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Ms tzewes Nlatrahengrust. Lm Verlag von Robert Lutz in Stuttgart ist soeben ein kleine» Werk erschienen, das das Verdienst in Anspruch nehmen darf, wich- tige Ziige aus Heines letzten Lebensjahren der Vergessenheit entrissen zu haben.*) Der Herausgeber Weberknecht hat die in Meißner» Schriften zerstreuten Erinnerungen an den kranken Dichter, seine Frau und die bekannteMouche*, Heines Seelenfreundin, ge­sammelt und zu einem Werk zusammengestellt, das uns tiefe Ein- blicke in Heines inneres und äußeres Leben tun läßt. Die folgende Probe aus dem Buche schildert einen Besuch der Familie Arnault bei Heine. Da dieser die schöne Frau Arnault gern bei sich sah, muhte er auch den Mann, einen Zirkusunternehmcr, mit in Kauf nehmen. Meißner schreibt: Herr Arnault ist eine jener Gestalten, denen man vorzüglich in den Foyers der Großen Oper und auf dem Turf der Wcttrennplätz« begegnet:«in schöner Mann von ungefähr sünfunddreißig Jahren mit bleichem, südlichem Gesichtsausdruck und pechschwarzem Haar und Barte. Seine Toilette ist überaus sorg- fältig, seine Manieren sind brüsk, und wie wir sehen werden, von einer unangenehmen Familiarität. Er spielt mit einem kleinen Stöckchen, da» einen schönen goldenen ziselierten Knopf hat, und ahnt eigentlich ebensowenig, wer der Mensch ist, bei dem»r zu Besuche ist. Wie geht'» Ihnen, Heine?* fragte er,wohl recht schlecht? Bei Gott, Sie sehen nicht viel besser au» al» ein Toter. Mein Lebtag habe ich keinen Menschen gesehen, dem da» Sterben so schwer ge- fallen wäre, wie Ihnen. Apropo»: Mein Hippodrome**) macht un- glaublich« Geschäfte.* Um Heine» Mund spielte ein ingrimmige» Lächeln. Solch' »inen Menschen muß man ertragen, weil er der Mann seiner Frau ist. Doch noch ein»! Der Mensch klopft fortwährend mit seinem Stöckchen auf der Bettdecke de» Kranken herum. Wa» weiß auch so »in Gesunder davon, wa» Nerven sind! Er bemerkt oder achtet den Eindruck nicht, welchen er erregt. Ja, das Hippodrome,* fährt er fort,macht unglaubliche Geschäft«! An jedem Tag, an dem schönes Wetter ist, streichen wir mindesten» zehntausend Franken ein. Nicht wahr, da» läßt sich hören, lieber Heine? Ich will es meinen! Aber mein Gehirn bringt auch die unglaublichsten Sachen zutage, ich oerwirkliche Tausend und eine Nacht, ich speise, sozusagen, die Pariser mit Wundern!* Sie haben doch gehört,* fahrt er fort, und sein Teufelsstöckchen klopft immer beängstigender an der Bettdecke de» Kranken herum daß Poiteoin, dieser verwegenste, größte, außerordentlichste aller Aeronauten, der alle früheren Luftschiffer au» dem Felde, ich will sagen, au» der Luft geschlagen hat, zu Pferde mit seinem Luftballon in die Höhe steigt? Nun, nächste Woche soll er«uf einem Esel sitzend in die Lust fahren! Ich nenne dies: Himmelfahrt» I» Sancho Pausa! Sancho Pausa ist eine Figur aus einem spanischen Ro- man. Ein« köstliche Idee, nicht wahr? Und die Verfolgung der Kabylen durch französische Spahis? Auch diese Farce ist von meiner höchsteigenen Erfindung, und ohne Renommage ganz köstlich! Die Spahl« sind Knaben, die auf kleinen Korsikanerpserden sitzen, die Kabylen, auf eben solchen Pferden, sind Affen. Jeder Affe ist als Kabyle angezogen, hat einen weißen Burnus an und eine