Theater, die Parlamente, da« ganze öffentliche Lebe» beherrschtalle diese Dämonen de« Machtrausche» sind vom Geist Napoleons beschattet. Fn den Fabriken und in den Bantbureau», aus Thronen und Ministersesieln herrschen seine Nachahmer, die kleinen Rapoleo» niden. Sollen wir bi» in die jüngste Gegenwart die Suggestion seiner Riesengestalt nachweisen? Feudaler Größenwahn verspottet zwar den Korsen als Parvenü, aber maßt stch in eitler Ruhmbegier seine äußere Haltung an. Welt entfernt, seinen wellbeherrschenden Geist zu begreifen, sehen d,e Kleinen in der Geste der klirrenden Faust schon den Erfolg, verwechseln die Kraft mit der Pose. Maß. lose Selbstüberschätzung führt fie wie einst ihr gewaltiges Vorbild, zum allerdings ruhmloseren Untergang. In der Gestalt Napoleons triumphiert die Freiheit unter dem Eisenharnisch der Gewalt. Wenn Victor Hugo sagt:„In diesem Jahrhundert gab es nur einen großen Menschen, Napoleon , und»ine große Sache, die Freiheit," so wollen wir daran denken, daß unsere Freiheit anders beschaffen ist. Zwei Mächte haben seit- her da» Leben umgestallet: der Dampf und die große Masse des Proletariats. Napoleon behandelte Fulton, den Erfinder des Dampfschiffs, als Narren, und den Marsch der Arbeiterbataillone konnte er noch nicht hören. Noch immer sucht die Kriegstrommel den Rhythmus der Arbeit zu bertönen, aber die Zell ist hoffentlich nicht mehr fern, wo wir da» Symbol de» Schwert» unverträglich finden mit jener echten Frechell. die begründet ist in der Solidarität aller Volksgenossen und im wechselseitigen Verständnis der Nationen. Es muß auch so gehen. Nach dem Leben von Henni Lehmann . „Heinrich, ich muß Dir etwa» sagen." Da» Madchen stand vor dem Manne. Sie hatte eine gestreift« Hausfchürze über den leicht hochgewölbten Leib gebunden. Der Mann saß auf dem Bretterstuhl an dem Tische in der kleinen Wohn» küche. Er war gerade au» der Fabrik gekommen, und das Mädchen hatte einen Teller mit dampfender Bohnensuppe vor ihn hingesetzt. „Heinrich, ich glaube, wir werden ein Kind haben." Der Mann sah auf. „Was macht's?" sagte er gleichmüttg.„Dann heiraten wir eben, Anna. Wo drei satt werden, da ißt auch noch»in Vierte» mit." Und er löffelte seine Suppe weller. „Ich geh gleich morgen auf» Standesamt das Aufgebot bestel- len," sagt« er noch. Nun kamen die Kinder heim von der Schule, der neunjährige Karl und die siebenjährige Mari«. Bald beugten auch sie die Blond» köpfe über die gefüllten Teller. Etwa» später kam Agnes. Sie war fünfzehn Jahre all und lernte die Kinderpflege in einem Säug. llngsheim. Heinrich Mattet war stolz auf diese seine Aelteste, die die Mittelschule besucht hatte wegen ihrer besonderen Befähigung, und die es schon noch zu etwas bringen würde. Er hatte am Abend alle Papiere zusammengelegt, seine und die des Mädchens, und war nach der Arbeit am nächsten Vormittag zum Standesamt gegangen, um das Aufgebot zu bestellen. Es dauerte lange, bis er heimkam. Er ging nicht In die Wohnküche, in der Anna auf ihn wartete. Sie hörte ihn drüben hineingehen in das Schlafzimmer, in dem er mit dem Karl schlief, und sie wunderte sich, daß es so lange dauerte, bis er kam. Er kam langsam und zögernd und hielt die breite Ge- stalt etwas vornübergebeugt und den Kopf gesenkt. Er ließ sich schwer auf den Bretterstuhl nieder. „Es geht noch nicht so einfach mit dem Heiraten, Anna," sagte er. Sie blickte ihn erstaunt an. „Aber warum denn nicht?" fragte sie.„Die Papiere waren doch alle zusammen?" „Darum ist e» nicht,— es ist da ein Ehehindernis, meinen sie auf dem Standesamt,— well Du die Tochter meiner früheren Frau bist." „Ja, aber ich bin doch nicht Deine Tochter?" „Das Hab ich ihnen auch gesagt, und ich Hab ihnen gesagt, daß Du auch nie wie mein« Tochter gewesen und erst in» Haus gekom- wen bist, als die Frau schon tot war, um die Kinder groß zu machen. Ich Hab ihnen gesagt, da muß irgendwo ein Irrtum sein, aber sie bleiben dabei, wir können nicht heiraten." Das Mädchen stand ganz still und starrt« vor sich hin. Dann liefen ihr große Tränen über da» blaß gewordene Gesicht. „Sei nur ruhig," sogt« der Mann,„ich werd's schon in* die Reih' bringen. E» wird sich schon richten lassen, so oder so." Und Anna wurde ruhig und blickte ihn gläubig an. Am Abend saß Heinrich Mattet in einem breiten Stuhl in einem