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Nummer 27 7. Juli mi ,___ AnterhaZtungsbeilatze öes Vorwärts Wenn Gift und Galle die Welt dir beut Und du möchtest da» Herz dir gesund bewahren: Mach andern Freude I Du wirst erfahren. Daß Freude freut. Friedrich Th. Bischer. =0�. j ging eilig und dienstfertig hinaus. Der Klavierspieler stand neben Der Klavierspieler. Von Vicki Baum . Zuerst kam eine Samtportiere mit vielen verstaubten roten Falten, und dann stieg die Treppe zwischen hohen Spiegeln auf- würts; am Geländer entlang standen Palmen aus glänzender grüner Leinwand und mühten sich, reich, echt und prächtig auszu sehen. Ein Mohr aus leuchtend schwarz lackiertem Holz hielt eine zweite Portiere mit so großer Gebärde zurückgerafft, als handle es sich um den Eintritt in eine Raritätenbude. Dann tat sich der Gang auf, lang, schmal, mit den vielen numerierten Türen der Cbamdre» »epar6es, nüchtern wie ein Hotelkorridor. Nur die Lichter waren rot gedämpft und aus Schwüle gestimmt. In einer Ecke saß der Klavierspieler. Abend für Abend saß er da in dem kahlen Gang mit den roten Lichtern und plagte sich ab, den Gang und die Zimmer hinter den vielen numerierten Türen mit der aufreizenden und verbrauchten Sinnlichkeit beliebter Operettenmelodien zu füllen. Die Kellner strichen an ihm vorbei, Seidenkleider knisterten durch den Gong; hinter einer Tür flatterte ein Lachen auf, betrunkene Stimmen stiegen auf und ab. Der Klavierspieler sah sich nicht um: er schaute stumpf auf den Wandarm, der seinen roten Schein auf das Klavier warf, er spielte Stunde um Stunde kupplerische Melodien, und seine linke Hand sagte spöttisch: m tata m tata... Doch eines Tages geschah Folgendes: Lolly, die blonde Lolly von derHarmonie" war mit drei Herren auf Zimmer Nummer vierzehn: st« war gut gelaunt und übermütig und wollte ganz allein auf dem Tisch einen Walzer tanzen. Sie stieg auf den Tisch, schürzte den Rock ste hatte kleine, goldene Schuhe an und Baron Dickie rief, gröhlend wie der Clown im Zirkus:Musickel" Es.war gerade Mitternacht, und der Klavierspieler hatte seine Pause. Musickel" schrie Baron Dicki. Auf dem Gange blieb es still. Leutnant Bertl öffnete die Türe, warf ein Geldstück hinaus und bemerkte höflich:Belleben der Herr Musikdirektor gütigst einen Walzer? bitte? wollen vielleicht?" Das schien ein guter Witz: Lolly stellte sich von neuem In Positur, und die Herren lachten. Der Klavierspieler stand neben seinem Pianino, er hatte eines der rot gedämpften Lichter abgedreht und sah starr auf Leutnant Berti: das Geldstück hob er nicht auf, doch schien es in der roten Dämmerung, als nickte er mit dem Kopf. Na also," sagte Leutnant Bertl zufrieden,es kann losgehen." Lolly hob den kleinen goldenen Fuß und lächelte: lächelte: aber auf dem Gang blieb alles stumm. Sie warteten eine Weile. Nichts. Himmelherrgott!" brüllte Baron Dickie hinaus,sind Sie taub? Einen Walzer sollen Sie spielen, aber gleich ja?" Der Klavierspieler sah starr auf den Baron und nickte: aber er rührte sich nicht vom Fleck. Na, was ist denn los?" fragte Lolly ungeduldig. Franz, von Nummer neun bis sechzehn, der eben eine Flasche öffnete, nahm einen leeren Ehampangerkübel unter den Arm und seinem Pianino und sah starr auf die Türe von Nummer vierzehn. Er nickte auf eine sellsam pendelnde Weise mit dem Kopf, noch bevor Franz etwas gesagt hatte. Warum spielen