich ziemlich trocken hielt.

Dort faß er eines Abends und wartete auf die Dunkelhelt. Vor einer Blertelstunde war der Wagen des Heldebaucen mit den beiden

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mageren Kühen davor mit einer Fuhre Mist vorübergefahren, die der Alte jetzt dort drüben auf dem Sturzacker ablud. Das Gefährt mußte gleich zurückkommen Dann war die Luft rein, und Lampel fonnte fich ungestört auf den Roggenafer begeben, der wie ein zartgrüner Teppich zwischen dem ungepflügten Lande lag.

Lampel fonnte warten. Er lag unbeweglich und still. Plötzlich hörte er ein leises Geräusch. Er fpijte feine vom Schicksal geftuzten Ohren, horchte und blickte sich um.

Es war ein fremder Hase.

Lampel hatte den ganzen Winter in Einsamfelt verbracht und freute sich wie ein König, daß er Besuch befam. Er machte ein Männchen und fagte: Nimm Dich in acht! Da drüben

"

Bah," sagte der Fremde, der ein alter Ranunter war, ich werde boch vor dem Mistwagen nicht bange seint"

Ein gutes Revier hier?" fragte der Rammler.

Ra, es geht. Immerhin war es im Winter schmal genug, Wenn das Wetter so anhält, tann ich bald Spinat haben." ,, Aber wie siehst Du denn aus?"

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Wieso?" fragte Lampel zurück.

" Nun, Deine Ohren!"

Ach," sagte Lampel und schämte sich wieder. Das ist in meiner Jugend paffiert.

Alfo türzlich!" sagte der Alte und warf ihn einen höhnischen Bild zu.

Run, nun!" stotterte Lampel. Ich erinnere mich allerdings noch genau."

Also!" wiederholte der Rammler und lächelte mit deutlicher Berachtung in feiner Miene.

Die Mähmaschine!" flüsterte Lampel entfchuldigend und wagte fein Wort weiter zu sagen. Er fühlte sich so gedemütigt und un glüdlich. Wie felbstbewußt der Fremde war und wie flug!

Wer hat Dir denn dan Rüden gefchunden?" egaminierte der Alte weiter. Und Lampef fühlte, mit welcher Geringschägung er iha bel diesen Werten musterte.

Das alles geschah in einem Augenblide!" antwortete Lampel demittig. Die Mähmaschine, Du weißt ja!"

"

Mit unverkennbarer Schadenfreude sah der alte Rammter auf ben jungen Hasen herab. Der fonnte als Rivale wirklich nicht in Betracht kommen. Mit den abgeschnittenen Ohren und dem ge fchundenen Rücken würde er bei keiner Häfin Glück haben, und un­verzeihlich dummm war er auch, polizeimibrig dumum. Hatte er ihn Den nicht vorhin vor dem alten Mistfarren warnen wollen? wollte er enfchmieren, daß es eine Freude sein sollte. Gibt es junge Häfinnen hier im Revier?" fragte er füftern und machte ein strenges Gesicht.

-

Ich glaube nicht," sagte Lampef, vermirrt durch die Frage. Ich habe hier noch keine gesehen. Bielleicht ist es wirklich zu ein sam hier für mich."

"

Ach," dachte der Rammler, Du Narr!" Laut entgegnete er: Ra, mas nicht ist, fann la bald merben. Ich werde mein Möglichstes für Dich tun. Bei meiner Erfahrung hat das teine Schwierigkeiten. Aber ich habe eine Bedingung!"

Eine Bedingung?" fragte Lampel gespannt und entzückt über dle plöhliche Leutseligkeit des Alten.

"

PP

Du mußt Deine Sache zu Ostern gut machen!"

Welche Sache?" fragte Lampeí.

Num, bie Ostereier!"

Was sind denn das?"

Weißt Du wirklich nicht, was ich meine?" fragte der alte Sammler streng.

-

In der Tat nein ich besinne mich nicht, jemals Unglaublich!" fagte der Alte. Das sind die Eier, mein Sohn, welche die Hafen in der Nacht auf Ostern in ben Gärten ihrer Re viere zu legen haben. Uebermorgen ist Ostern und ich erwarte von Dir, daß Du Deine Pflicht nicht verfäumst, sonst-

Er fah den jungen Hafen mit einem böfen Blide an.