/Zrbeitersage. Von vnsern Vülern schallt zu uns Not. Schmach und Leid And wird in der Seele der Enkel zu klagender Sage: Unsre Väter, vorze'.t, Lebten verbannt von den Menschen kies unter Tage. Werkleute waren sie. Schürfer und Häuer. Und lösten das lagernde Gold aus dem tragenden Schacht, Erde war ihr Dach und Gemäuer, Erde die Luft. Erde die Nacht, Erde war der Himmel, der ob ihnen lag,— Sie hörten die Ströme rauschen, die winde wehn, Sie hörten die Schritte zu ihren Häuptern gehn And wähnten, man tanze droben im Tag. Doch an jedem Abend ein jeder mit klingenden Schlägen, Stufen um Stufen brachen sie aus den Gelögen And hieben gemach Treppe uad Tor Empor. Deren Väter jahrhundertelang in Tiefen gefront, Geblendet senken manche scheu ihr schmerzend Gesicht. Doch wir sind längst im blanken Tage eingewohnt,— wie in Panzer Neiden wir uns in das Licht. Ernst Lissauer . (Der Strom, Verlag E. Diederichs, Jena .) Serlin nach öer Revolution von 4S. Von Glaßbrenner. Adols Glahbrenner, der witzige Satiriker und volkstümliche Humorist, hat uns Bilder aus der 48er Revolutionszeit ausbe» wahrt, die beute noch von beinahe attuellem Interesse sind. Wir geben hier die Eingangsszene aus«dem neuen Europa im Ber» liner Guckkasten" wieder, Guckkästner(stngend): Ich bin ein Deutscherl Kennt Ihr meine Farben? Schwarz, rot und golden wehn sie mir voran: Daß für die Freiheit meine Brüder starben� Das deuten kühn Euch diese Farben an. Nun endlich darf ich's sagen: Ich will mit Stolz sie tragen! Die Nacht entfloh, der Freiheit Sonnenschein Brach siegend über Deutschlands Fluren einl Mehrere Gesellen usw.(wiederholend): Die Nacht entfloh, der Freiheit Sonnenschein Brach siegend über Deutschlands Fluren einl Gucktästner(schreiend): Hurra, die Freiheit soll leben! Viele Stimmen: Die Freiheit soll leben! Hoch! G u ck k ä st n e r: Js et denn möglich?(Sieht sich um.) Is denn det noch Berlin ? Is denn det noch detselbe Polizei-, Ieheimrats-, Mucker- un Jardeleutnants-Berlin? Is denn jar keen Iensd'armerie in der Nähe, der jleich in de Zehen Koppschmerzen un in'n Kopp Elsteroogen kriegte, wenn Eener uf die Straße en lautes Wort sprach über jrüne Bohnen, jeschweige über Freiheit? Dorothea: Wenn De doch lieber wolltest Kunden'ranrufen als Dir zu exaltieren über die Freiheit. Man verdient jetzt jar nischt mehr: det Jewerbe steht stille. Ieh mir mit de Freiheit! Die Frei- heit, verhungern zu können, hatten wir unter de Iensd'armerie ooch. Erscht recht! G u ck k ä st n e r: Brumme, Du alte Schachtel Du! Wenn ick von de Freiheit verhungere, sterb' ick bester als en Soldatenheld. Iehörst Du ooch zu die Philister, die de Freiheit jleich us't Butter- brot haben wollen, die de jute Zeit jar nich abwarten können? Dreiundreihig Jahr Niederträchtigkeit jesät und nu woll'n se jleich Appelsinen ernten! Posamentier Dickewitz(der ihm zuhörte): Hör'n Se mal. ick kann se ooch nich abwarten, de jute Zeit. Det is ja een Iammernest jetzt, Berlin un janz Deutschland ! Keene reichen Leute, keen Milletär, keen Handel und Wandel, keen nischt nich mehr, un Allenz, un Allens blas durch die Ufwiegler» die man dodschießen sollte. Guckkästner: Sie sind keinen Schuß Pulver wert. Posamentier Dickewitz (empört): I Sie verdammter Irobian, Sic Fleez, Sie! Guckkästner: Wie sagen Sie? Sie scheinen von de Rede- freiheit etwas Iebrauch zu machen. Wer hat denn Ihnen je- meentl? Die Ufwiegler sind kernen Schutz Pulver wert, meente ick. Sie sind kernen Schutz Pulver wert, sagte ick. Aber— Sie entschuldjcn, Sie sind jewiß aus eine preuß'sche I e Z e n d, wenn Sie erlauben wollen? P o s a m e n t i e r D i ck e w l tz: Ne, Ich bin hier aus Berlin , heeße Dickewitz, bin Posamentier un... G u ck k ä st n e r: Danke, danke, mehr is nich nötig. Herr Dicke, witz, ick wollte Ihnen man fragen: wer sind denn die Ufwiegler, wenn Sie nich etwa die verrückten Kommunisten meenen? Sind et d i e Menschen, die uns nich wieder wollen in de alte Tinte jeraten lasten, nachdem wir mit unser Blut unsre Freiheit erkämpft haben? (Cr