♦5. Mai miilnterhaltungsbeilage*>—�» ö�S)öes vorwärtsVerehrung.Alnd verehrt einen großen MannDer Gute, der selbst nichts schassen kann.Richt verehrt einen großen Mann,Der Wicht, der nichts Großes sehen kann.Krei verehrt einen großen MannDer Mann, der seibst etwas schaffen kann.Friedrich BischerNapoleon im Wanöel öer Zeit.Zu seinem hundertsten Todestag.Von Paul Gutmann.Am 5. Mai begeht Frankreich in prunkhaften Festen dasAndenken seines großen Zldoptivlo.>nes. Wäre es nur eine Ange-lcgenheit der Franzosen, den Todestag ihres Kaisers Napoleon zuseiern, so brauchten wir im liefen Leid der Gegenwart keine Kennt-nie davon zu nehmen, aber Napoleon gehört Europa, er geHort,wie jedes Genie, der Menschheit an. Umfassend und unerschöpflich,eine Urtraft, steht sein Bild, woran einzelne und Nationen gedeutethaben, ohne jemals damit fertig zu werden, vor uns. Für die«inen Befreier, fr die anderen Tyrann, dem einen Gott, demanderen der Teufel, ragt seine staunenswerte Erscheinung auch inunsere Zeit, in diese von Problemen ähnlicher Art, wie er sie seiner-zeit vorfand, erschütterte Gegenwart hinein. Herrscher sind zwarvergänglich, aber die von ihnen entfesselten Geisteskräfte wirkennoch in Jahrhunderten nach. So stchr Napoleon mitten unter uns,ja. er ist ein Teil der Gegenwart felbst.Um die Erscheinung eines bedeutenden Menschen zu erfassen,ist es wichtig zu sehen, welchen Eindruck er auf seine verschieden-artigen, ihm allenfalls geistig ebenbürtigen Zeitgenossen hervor-gerufen hat. Das Geschick, da» mit großen Männern so sparsamist, hatte Napoleon einen Goethe zur Seite gestellt. Die Gebildeten,die ja heute in allen Ländern so wenig ryeltpolitisch gerichtet sind,können in Deutschland, wo eine engstirnige Ideologie noch immerden geistigen Horizont bestimmt, e» nicht verschmerzen, daß GoetheNapoleon verehrte. Die Begegnung dieser beiden Großen zu Er-furt, wo sich das Genie der Tat mit dem Genie des Gedankenszum Staunen der draußen wartenden Souveräne und Ministerlange aussprach, gehört zu>en eindrucksvollsten Momenten derWeltgeschichte.„Endlich ein M-»nnl� urteilte Napoleon, und Goetheäußerte sich zu Eckermann am 11� März 1828:„Da war Napoleonein Kerl! Immer erleuchtet, immer klar und entschieden, und zujeder Stunde mit der hinreichenden Energie begabt, um dos, waser als vorteilhaft und notwendig erkannt hatte, sogleich ins Werk zusetzen. Sein Leben war da» Schreiten eine» Halbgottes." AlsGoethe so sprach, hatte Deutschland lang« die Begeisterung der Frei-Heilstriege hinter sich, Napoleon war längst al» unglücklicher Ge-fangener auf St. Helena gestorben, und über dem befreiten Deutsch-land lag das Leichentuch der Beattion. Goethe hatte an der nape-leonischen Herrschaft gesehen, daß e» möglich war, Gesittung undGeist mit der Macht zu vereinen, er hatte zu seiner freudigen Ver-wundcrung erkannt, daß«an nicht als Despot über Sklaven inder Armee zu gebieten braucht», wie Friedrich der Große, sonderndaß die bereitwillige Hingabe an eine Idee ein Volk zu nochgrößeren Erfolgen führen kouicke als es jener vermocht hatte. DennNapoleons Marschälle und Soldaten hatten die Schul« der Nevolu-tion hinter sich, sie fühlten sich al» frei« Männer inmitten einesin tausendjährigen feudalen Träuinen erschlafften Europa und' waren stolz auf ihr moralisches Uebergewicht. So kam es, daßl unsere Geisteshelden in Napoleon eher einen Befreier als einenTyrannen erblickten. Vor allem war es H e i n r i ch H e i n e, derihm in Prosa und Versen— man denke nur an„Die beiden Gre-i nadiere"— ein poetische» Denkmal gesetzt hat, dem an Gefühls-> pathos in den französischen Verherrlichungen des Kaisers, selbst inden Dichtungen Beranger» nichts an die Seite gestellt werden kann.Der Schöpfer des Code Napoleon, des won freiheitlichem Geist be-seelten Gesetzbuchs, der Befreier der Juden, war in Heines Vor-stellung zu einem Halbgott geworden, ähnlich wie in der Goethes.