behaglichen Zimmer vor einer älteren Frau. „Sie haben mir schon manchesmal geholfen, Frau Doktor/" sagte er,„Helfen Sie mir auch diesmal." Und er erzählt«! � Die Anna war ein voreheliches Kind seiner Frau gewesen von deren Bräutigam, der vor der Hochzeit gestorben war. Ei« war bei den Großeltern aufgewachsen well fort, oben in Friesland aus dem Bauernhofe. Dann war sie in die Stadt gekommen, hatte die Buchhaltung gelernt und eine schöne Stelle in einem guten Geschäft gehabt. Sie hatte sich immer gut gehalten. Es war eigentlich ein Opfer von ihr gewefew daß sie zu ihm kam, als feine Frau starb, bald nach der Geburt der kleinen Marie,— doch die Mutter hatte auf dem Sterbebette verlangt, daß die älteste Tochter kommen soll«, um die Kinder groß zu machen, wenn sie tot sei, und sie war ge» kommen: fast sieben Jahre war sie nun im Hause. „Und da ist e» denn gegangen, wie e» so geht, Frau Doktor, wir haben uns lieb. Ich Hab meine Frau sehr Heb gehabt, und die Anna ist gerade wie meine Frau, als sie jung war..." „Wie all sind Sie, Herr Mattet?" „Eben achtunddreißig vorbei, meine Frau war älter al» ich. Aber ich begreife nicht, warum ich die Anna nicht heiraten soll." Frau Doktor holte ein Gesetzbuch und begann darin zu blättern und zu lesen. Dann schüttelte sie betrübt den Kopf. „Ich fürchte, es wird nicht viel zu machen sein, Herr Mattet," meinte sie.„Es ist da«ine Bestimmung, Personen, von denen die eine mit Ellern oder vorellern oder Abkömmlingen der anderen Geschlechtsgemeinschaft gehabt hat, dürfen einander nicht heiraten." „Das begreife ich nicht. Wenn ich mit meiner Frau gelebt hätte, ohne sie zu heiraten, dann hätte doch das Standesamt nichts gewußt, und ich hätte die Anna ruhig heiraten können." „Ja, wenn das Standesamt nichts weiß! Aber hier bei Ihnen steht es fest, und Sie kommen nicht darum herum, Herr Mattet,— Sie müssen sehen, wie Sie e» mit der Anna machen. Ich werde noch kommen und mit ihr sprechen und ihr zureden." Doch da half kein Zureden. Die Anna war verzweifelt. „Ich geh ins Wasser, ich geh ins Wasser," rief sie.„Es ist nicht nur um die Schande für mich. Es ist um das Kind. Mir ist«» mein Lebtag nachgegangen, daß ich ei» uneheliche» Kind war. Bei meinem Kinde soll das nicht wieder sein. Wa» ist da» für ein Gesetz, das mich zwingt, ein unehelich Kind zu haben?" So ging es tage-, so ging es wochenlang und wurde nicht besser. Doch Heinrich Mattet rang sich durch, denn er war«in fester Mensch, und er fand sich ab mit dem Unabänderlichen. Er wußte auch dem Mädchen zu helfe». Er trat zu ihr, die hingesunken auf«wem Schemel in der Herd» eckt kauerte. „Run höre mich, Anna," sagte er,„nun ist es genug. Wenn die ein Recht gemacht haben, da» nicht Recht ist, so soll uns da» nicht treffen. Dann hoben wir unser Recht, das uns gehört. Das ist besser. Wir sind wie Mann und Frau auch ohne Standesamt und ohne Kirchentrauung, und wir wollen weiter gut miteinander sein und uns lieb haben. Wir tun niemand ein Unrecht damit. Du bist sell Iahren die Mutter von meinen Kindern, und ein« bessere Mutter gibt e» nicht, und sie haben Dich alle Neb und halten zu Dir. Und unser neues Kind soll aufwachsen mit ihnen als eins von ihnen. Das wird kein unehelich Kind, heimatlos und herum- gestoßen wie andere.'Das wächst auf zwischen Vater und Mutter, das ist dann in der Ehe. Aber dazu mußt Du Mut haben und ruhig und froh sein. Sonst geht e» dem Kinde nach. Du kannst mir verttauen, Anna." Anna sah auf. Langsam wich das Dunkel von ihrem zerquälten Gesicht. Es wurde klar und still. „Ich vertraue Dir, Heinrich, es muß auch so gehen. Wir wollen zusammen unfern Kindern allen ein gute» Heim schoflen, das verfprech ich Dir." Und sie reichte ihm zum Gelöbnis feierlich wie vor dem Altar die Hand. Em bißchen Zreuöe. Wie heilt sich ein verlasse« Herz. Der duvkeln Schwermut Deute ? Mit Decher-DundgelSute?. Mit bitlerm Spott? Mik frevlem Scherz? Tiein, mit ew bißchen Freude! Die flickst sich ein zerrifiner Kranz, Den sack» der Sturm zerstreute? wie knüpft sich der erneute? Mit welchem Endchen bunten Land»? Mit nur ein bißchen Freude! Die sühnt sich die verjährte Schuld. Die bitterlich bereute? Mit einem strengen heute? Mit Düßerhaß und Ungeduld? 7te\n, mit ein bißchen Freude! Conrad Ferdinand
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