Flinte zur Seite. Sie sollten sehen, lieber Heine, wie die weiße Kapuze zu den braunen Affengesichtern steht! Die Spahis verfolgen die Kabylen: sie erreichen sie und hauen mit ihren Säbeln ein, die Affen schreien, die kleinen Korsitanerpferde greifen aus es ist die komischste Jagd, die Sie sehen können... Nun, das ist etwas für die Kinder und Grifetten. Für die Männer gibt es andere Dinge! Da ist ein Wagen, van Zwölf Schimmeln gezogen, darauf wohl an zwanzig Mädchen, alle schwebend in den verschiedensten und ver- wegensten Stellungen, in fleischfarbenen Trikots, nur auf das Ober- flächlichste in Gaze drapiert luftschwebende Bajaderen, die Leine nach oben gestreckt und nach allen Seiten hin! Wirkliche Houris! Es ist kaum zu glauben! Houris nämlich, lieber Heine, nennt man bei den Mohammedanern die Mädchen des Paradieses! Ha, was für Nymphen habe ich fürs Hippodrome geworben! Die schönsten Mädchen, die in Paris und in ganz Europa zu finden sind! Wie schade, Heine, daß Sie krank sind!" Der Hohlkopf glaubt, durch dies« Erzählungen Heine sehr gut zu unterhalten. Er ist kein Menschenkenner. Der Kranke hat sich während der langen Auseinandersetzung der Vergnügungen des Hippodrome unwillig auf seinem Bette herumgeworfen und Laut« von sich gegeben, die Herr Arnault für Ausrufe der Anerkennung und Bewunderung hält, die jedoch nichts anderes sind, al» gute deutsche Kernflüche. Bei dem letzten Satze de» Dandy, der mittler- weile sogar seinen Fuß«uf den Rand de» Bette» setzen wollte, »ichtet er sich auf, sieht mich an und sagt auf deutsch :So ein durch- weg» gesunder Mensch ist ein halbe« Tier!"-- *) Die Matratzengrust. Erinnerungen«n Heinrich Heine , von Alfred Meißner . Gebunden 15, M. **) Zirkus«m Eingang des Doulogner Wäldchens. Sehen Sie* fährt Arnault fort. Indem er sich endlich nieder» setzt,eben trage ich in meinem Kopfe hier* Herr Arnault zeigt mit dem Zeigefinger einer weißen eleganten Hand auf de» .edlen Thron de» Verstandes'eine Idee, bei der ich vierzig» tausend Franken entweder verliere oder gewinne! Ich nenne da» Zeug(er artikuliert sehr deutlich): Ein Fest In Peking! Peking, müssen Sie wissen, ist dje Hauptstadt des chinesischen Reiches. Auf einer prächtigen Estrade, im Vordergrund eines Tempel», der mit den Standbildern von Götzen geziert ist die Chinesen, müssen Sie wissen, glauben noch an Götzen, sitzen die Mandarine im Kreise herum. Die Mandarine sind sozusagen die Senatoren, die Aristo- kraten de» Landes--.* Der Direktor ist erst im Anfange seiner Erzählung begriffen, aber Heine, desien Ungeduld sich bis zur Wut gesteigert hat, richtet sich ungewöhnlich rasch auf, blickt mich an und sagt auf Deutsch mit einer Stimme, in welcher sich Wehmut und Ingrimm mischen: Hören Sie dieses Tier, das mir erklärt, wo Peking liegt und was die Mandarinen sind es verdient täglich zehn- tausend Franken! Fragen Sie doch einmal nach, was mir Campe für«ine Auflage desBuches der Lieder* zahtt?" Und mit einem komischenDu lieber Himmel!