Sie denn nicht? Ha?" Der Klavierspieler sah staar auf Franz und schwieg. Einen Augenblick lang war es entsetzlich still. Und dann warf Franz den leeren Kübel weit von sich und rannte die Stiege hinunter: beide Hände hielt er vor die Augen gepreßt. Der Kübel polterte dumpf gegen die Tür von Nummer elf, dem einzigen Zimmer, das leer war. Lolly erschrak, sie sprang vom Tisch und sagte:Mir ist auf einmal die Lust zum Tanzen vergangen." Der Klavierspieler nickte ein wenig stärker mit dem Kopf. Seine Augen schauten starr auf Nummer vierzehn, seine Hände waren lang und oerkrampst. Auf seinem Haar lag der rötliche Schein der Lichter, und seine Stirn zog verächtliche Falten. Zwischen den blauen Lippen kroch die Zunge wie eine dicke, schwärzliche, nackte Schnecke hervor. So hing der Klavierspieler an dem Wandarm. Fritz I war ein äußerst tüchtiger Kellner. Er war drei Jahre in Monte Carlo gewesen und mit allen Arten von Selbstmord vertraut. Und er wußte sofort, was nun das Wichtigste war: kein Aufsehen machen! Er löste den Klavierspieler geschickt aus der Schlinge, indes die Kellner sich bei der Portiere zu einem entsetzten, schwarzbefrackten Häuflein ballten. Nummer sieben läutete, und Nummer siebenzehn rief:Was ist denn das für ein Getrampel auf dem Gang?" Wo Ist frei? Rasch, auf Nummer elf: tragt ihn hinein: kein Mensch darf etwas merken." Der Klavierspieler legte sich schwer in die Arme der Kellner: er hatte breite Stiefel an und spießte sich immer In den Knien. Sie trugen ihn an Schultern und Füßen, und nun schleiften seine Hände eigensinnig am Boden entlang. Auf Nummer vierzehn wurde gezahlt: Fritz l hielt den dicken Himmelmann auf, solange er konnte: aber Lolly lief voraus auf den Gang, noch bevor der Klavierspieler In Nummer elf untergebracht war. Fritz II, der fast so tüchtig war wie Fritz I, stellte ihn mit einem Ruck auf die Füße und lehnte ihn an die Wand. Hallo, was gibt's da?" sagte Leutnant Bertl erfreut. Ein Betrunkener!" Fritz I lächelte diskret zu dem Klavier- fpieler hinüber, und der kleine Robert bewunderte Ihn unsäglich. Nun lag der Klavierspieler auf dem Sofa von Nummer elf und schaute streng auf den Plafond. Fritz 1 atmete auf, aber gleich darauf fühlte Nummer acht ein Bedürfnis nach dem Walzertraum. Unserem Klavierspieler ist schlecht geworden, ich bitte, es ist schon um Ersatz geschickt," sagte Fritz Tl höflich. Und das war auch die Wahrheit. Robert ging In die nächste Weinstube, bekam einen Klavierspieler geborgt und kehrte stolz zurück. Der neue Klavier». spieler setzte sich hin und begann: m tata m tata... Er spielte hart und ordinär. Von ihm waren keine Extravaganzen zu befürchten. Was fangen wir setzt an?" sagte der Speisenträger Karl:ich meine, man muß einen Doktor oder die Rettungsgesellschaft holen! was?" Fritz I hatte nur ein verächtliches Lachen. Aber da kam der kleine Graf Haust völlig betrunken die Stiege herauf und verlangte stürmischsein" Zimmer: undsein" Zimmer war eben Nummer elf. Fritz 1 sprach wie mit Engelszungen: aber es nützte nichts. Sie stellten also den Klavierspieler wieder auf und führten ihn hinaus. Er knickte ein wenig in die Knie und sah hochmütig drein. Sie brachten ihn in die Küche: er ließ sich nur widerwillig die Hinter- treppe hinabführen: seine Stiefel verhängten sich an den rauhen Stufen. Und als er unten war, vollführte die Köchln ein solches SiüV: