wird, hin und wieder äußert der nicht schlimm genug einzuschätzend«Biß der Kreuzotter sich•- Erkrankungen, di«, wie durch eine In-fektion, ein ganze-- Leben anhalten können. So wurde ein Mädchengus Waltershausen in ihrem 13. Jahr gebissen und kränkelte biszum 63. Jahr hinein an der Vergistung, die sich bald in jahrelangerErblindung, bald in dauernden, schmerzhaften Erkrankungen in ver-schiedenen Körperteilen, bald in fast völliger Taubheit äußerten.Daß auch das Ausziehen der Giftzähme bei dieser Otter di« Gefahrnicht dauernd beseitigt, dafür ist der Unglücksfall eines Gauklersein genügender Beweis. Er wollt« sich dem ihn anstaunenden Publi-kum als großer Schlangenbändiger zeigen, und nahm denn auchmit einer lebendigen Kreuzotter die verfänglichsten Kunststückchenvor.. Zum Schauder der gebannt von der Tollkühnheit des Bcr-wegenen erschreckten Zuschauer biß die Schlange ab und zu nachden Händen des Gauklers, der der Bisse nicht achtete. Eines Tagesaber zeigten sich nach einem kurzen Biß die heftigsten Anzeichenvon Vergiftung. Ein Arzt, der unter der Meng« war, eilte demsich kaum mehr auf den Füßen Haltenden zu Hilfe, schnitt dieWunde sogleich aus und wusch sie mit Salmiakgeist. Eine Reihevon inneren kräftigen Gegeninitteln erhielt denn auch den®e<bissenen nach wöchentlichem Kränkeln glücklich am Leben.Sucher, öie uns nicht erreichten.Gewaltige Geistesschätze sind im Laufe der Jahrtausende ver-lorengegangen, und es erfüllt uns mit Wehmut, wenn wir be-denken, wieviel Schönheit und Weisheit uns auf dies« Weise fürImmer entrückt ist. Bon vielen dieser„Bücher, die uns nicht er-»eichten", kennen wir nicht einmal die Titel, obgleich ihr Vorhanden»sein durch ander« Tatsachen beglaubigt ist. Bon des A i s ch y l u s»twa 90 Dramen find uns vollständig nur 7 erhakten: die Zahlder von Sophokles verfaßten Dramen wird auf rund 1Z0 de»ziffert, von denen über 100 durch Titel und Bruchstücke,«b«r eben-fall» nur 7 ganz überliefert find: dem E u r i p i d e» werden92 Dramen zugeschrieben, doch außer Fragmenten sind nur 17 Tra-gödien und ein Sotyrspiel der Rachwelt gerettet. Auch unsere Barlstellung von der großen Dichterin E a p p h o können wir uns nur«us geringen Trümmern aufbauen.Fragen wir nach ben Umständen, denen der Berlust des größtenTeils dieser unersetzlichen Reichtüm«r zuzuschreiben ist, so geben diegroßen Brände, von denen der Mittelpunkt der antiken Ge-lehrsamtcit, Alexandria, immer wieder heimgesucht wurde, dieAntwort. Besaßen doch di« beidin Bibliotheken des AlexandrinischenMuseums zusammen 700 000 Schriftrollen, als Cäsar 47 v. Chr.die Stadt belagerte, und bei der Eroberung ging die größere Biblio-thek mit 40 000 Rollen in Flammen auf. Im Jahre 672 n. Chr.wurde von dem Feldherrn de» Kalifen Omar mit der StadtAlexandria auch die Bibliothek völlig zerstört. Nicht einmal dieKataloge dieser beispiellosen Aufspeicherung von Schriftwerken finduns verblieben. Der Kalif Omar selbst war übrigens weit entfernt,den verlorenen Geistesschätzen eine Träne nachzuweinen.