* sinkt er wieder auf» Kissen.Das weitere nach dem Essen, lieber Arnault," sagt er mit verzweifelter Miene,der Braten wird nicht eßbar sein, wenn Sie mir noch vor Tisch Ihr ganze» Fest von Peking genau erklären wollen..." Die Mnen öes Kinos. Das Kino kann jetzt das Jubiläum seine» 2Zjährigen Geburt»- tage» feiern, und in diesem Vierteljahrhundert hat e» eine gewaltige Entwicklung genommen. Aber es trat nicht ganz unvorbereitet in die Erscheinung, sondern der kinematographische Apparat hat Vor- läufer gehabt. Das öltest« Instrument, da» un», freilich in unvollkommener Weise, das Bild sich bewogender Figuren vor Augen zauberte, war da» L e b e n s r a d, da» 1832 durch Plateau in Genf und unab- hängig davon durch Stampfer in Wien erfunden wurde. Dieser Apparat besteht au» einer runden Pappscheib«, die nach dem Rande zu in gleichmäßigen Abständen schlitzartige Oeffnungen besitzt: darunter befinden sich Bilder«in und derselben Figur, die sie in ver- schiedenen aufeinanderfolgenden Momenten einer Bewegung dar- stellen. Die Scheibe ist um eine wagerechte Achse drehbar und wird mit der Bildseite gegen einen Spiegel gehalten. Versetzt man die Scheibe in schnelle Umdrehung und blickt durch die Schlitze gegen den Spiegel, so fallen die Bilder rasch nacheinander auf dieselbe Stelle der Netzhaut, verschmelzen ineinander und gewähren den Eindruck eine» lebenden Bildes. Während die Erfinder dieses Lebensrades noch nicht auf den Gedanken kamen, den Apparat mit einer Laterna magica zu verbinden, tat dies der Engländer Nnylor 1843. Seine Idee scheint aber nicht verwirklicht worden zu sein, sondern da» erste Pro- jektionslebensrad wurde von dem österreichischen Offizier Franz von Uchatiu» 1815 hergestellt. Mit Hilfe dieser Vorrichtung brachte er da» Mesicr- und Kugelwerfen der Chinesen zu lebendiger Anschauung. Da aber bei der Anwendung der Spaltscheibe niemals an die Darstellung'großer Lichtbilder zu denken war, so verbessert« er den Apparat dahin, daß damit 2 bis 314 Meter große Bilder er- zielt werden konnten. Uchatius richtete auch seine Apparate, die zu- nächst nur 12 Objekiivbilder haben konnten, für 100 Bilder ein,wo­durch ein bewegliche« Tableau mit einer Handlung von einer halben Minute dargestellt werden konnte". Diesen Originalapparat des Oesterreichers erwarb der Bortragskünstler Döbler für 100 Gulden und zog damit durch ganz Europa , so daß die Erfindung weit und breit bekannt wurde und andere Konstrukteure zur weiteren Verooll- kommnung anregte. Der Amerikaner Braun, der für seine Projektionsvorrichtung 1809 ein Patent erhielt, nahm den bereits früher angegebenen Ge- danken auf, die Vildscheibe sprungweise fortzubewegen, um so jedes Bildchen im Augenblick der Belichtung anzuhalten. Dazu kam dann später noch die Laterna magica und die Anwendung von Bild- bändcrn, und unterdessen war auch das Hilfsmittel gefunden worden, das«inen gänzlichen Umschwung herbeiführen sollte: der Z e l l u- l o i d f i l m. Während er zunächst nur dazu diente, längere Reihen- aufnahmen herzustellen, verwendete ihn Edison Anfang der SOer Jahre In seinem Kinetoskop, der nicht zur Projektion, sondern nur zur Betrachtung der kleinen Bildchen diente. Aber Edison brachte das, was gerade für die Projektion lebender Lichtbilder nötig war: den positiven Bildfilm mit dem zweckmäßigen kleinen Bildmaß und einer praktisch durchgeführten Lochung. Nun waren alle Borbedin- gungen für die Erfindung des Kinos gegeben, das dann zum ersten- mal 1890 von den Gebrüdern Lunicrc mit ihremEinematographe" »erwirklicht wurde.