Nummer 42 20. Gttober?021 ilnterhaltuntzobeilatze öes Vorwärts <4 <« Die Versteigerung. Von A. De Nora. Die Börse war geschlossen. Viele der Besucher waren im Be- griff, die 5)alle zu verlassen. Mit der Eile des rollenden Geldes, des Kehrichts, den der Wind verschleppt, des Raben, der vom Aas fliegt. Da stieg Roderich auf einen der Ausruferstühle. Er hielt ein Blatt in der Hand, das zusammengefaltete Stück einer Zeitung. „Freunde!" rief er,„Menschen! Noch einen Moment!" Die Vorüberflutenden sahen ihn verständnislos an, einige ver- wundert. „Ich versteigere dieses Blatt," rief er weiter,„ich versteigere dieses Blatt." „Was für ein Blatt?" horchten ein paar Fern erstehende auf. „Ein Kursblatt?" „Dieses Blatt enthält die wichtigste Nachricht der Welt, eine Nachricht von so ungeheurem Werte, daß, wer sie besitzt, imstande ist, die Erde aus den Angeln zu heben!" „Ein Verrückter! Die Polizei sollte ihn hinausschaffen!" „Was soll die Polizei? Wenn er verrückt ist, fragt er nichts nach der Polizei." „Diese Nachricht kann jeden von euch zum Milliardär machen! Sie kann unsägliche Reichtümer über ihn ausschütten! Sie ist die Quelle des ganzen zukünftigen Glückes der Menschheit!" „Hast gehört? Dumm ist«r nicht. Milliardär kann einer werden! „Was für eine Nachricht wird es sein? Daß Rußland Frieden wacht—" oder Pleite.. „Eine unerhörte Mitteilung ist es, die ich hier besitze.. „Behalt sie!" „Und euch hier anbiete.. „Gib sie her!" »„Die jeder von euch haben niühte! Aber nur einer soll sie haben!" „Warum nimmt er sie nicht selbst?" „Sie wird faul sein!!" Um die Füße Roderichs begann die Flut sich ein wenig zu stauen, kräuselte sich, wurde zum Ring. Seine helle schöne Stimme klang wie ein Muezzinruf über die Menge. Herren, die schon an den Ausgängen standen, stutzten und wandten den Kopf zurück. „Ich biete sie dem einen an, der sie erwirbt. Um welchen Preis, ist gleichgültig. Ich oerschmähe jeden Gewinn. Der Erlös sei für die Armen dieser Stadt!" „Oh, ein Schnorrer!" „Wohl könnte ich die Nachricht selbst ausbeuten— ich will es nicht. Mein Will« steht nicht nach Gold..." „Schlemihl!" lachten einige. „Ich werfe sie euch hin, weil die gelbe Hure euch reizt, weil ihr nach dem Götzen Mammon giert, weil ihr die Tänzer seid auf der rollenden Kugel!" „Sagen Sie zuerst, was für ein Blait es ist!" „Ein Blatt, das nur in einem Exemplar vorhanden, in diesem!" „Kalter Ausschnitt!— Ouatschkoppl— Lügen Sie man wich so dicke!" „Weil die ganze Ausgabe sofort konfisziert wurde, als es ge- druckt war..." Einige wurden unruhig. Das Spielfieber ergriff sie. Unmög- lich? Nein. Welch eine Nachricht mußt« es sein, der man so schnell und gründlich den Hals abgedreht hatte! Welch wertvolle Nach- rieht! „Schwindel!" schrie einer, um sich Mut zu machen. „Sie brauchen es nicht zu glauben. Rur einer braucht mir zu glauben: der dies Blatt ersteht! Sein Glaube wird millionenfach belohnt werden." Hoch in der Luft schwenkte Roderich die Zeitung. Augen hingen an ihr wie Fischschuppen, blitzten, schwangen sich mit. „Ich lege sie auf zu n niedrigsten Preise, schallte seine Stimme. »Zehn Pfennige zum ersten..." Alles lachte. „Ein Spaßvogel, der da oben! Zehn Pfennige für eine Nach- »Icht, die Milliardäre macht!" Und etliche boten zum Spaße elf. Aber Roderich, ernst wie ein Auktionator:„Elf sind da. Nie« mand mehr? Zum ersten..." „Fünfzehn!" sprach ein neuer. „Fünfzehn zum ersten..." „Was isn los?" drängten sich Aeußere heran. „Ulk! Blatt wird versteigert mit wichtiger Nackricht." „Um zwanzig Pfennige? Ist der Mann gut?' „Man weiß es nicht. Er sagt, es sei das einzige Exemplar einer Ausgabe, die noch vor dem Erscheinen unterdrückt wurde." „Wegen der Nachricht?" „Allerdings... „Fünfzig!"