„Entweder",sagte er,„sagten die Schriften da», was im Koran steht, und dannwaren sie überflüssig, oder si, sagten etwas anderes, unddann waren si« schädlich!"Erst durch die Kunst de» Buchdrucks, die von jedem Schrift-werk die Erhaltung vieler Exemplar« ermöglichte, ist dem Ver-schwinden von Literaturwerken Einhalt geboten worden. Aber man-«her Dichter hat selbst Hand an seine Manuskripte gelegt. Goetheverbrannte sein Jugendwerk„Joseph" und die Handschrift des Ur-saust, und nur durch einen glücklichen Zufall ist ein« Abschrist de»letzteren auf uns gekommen. L« s s i n g s„Faust" geriet im Jahre1776 mit einer Kiste, in der sich auch gelehrte Ausarbeitungen be-fanden, in Berlust. Ein zweibändiger Roman Heinrich». Kleist» ist auf unerklärte Weise wohl für immer oerlorenge-gangen. Der größt« Teil der Niederschrift von Heines„Rabbivon Bacharach", den er selbst als sein gediegenstes Werk bezeichnete,fiel einem Brande im Haus« seiner Mutter zum Opfer. GeorgBüchners Drama„Pietro Armaetino", das schon vollendet vor-gelegen haben muß, ist nicht aufzufinden gewesen. Und so ließe sichder Katalog der Bücher, ovn denen wir meist nicht viel mehr al»die Titel kennen, bis zur Gegenwart fortsetzen, in der der Hand-schriftliche Rachlaß de» seltsamen genialen Peter Hille bereits»on der Legende umsponnen ist.Sonnenbad.Au» einem Sommertagebuche Walt Whitmans.Whitman, der bis dahin nie krank gewesen mar, erlitt 1873—Mit M Jahren— einen Kchloganfall, da er sich in dem vUrjähxigenTezession«kri»ge bei der Krank»npsi»ge llberanstr»ngt hatte. DreiJahre blieb seine Gesundheit schwer zerrüttet, bis zum Tode war erhalb gelähmt, aber seelisch genas er wieder, indem er von der kleinenStadt Camden«us immer wieder auf eine klein« Farm flüchtete.Hier schrieb er die Tagebuchaufzeichnungen, die Hans Reisiger imAugustheft der„Neuen Rundschau' überträgt. An einem Sonntaßim August schreibt da Whitman unter dem Titel„Ein Sonnen»b ad-Nacktheit": Wieder ein Tag, ganz frei von ausgesprochi,ner Hinfälligkeit und Schmerzen..Es scheint wirklich, als flösse un»gesehen Frieden und Stärkung auf mich herab, wie ich so langsa»in der guten Luft durch diese Wiesenwege und Felder humple—wie ich hier einsam mit der Natur sitze— der offenen, stummen,mystischen, fernen, doch fühlbaren, beredten Natur. Ich lasse michversinken in die Landschaft, in den vollkommenen Tag. Ich hock»an dem klaren Wasserlauf und trinke die Ruhe, hier aus seinemleisen Glucksen, dort aus dem tieferen Rauschen seine» drei Fuß hohe»Wasserfalles.— Kommt, o ihr Trostlosen, wenn noch Entschlußkraftin euch schlummert,— kommt zu der unfehlbaren Heilkraft vonBachufer, Wald und FeldI Zwei Monate lang habe ich sie nun inmich aufgenommen, und sie beginnen, einen neuen Menschen aus mirzu machen. Jeder Tag Einsamkeit— jeden Tag mindestens zweioder drei Stunden Freiheit, Bad, kein Geschwätz, kein« Fesseln, kein«Kleider, keine Bücher, kein„Benehmen"!Soll ich dir sagen, Leser, worauf ich meine schon fast wiederh«-gestellte Gesundheit zurückführe? Darauf, daß ich seit fast zw«tJahren mit wenigen Unterbrechungen, ohne Arzneimittel und täglichin der frischen Luft bin. Vorigen Sommer fand ich eine besonder»geschützte kleine Schlucht, etwas abseits von