„Wie ward mir, als ich ihn selber sah, mit hochbegnadeten eigenenAugen, ihn selber, Hosiannah! den Kaiser," erzählt er in seinen Er-innerungen. Und später ist für ihn Napoleon gar der weltlichej Heiland geworden.„Sankt Helena ist das heilige Grab, wohin dieVölker des Orients und des Okzidents wallfahrten in bunt bewim-pelten Schiffen und ihr Herz stärken durch die große Erinnerungan die Taten des weltttchen Heilands, der gelitten unter HudsonLowe, wie es geschrieben steht in den Evangelien Las Case»,OMeara und Automarchi." Aehnllche Bewunderung zollen Na-poleon die österreichischen Dichter Zedlitz und Grillparze r.Des ersteren Ballade:„Die nächtliche Heerschau" ist eine der schön-sten Huldigungen aus den gestürzten Zäsar. Grillparzer, der dieFriedenspalnie gern an die Stelle des kriegerischen Lorbeers setzenmöchte, muh bekennen, daß in jener sieberkranken Zeit ein andererArzt nicht möglich war und ruft aus:„Er war zu groß, weil seineZeit zu klein."Daß das Vild des Kaisers in Preußen ganz andere Empfin-düngen auslösen mußte als tn dem ihm verbündeten Süddeutsch-land, in den von den Jbeen der Revolution weit stärker berührtenLRheinlanden als in leidenschaftlicheren Regionen des Herzens unddes Geistes, ist selbstverständlich. Diese Macht des Hasses, die nichtnur in dem begreiflichen G-fühl der nationalen Würde, sondern� ebenso in der Rückständigkcit der staatlichen und gesellschaftlichenVerfassung ihren Nährboden fand, sie feuert einen Heinrichvon Kleist zu seinen Haßgesängea auf Napoleon an. Für ihnwie für die späteren Freiheitssänger war der Kaiser schlechthin dermeuchelmordcnde Tyrann. Daß oie von ihnen vorbereitete natio-nale Freiheit zugleich die stärkste geistige Knechtung brachte, zeigtesich später allerdings in erschreckendem Maße. Goethe hatte dieseEntwicklung geahnt. Deshalb blieb er der Freihcitsbegeisterungso fern.Napoleons Bild im Wandel der Zeiten mehr als oberflächlichzu zeigen, hieße die Geschichie eines Jahrhunderts schreiben. SeineSpuren sind ja nicht nur in seinen geistigen Schöpfungen, seinemGesetzbuch, seiner Verwaltungsreform, seinen Kunststraßen zusuchen, sie führen bis in die tiefsten seelischen Schichten unserer Zeit.; Er, der Vollender der Revolution, der Bezwinger des Mittelalters,er steht als der erste moderne Mensch großen Stils, der erste.„Europäer" an der Schwelle des kapitalistischen Zeitalters. In�Balzacs großartiger„Menschlicher Komödie", die einer Wan-derung durch alle Höllentiefen des letzten Jahrhunderts gleicht, istes seine rücksichtslose, jeder Sentimentalität abgeneigte, kühl ver-standcsmäßige Mcnschcnart, die in hundert Variationen vom Dich-ter abgewandelt wird. Das heroische Zeitalter ist mit dem Kaiserdahin. Das Bild des Korsen, der wie ein Held der Sage von seinerlateinischen Insel im Mittelmeer als armer Flüchtling nach Frank-reich kam, dort mit kühnem Griff die Rcoolutionsgewakt bändigte,sich zum Kaiser, zum Diktator mochte, das Bild dieses größtm� Abenteurers alle» Zeiten, bestimm» in Frankreich nunmehr die' Phantasie mid dl« Lebensart der Menschen. Di« Freiheit beginnt! zur Frechheit hu entarten, die Freizügigkeit und der technische Faxt-' schritt bringen die Ckrupellosigkeit und den schrankenlosen Egoismus.Größe ist jetzt fast gleichbedeutend mit Gewissenlosigkeit. DerWucherer Gobseck, der seinen Opfern das Gold entlockt, die Töchter.Gor-iot», die den in sie vernarrten Vater mit ihrem Luxus zu-gründe richten, der große Bankier Nucingen, der die Press«, das