— bot nun der Frager. Das Blatt erschien wieder hoch in der Luft. Und die Wort« Roderichs schwebten wie eine Glocke darüber:„Fünfzig sind da. Zum ersten..." „Eine Mark!" Roderich nickte zu dem kleinen Juden herunter, der dicht bei feinem Platze stand:„Brav, junger Itzig! Eine Mark für ein« Million, welch ein Geschäft! Wenn sie es dir lasten—" „Eine Mark zwanzig— fünfzig— siebzig-- zwei Mark!" Noch lachten und fpötteten viele. Doch im stockenden Knäuel stand einer, den Blick auf Roderich gewandt, die Miene ganz von Stein. Niemand sah ihm an, was er dachte. Er dachte aber dies: Warum soll es Humbug fein, das da oben? Warum soll der Mensch dort ein Narr sein? Ich habe ihn studiert. Er ist weder ein Narr noch ein Schwindler. Sind nicht tausendmal an einem Zufall, an dem Vorsprung einer Sekunde vor einer anderen, Mil» lionen verdient worden? Rodericht durchwehte von neuem die Lust mit seiner Fahne. „Zwei Mark sind geboten— zweimal— ich bitte einen der Herren um ein höheres Gebot. Zwei Mari zehn— Sie machen Ihr Glück, Geschätzter, durch dieses gemeine Stück Nickel . Sie heimsen Gold dafür. Berge von Gold!... Zwei Mark vierzig! Wer war's? Er zerreiße das Blatt, wenn er die Nachricht gelesen, damit sie ganz allein sein ist! Er allein wird die Banken sprengen, die Morgan erdrosseln, die Rotschild auskaufen, die Krupp aus dem Felde schlagen! Zwei Mark fünfzig. Zum ersten..." „Fünf Mark!" Die Doublierung ging von dem Manne aus, der statt des Blattes Roderichs Seele studiert hatte. Sein schwarzer Bart schattete tief auf die Lippen, die sich beim Bieten kaum bewegten. Man kannte ihn. Mayer Nathanson steigerte mit. Dann konnte die Sache nicht faul sein... „Sechs— sieben— acht— zehn Mark—" Wie Hechte schnellten die Zahlen empor aus der Flut, die statt eines Stromes ein See zu werden begann. Von den Rändern her rauschte ein Raunen. Was gibt es? Wer bewirbt sich? Mayer, der Fuchs? Und aufs Geratewohl warf einer, ganz hinten, die Ziffer hinein: Hundert! Oh, peitschte das auf, als es Roderich wiederholte! Erst schien es, als würde das Blatt dem Kühnen bleiben: einen Moment lang schwieg alles und momentan sielen die Sätze:„Hundert Mark sind da. Hundert zum ersten— zum Zweiten— zum..." „Hundertzwanzig I' klappte die Stimme Nathanson Mayers. Spannung wurde wach. Hälse streckten sich. Kribbeln wie faradischer Strom. Gezische!. Gewoge. Um was wird geboten? Eine Gcheimdepesche? Börsennachricht? Politisch? Man weiß nicht. Jedenfalls brenzliche Sache. Schwer. Geld zu verdienen Wie Heu. Schon sang um die Fahne die Ziffer Zweihundert. Die Töne der bietenden Zungen färbten sich greller. Kreischten manchmal. Schnappten über. „Dreihundert— dreihundertsünszig— achtzig— vier- hundert—" Nathanson Mayer gab immer um zwanzig mehr als die anderen. Verflucht, der mußte wissen warum. Menschenkessel brodelte schon. Ein paar lierten— Zornige brüllten laut— die ihre Zahlen hinein wie Brocken Eis. Tausend... Diesmal blieb Mayer Nathanson stumm, und des Ausrufers Echo scholl in die allgemeine Stille:„Rund tausend sind da! Zum ersten— zum zweitenmal— zum.. ," Der hatte Gründe! Der Zappelig« hüpften, gestitu» altblütigen aber tauchten Die letzte hieß bereit»
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