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Wissen und Schauen

Zwillinge und Drillinge. Die Statistit bat uns ein eigenartiges und interessantes Zahlenverhältnis aufgedeckt, das Verhältnis der Zwillings und Drillingsgeburten zu den einfachen Geburten. Aeltere Untersuchungen auf diesem Gebiete sind neuerdings bestätigt worden. In der Monatsschrift für Geburtskunde 1855 hat Belt die preußischen Geburtenzahlen der Jahre 1826-49 einer Betrachtung unterzogen. Es fanden während diefer Jahre im damaligen Breußen( affo obne Hannover  , Heffen usw.) im ganzen 13 360 557 Geburten statt. Die Zahl der Zwillingsgeburten verhielt sich zur Gesamtzahl wie 1: 89,1 und die Zahl der Drillingsgeburten zur Gefamtzohl wie 1: 88,9 Wenn man also den kleinen Unterschied zwischen 88,9 und 89,1 ver­nachlässigt, so fann man sagen auf 89( oder rund 90) Geburten fam immer ein 3wolffingspaar, und auf 89 oder 90 Zwillingsgeburten famen einmal Drillinge. Welche phyfiologischen Folgerungen aus diefem Ergebnis zu ziehen sind, müssen wir den Aerzten überlassen. Ein ähnliches Ergebnis hatte cine Zählung, die 1917 in den Vereinigten Staaten   veranstaltet wurde. Es farden in diesem Jahre dort 1 339 975 Geburten statt. Die Zahl der Zwillinge stand zur Gesamtzahl wie 1: 93,1 und die Zahl der Drillinge wie 1: 93,0. Die Zahl ist etwas höher wie vor etwa 75 Jahren in Preußen, aber das Berhältnis dasselbe, auf 93 Geburten ein Zwillingspaar und auf 93 Zwillinge einmal Drillinge. Es wäre nun interessant zu sehen, wie es mit den Vierlingen steht, die ja auch vorkommen. Darüber gibt es nur eine Mittelfung in fener preußischen Statistit. Die Zahl Der Bierlinge betrug 86, und das ergab ein Verhältnis zur Gesamt zahl wie 1: 723; wir hatten 1: 90s erwartet. Vielleicht tommt bei der Seltenheit von Bierlingen das Gefek der großen Rahlen" bei diefer beschränkten Statistit noch nicht vollkommen zur Geltung; es wäre hier ein Felb für rechenluftige Statistiker.

Mietstafernen der alten Römer. Unter den neuen Funden und Ausgrabungen in Italien   während des Jahres 1920, die Mar Maas in der Kunstchronit" aufzählt. beanspruchen die Arbeiten in der Hafenstadt des alten Rem. Ostia  , befonderes Interesse. Hier wur­ben neuerdings Speicherhäuser entdeckt. In der Nähe des sogen. Bultantempels fand man eine Halle mit einer fangen niedrigen Blattform auf der dem Eingang entgegengesetzten Seite. Ein offener, rings mit Läden umgebener Hof war wohl eine Art Bazar, und Dann wurde noch ein mit großen Nischen ausgestatteter Rundbau freinelegt, dessen Natur noch nicht festneftellt ist. Ganz neue Auf­fchlüsse geben die Ausgrabungen von Ostia   über die Geschichte des römischen Wohnhauses: fie zeinen, daß das pompejanische Haus nicht typisch für ble italienische Kaiserzeit mar und als eine mehr pro vinzielle Ausnahme zu betrachten ist. In Ostia   hat man bis jekt erst amei folcher pompejonischen Hausformen gefunden Alle übrigen Privatbauten Ostias haben den Charakter des modernen Mehr familienhauses mit Etagenformen und erinnern an unsere groß­Städtischen Mietstafernen. Ein folcher freigeleater Häuferblock aus der Zeit Hadrians   war urfprünglich vier Stoc hoch, und es befanden fich hier 13 Rauffäden. Der Eigentümer mohnte mehrscheinlich im Borterre des Echaufes; darüber befanden sich zmet Wohnungen, die befonders vermietet wurden und von denen die eine mit der unteren Wohnung später vereinigt murde. 8met fleinere Säufer des Blocs hatten ebenfalls mehrere Stockwerte. Luft und Licht brochte ber Garten in diese Wohnungen, und jedenfalls hatten sie im Parterre große Fenster, die nach dem Garten zu gingen. Das große Edhaus befaß an einem Ende des Gartens ein umfangreiches, burch einen Lichthof belichtetes Tablinum, das eine Art auf einer Seite ganz offene Beranda bildete; die anderen Räume des Ecthouses ningen alle nach der Strake. Alle diese Wohnbauten befizen schönen Mosait­bodenbelag und Wandmalereien. Im dritten Jahrhundert n. Chr. wurden dann ble Kaufläden immer mehr aufgegeben. Die Aus­grabungen werden fortgesetzt.