meinem Bach: urfprünAi(ich eine große, ausgeschachtete Mergelgrube, nun verlassen und aus»gefüllt von Büschen, Bäumen, Gras, einer Weidengruppe, einereinzelnen Erhöhung und einer Quelle mit köstlichem Wasser, di«mitten hindurchfließt, mit zwei oder drei kleinen Wasserfällen. Hier»hin flüchtete ich mich an jedem heißen Tage, und so mache ich es auchin diesem Sommer. Hier begreife ich, was jener Alte meinte, dwsagte, er sei selten weniger allein, al» wenn er allein sei. Eine Stund«oder so nach dem Frühstück schlenderte ich zu der Verborgenheit b»-sagter Schlucht hinab, die ich und einige Drosseln usw. ganz für un»allein hatten. Ein leichter Südwest blies durch die Wipfel. Es warjust der Ort und die Stunde für mein adamittsches Luftbad nebstBürsten des Körpers von Kopf bis zu Fuß. So hing ich denn di«Kleider auf einen nahen Zaun, behielt den alten, breitrandige»Strohhut auf dem Kopf und bequeme Schuhe an den Füßen, undhatte zwei herrliche Stunden! Zuerst Arme, Brust-und Seiten mitden steif-elastischen Borsten gebürstet, bis sie feuerrot waren— dan»ein teilweises Bad im klaren- Wasser des rinnenden Baches— all«»sehr gemächlich, mit vielen Ruhepausen— alle paar Minuten barsustherumgelaufen im nahen schwarzen Schlamm, al» fettes Moorbadauf meine Füße— ein zweites und drittes Mal in dem kristallklar«»Wasserlauf kurz abgespült— mit dem dustenden Handtuch abg«-rubbelt— langsame, lässige Promenaden auf dem Rasen auf undab in der Sonne, abwechselnd mit Ruhepausen, und dann wieder Ab-reibungen mit der Bürste.Wie ich langsam über das Gras ging, schien die Sonne he>genug, daß ich meinen mitgehenden Schatten sehen konnte. Jrgendwi«schien e» mir, als würde ich eins mit all und jedem Ding um mich he».je nach seinem Wesen. Die Natur war nackt und ich auch. Es wa»eine zu lässige, einschläfernde wonnige und ausgeglichene Stimmungum darüber nachzugrübeln. Doch mag ich mir etwa die folgende«Gedanken gemacht haben: Bielleicht ist unser innerer, nie verlorenerZusammenhang mit Erde, Licht, Luft, Bäumen usw. nie durch Auge»und Gemüt allein zu erfassen, sondern mit dem ganzen fleischliche»Körper, den ich ebensowenig wie die Augen geblendet und verbünde»haben will. Süße, gesunde, stille Nacktheit in der Nattir? Ist alsoNacktheit nicht unanständig?— Nein, an sich nicht. Eure Gedanken,eure Heuchelei, eure Furcht, euer Rhrbartum, die sind da» Unan«ständige. Es kommen Stimmungen, wo diese unsere Kleidung nichtnur zu lästig wird zum Tragen, sondern in sich selbst unanständig.Bielleicht Hot der Mann oder da« Weib, die da» freie, heitere Hoch-gefühl der Nacktheit in der Natur nie kennen lernen durften(und wieviele Tausende sind da»!), nie wirklich gewußt, was Reinheit ist—-noch was Glauben, Kunst und Gesundheit eigentlich sind.Nichel.Willst du deinen Junkern behagen,so mußt du dich also betragen:Im Frieden stets wacker dich plagen,im Kriege stets wacker dich schlagen,viel tragen und Vielem entsagen,nichts wagen und nie was abschlagen,nie sragen, versagen, noch klagen,beim Geldgiben niemals verzagen,und alle deine Wünsche vertagen:Daun— hast du nichts weiter zu sagen.Adolf Glaßbrenner.