hält die Hand ans Ohr.) Stille mal! Hören Se nich an de Düre kloppen, Herr Dickewitz? Rufen Se man mit janz leiser Stimme— Herein! Ick sage Ihnen, ehe Se noch Ihre schwarz-rot� joldne Kokarde vorstechen können, is de jute Pollezei un Jensd'ar, merie, sind die freundlichen Ieheimenröte, die niedlichen Iarde- leutnants un die stillen, süßen Mucker, is de j a n z e alte P r o st mahlzeit wieder da! Posamentier Dickewitz: Das wäre janz zut: das war viele bester als jetzt. Guckkästner: Ach so, von die Sorte sind S'e? Zvölwe uf's Dutzend? So? Im ersten Oogcnblicke jloobt ich, man kriegte blos Elwe von Ihnen. Haben Se de Iüte, Ihre Promenade un� jehindert fortzusetzen: ick werde versuchen, mir ohne Ihnen zu amüsieren.(Er ruft pathetisch): Immer ran, meine Herrschaften, Bürjer und Brüder! Hier rollt sich Ihnen die janze jrotze Zeit de» Jejenwart vor enen Silberjroschen ab. Die frühere Weltjeschichte kostete bei mir bloß einen Sechser, weil sie bloß von Kaiser un Könije jemacht wurde un nischt wert war. Allemeile kost't sie einen Iroschen, weil sie die Völker jemacht haben. Immer ran, deutsche Brüder, es is der Kampf der europäischen Freiheit, den Sie hier, erhoben in die Rejion der Kunst un Poesie, vor Einen Silber« jroschen jenießen. Er st er Junge(greift in die Tasche und gibt ihm Geld): Deutscher Bruder, bier is ein Silberjroichen. G u ck k ä st n c r: Ick danke Ihnen für die Hebung der untern Klassen. Erster Junge: Wo so? Guckk ästner: Des sind höhere politische Ansichten, über welche Sie sich, sobald Sie Ielehrter jeworden sind, Bejriffe machen werden. Welche Stellung werden Sie durch die jrotze Erschütterung erhalten, deutscher Staatsbürger? Sind Sic vielleicht bei de Straßenreinijung als Hofrat anjestellt? E r st e r Junge: Ne. Man hat mir zwar diesen Posten an- jedragen, aber ich lehnte ihm ab, erschtens, weil noch mehr Iucks aus de Häuser un Palais wegzufegen Is un zwectens, weil ich mir den Kriegswissenschaften widmen will. Ick habe hinter de Barrikaden schon mein Examen in Kujeljießen abgelegt. Ick nahm meinen Vater, der vor den Staat als Zinnjietzer nützlich is, mehrere Schachteln mit kleene bleierne Soldaten weg, damit nich mehr so lange mit de jrotzen jespielt werden sollte. Iegenwärtig üb' ick mir im Trommeln, um bei de Bürjerwchr als Ieneralmarsch anjestellt zu werden. G u ck k ä st n e r: Wenn Ihnen det jlückt un Sie Ihr Talent ausbilden, werden Sie noch mal Lärm in der Welt machen. Er st er Junge(ungeduldig): Aber ick dächte, et jinge nu bald an? G u ck k ä st n e r: O ja, et j e h t an. Janz jut is et noch nich. (Sehr laut): Nachdem die Niederträchtigkeit schmal jemacht is, fängt de Dummheit an, sich breit zu machen.(Seinen Krückstock schwingend): Iott, ick wünschte bloß. alle Z a r u ck e r hätten E e n e n Rücken un dieser Rücken wäre in meiner Nähe! Schneider Aettrlch: Hier Is'n Iroschen,»aber ich habe keine Zeit nich. Guckkästner(steckt dos Geld ein): Des is'n Irrtum. Ield is Zeit. Wer Ield hat, hat jejenwärtig Zeit. Bloß die, die keen Ield haben, haben jar keene Zeit. Die verstehen unter Freiheit: et oll Dukaten rejnen. Sie sagen: sonst husten se wat in de Freiheit, sonst wäre de Freiheit jar nischt. Herrjes, de Freiheit is ooch jar nischt. Wenn se sich fressen ließe, denn würden wir se ooch bald wieder— Dorothee, stech de Lampe an!— verdaut haben. Die Freiheit is weiter nischt als: keene Bedrückung. Wir können un» jetzt im Wege u n s r e r Iesetze Alles erobern un verdienen, was wir erobern un verdienen wollen un vernünftig wollen können. Zweiter Junge(sehr ungeduldig): Nä null Er st er Junge(ebenso): Hör'n Se mal, deutscheiniger Bru- der, vor politische Belehrung Hab ick Ihnen meinen Silber- roschen nich jejeben, ick verlangte Kukasten. G u ck k ä st rre r: Die Lampe is anjestochen. Ick wollte erst noch. det Ihnen en Licht über de wahre Freiheit ufjehe soll, indessen (seufzend) die Iungens sind jetzt de klügsten Männer.(Stärker seus». Rrrr, das erste Bild!
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