Völkerkunde

Neues von Stonehenge  . Der urafte Sonnentempel von Stone­ henge  ( sprich Ston- hendsch) auf der Ebene von Salisbury   im südlichen England ist jetzt endlich Gegenstand amtlicher englischer Forschung geworden. Das Arbeitsamt hat zusammen mit der Londoner Alter­tumsgesellschaft Mittel zur Verfügung gestellt, um die Rätsel von Stonehenge   zu lösen. Man hat dabei auch die sogenannten Aubrey­Löcher in der Nähe des Bauwerks untersucht und ist zu dem inter­effanten Resultat gekommen, daß sich dort die Spuren eines Monu­ments befinden, das noch viel äletr war als Stonehenge selbst. Ver­mutlich handelt es sich um einen Vorläufer des mutmaßlichen Sonnen­tempels. Diefelben riesigen Steinblöcke, die jekt Stonehenge bilden, haben früher dort ein Bauwert unbekannter Art gebildet, das von Wall und Graben umpeben war. Gewiß diente es auch Rutzweden, denn nur so läßt sich der für jene Zeit ganz enorme Aufwand an Arbeit erffären. Die großen Steine sind von dort entfernt worden, um damit das jehige Stonehenge aufzubauen, und die Löcher, die beim Entfernen der Steinfoloffe blieben, wurden später als Gräber verwandt, man findet in allen diesen Vertiefungen Asche und Leichen­brand. Damit wird der Ursprung dieses wunderbaren Monuments, deffen Alter man bisher auf 3500 bis 4000 Jahre schäkte, in noch ältere Reiten zurückverlegt, und die Frage nach dem ursprünglichen 3med ober der Idee von Stonehenge   und feinem Vorläufer gestaltet fich immer schwieriger. Betanntlich ist die Art von Gestein, aus dem

ble großen Steinfäufen bestehen, in der ganzen Umgegend von Salls. bury nicht zu finden, und man hat sich schon früher die Frage vor gelegt, woher das Gestein stamme. Ein englischer Geologe, Dr. art in den Preszelly- Bergen in Pembrokeshire, d. h. im südwestlichen 5. H. Thomas, hat nun nachgewiesen, daß diefelbe bläuliche Stein­Teile von Wales  , vorkommt. Wenn das richtig ist, so wäre also der Weg, den die Steine genommen haben, zu Waffer wahrscheinlich durch ben Bufen von Bristol   und den Avon- Fluß, soweit dieser schiffbar ist, von da über Land bis Salisbury  . Aber wie die Leute in jenen Beiten, die vielleicht bis in die Steinzeit zurückreicht, diese foloffaten Blöde vom Muttergestein lossprengen, bearbeiten, transportieren, aufrichten und wieder versehen fonnten, bleibt ein noch ungeklärtes erstaunliches Wunder.

Naturwissenschaft

Dr. M.

Tiere bei der Toilette. Es ist eine Existenzfrage für alle in Freiheit lebenden Tiere, sich fauber zu halten, und die Haustiere haben diesen Instinkt noch nicht verloren. Es ist eine reizvolle Be schäftigung, die Tiere bei den mannigfachen Formen ihrer Toilette 8u beobachten, und manch neuartigen Bug teilt ein moderner Zoologe Christoph Bed in einem Auffah mit. Befanntf ch waschen sich die Raßen öfter als alle anderen Haustiere, und die Teile des Körpers, die fie mit der Zunge nicht erreichen fönnen, reinigen fie mit dem Ballen ihrer Borderpfoten, die sie vorher mit der Zunge forgfältig angefeuchtet haben. Ratten und Mäuse, Maulwürfe, Kaninchen und Halen waschen sich in ganz ähnlicher We se, und welch eine vor­treffliche Bürste die Hafenpfote darstellt, das zeigt die Toilette der Schauspieler, die sich ihrer bedienen. Rinboleh und Pferde sind viel schlechter daran, denn sie fönnen ihre Hufe nicht als Werkzeug der Reinigung benußen. Aber seit unvordentlichen Zeiten sind diese Tiere in Herden zufammengefchloffen, und wenn man zwei Pferde beieinander auf dem Feld beobachtet, dann sieht man, daß das eine dem anderen als Waschfrau dient und ihm mit Zunge und Zähnen zu Hilfe kommt, bis aller Schmuh herunter ist. Nur das Pferd benukt bei der Toilette auch seine Rähne; die Ruh hat an ihrer rauben Bunge für alle Reinigungszwede ein vortreffl ches Instrument. Die einzigen Geschöpfe außer dem Menschen, die wirkliche Bäder Auch die Enten nehmen Bäder. Das nehmen, sind die Vögel. erscheint uns ganz felbstverständlich, da sie fich sa im Wasser aufhalten. Aber bei den Widenten zeigt sich die Einrichtung des Reinigungs. bades ganz deutlich, denn diefe Tiere, die hauptsächlich im Meerwasser leben, unternehmen Reisen an Land, um im Süßwaffer zu baden, und haben für diese Zwecke ganz bestimmte Teiche. Schlamm- und Schmukbäder erscheinen uns zunächst nicht gerade als gute Wege der Reinigung, aber verschiedene Tere fäubern sich auf diese Weise, so z. B. der E'efant und der wilde Büffel. Diese Tiere leiden sehr unter dem Bik von Flegen und anderen Insekten. Besonders der Wenn er Elefant wird trok feiner diden Haut davon sehr geplaat. sich von diesen läst gen Feinden befreien will, dann wälzt er sich in weichem Schlamm, bis der Körper vom Kopf bis zum Fuß mit einer dichten Schlammschicht überzonen ist. Nun martet er geduldig, bis bie weiche Schicht getrocknet ist und seinen Körper als hartes Kleid bedeckt. Dann zerbricht er die von ihm selbst geschaffene Hülle und schüttelt mit ihr zugleich die läftigen Barasiten von sich.

Die Wunder der Mitrochirurgie. Deutsche und amerikanische  Forscher haben in den letzten Jahren eine eigene Wissenschaft ause gebildet, bie Mikrochirurgie, deren umwälzende Entdeckungen der Direktor der Heidelberger   Anatomie, Prof Hermann Braus  , im Aprilheft der Süddeutschen Monatshefte" darstellt.

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In Braus Laboratorium hat ein finnischer Gelehrter, Dr. Et man, die Anlage eines Herzens unter dem Mitrostop aus dem leben­den Embryo einer Unte herauspräpariert und isoliert aufgezogen. Bei schonender Behandlung überhäutet sich bas herausgenommene Stückchen von selbst, so baß ein fleines Rügelchen entsteht, das mit bloßem Auge gerade sichtbar ist, in dem das Herz des Tieres zur Entwicklung fommt und selbsttätig schlägt. Unter dem Mikroskop fann man die einzelnen Teile des Herzens sehen und die Schlag folge studieren. Da das Herz arbeitet, wird durch den Rückstoß das Ganze bewegt und hierhin und dorthin geschleudert. Ein neuer Organismus lebt, der nichts gls Herz ist. In Fortentwicklung des bahnbrechenden Bersuches Borns, der bei Froschteimen zuerst fand, daß millimeterfleine Fragmente, die verletzt waren, sich wieder über häuteten, sind nun einzelne Maschinen der ganzen Anlage, die wir Körper nennen, für fich lebendig gemacht.

Nicht minder interessante Experimente sind Schülern von Prof. Sie haben ein Stückchen Carrel im Rockefeller Institut gelungen. eines Herzens, das im Januar 1912 aus einem älteren Hühnchen­Embrro herausgenommen war, auf fünftlichem Nährboden bis jetzt gezüchtet. Die betreffenden Bindegewebe haben also die Fähigkeit, sich auf fünstlichen Nährböden unausgefeht zu teilen und zu ver mehren wie Batterien. Wir müssen, so schreibt Braus, annehmen, baß diese Zellen außer Zusammenhang mit dem zugehörigen Körper unendlich weiter leben fönnen. In den 7 Jahren diefer Carreffchen Kultur waren, um die für das Gewebe giftigen Stoffmechfefabfälle zu entfernen, 1390 Umpflanzungen nötig. Man tönnte leicht aus rechnen, wie viel Hühnerherzen aus dem Ausgangsstückchen nach 1390 Umpflanzungen entstanden wären, wenn alle Kulturen fertig gezüchtet und zusammengezählt würden. Eine Kugel von dem Durch messer der Milchstraße. der arößten Rahl, die wir von sichtbaren Dingen einigermaßen sicher fennen, wäre immer noch flein gegen­über der gezüchteten Masse Hühnerherz.