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Neue Arbeiterlyrik.

Mar Barthel- Gerrit Engelfe

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Bon Walter Schent.

Karl Bröger .

Der jest achtundzwanzigjährige Mar Barthel veröffentlichte als junger Fabritarbeiter feine ersten Verse. Er durchwanderte Deutschland , Italien , Desterreich, Holland , lebte Monate in der Schweiz , bis ihn der Krieg im November 1914 in die Schüßen­gräben der Argonnen schleppte. Die Wirren der Revolution führten ihn nach Stuttgart , wo er sich den Spartatisten" anschloß. Nach den Januarfämpfen 1919 saß er furze Zeit im Gefängnis; zulegt war er in Rußland . Bald einundeinhalb Jahrzehnte schicksalsvoller Wer­Denszeit zeichnet er in seinen Bersen. Mar Barthel nennt das Buch, das seine Entwidlung und die einer ganzen Generation" schildern soll; Arbeiterseele".( In Eugen Diederichs Verlag, Jena ; 150 Seiten; brosch. 8 M., geb. 12 M.) Daß er als Arbeiterdichter echt ist, beweisen die vielen, namentlich jungen Proletarier, denen er unentbehrlicher Freund und Kampf­genoffe geworden.

Barthel fann in so zarten Lönen fingen, wie er schreien fann in wilden Rhythmen, in grellen Farben. Am stärksten wirft er wohl, wenn er die Harmonie sucht. Deshalb zählen einige der Wander­schaft- Gedichte zu den schönsten B.: Die Stadt, Die Landstraße, Wald und Berg. In der Form sind die Verse gebunden und flar, wo aber wildes Aufbegehren und Stürmen Form und Formeln überrennt, fühlt man, es darf nicht anders sein. Barthel ist Feind alles Ge­fuchten und Gefünftelten.

Am 13. Oktober 1918 ist Gerrit Engelfe in einem fran­zöfifchen Hofpital einer Beinverlegung erlegen. Ein noch Suchender, ein Dichterphilosoph, ein eigener Mensch, ein Idealist wie feiner, ist zum Opfer des Weltmordens geworden.

Ein Ringender, ein Unvollendeter ist Gerrit Engelte nicht nur als geistiger Mensch, als Philosoph, sondern auch als Dichter. Als Dichter wird er zum ftrengen Sucher nach starker, dichterischer Form. Gewiß, man fönnte ihm viele Nachlässigkeiten im einzelnen verbessern, ohne dem Ursprünglichen feiner Dichtung zu schaden, doch die Dichtung Gerrit Engelfes als Ganzes wirkt durch Form und Sprachgewalt start und eigenartig wie ihre Gedankenfülle. Gerade weil Gerrit Engelle ein noch Suchender, fein Fertiger" ist.

anderen. Zwei Spiele: Kreuzabnahme" und Ranaan" und eh Oratorium in Worten" schließen sich den Zeitgedichten an. Bröges wird der Prophet des Friedens, der aus dem Menschen selbst wachsen foll. Die Gedichte: Feierliche Nacht und Gott " scheinen mir b schönsten und tiefften, die Bröger geschaffen. Eine tiefe Wirkung erzeugt die starke Bildlichkeit der Phantasie: Stura der Fabriten die das Buch beschließt.

Im Frühjahr 1919 erschien im Berlag der Deutschen Dichtere Gedächtnisftiftung( Hamburg - Großborstel ) ein Heft der" Boltsbüche rei" unter dem Titel: Arbeiterdichtung". Das fleine Bud ( 5eft 47 der Boltsbücherei; 80 S.; Preis 5 M.) vereinigt Gedichts von zwölf Arbeiterdichtern: Karl Bröger , Otto Wohlgemuth , Emil Rabold, Heinrich Eggerglüß, Mar Barthel, Bruno Schönlant, Christoph Wieprecht , 21 phons Behold, Oster Maria Graf, Frih Philipp, Gerrit Engelte, Heinri Lerfch. Die Gedichte sind von Frih Droop noch merflich under dem Eindruck des Krieges zufammengestellt worden, trotzdem ift bie Sammlung jedem, der sich die Arbeiterdichter zu Freunden machen will, zu empfehlen.

Allerhöchste Sittlichkeit.

Bon Gottlieb Hadepeter.

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Die Arbeitgeberzeitung" veröffentlichte neulich einen schwung vollen Artikel, in dem sie die ttt Sozialdemokratie als die größte Eine fleine Sammlung Barthels trägt den Titel: Das Herz Verbrecherin" bezeichnete, alldieweil sie das Familienleben zerstöre in erhobener Faust" und vereinigt zehn Balladen aus dem und damit alle Fundamente der Sittlichkeit untergrabe. Mit aus Gefängnis, die mit ihrem monotonen, aufpeilfchenden Rhythmus gezeichneter Hochachtung vor fich felber lafen alle befferen Leute" an die Zuchthausballaden Oskar Wildes erinnern.( Das Büchlein diesen Erguß und stellten wieder mal fest, daß nur bei ihnen echte erschien im Kiepenheuer- Verlag, Potsdam ; Preis 3 M.) Im selben deutsche Sitte und Tugend zu Hause seien. Nun heißt es zwar h Berlag erschien das hundertseitige Werk: Die Faust".( Breis dem bekannten Liede das fommt in den besten Familien vor", 14 M.) Das Buch ist wie Arbeiterseele" ein Bekenntnisbuch und aber dann forgt man eben, daß alles fein ruhig abgemacht wird, ein Zeitdokument. Es sammelt zum Teil noch frühere Gedichte, ver- denn wohin sollte es wohl führen, wenn das gemeine Boik die ihm eint aber auch viele neue Verse, die Barthel auf der alten fünftle- von Gott verliehenen hohen und höchsten Herrschaften einmal rischen Höhe zeigen. Im Campe- Berlag erschien eine Meine Samm- in höchft profanem Lichte sähe. Das dachte wohl auch jener Richter lung: affet uns die Welt gewinnen!"( Preis 3 M.), die in Potsdam , der eine Verhandlung leitete, in der die Prinzessin wunderbar zarte Töne anschlägt. Die letzte Sammlung des Dichters Joachim auf Herausgabe ihres Kindes flagte, das der Prinz Eitel erschien als zweite, vermehrte Auflage der Revolutionären Friedrich ihr vorenthalten hatte. Der Prinz behauptete nämlich, Gedichte" im Verlag der kommunistischen Jugendinternationale die Prinzessin habe, entsetzlich zu sagen, einen etwas freien Lebensa ( Preis 3 M.). Die Gedichte: Die Geiger von Slatouft"," Der Mond" wandel geführt, was er durch Aussagen des Chauffeurs und ber und Die Revolte" zählen zu den schönsten, die Barthel geschaffen. 3ofe befräftigen fönne, und habe deshalb nicht die fittliche Eignung, Seit einiger Zeit veröffentlicht Barthel in der Roten Fahne" das Kind zu erziehen. Schon erzitterten die Herzen aller Schmods Gedichte, die er hoffenlich nie in eine Sammlung aufnehmen wird. Dor Wonne über die prachtvolle Sensation, schon fuchten sie ihre Glaubt Barthel, seinem Ruf als Dichter zu dienen, wenn er einer Bleistifte, aber der Richter, ein echter deutscher Mann, schloß die Tageszeitung Reimereien in Druck gibt? Deffentlichkeit aus und rettete so die höchsten Güter des Baterlandes. Die Rechtspresse grollte zwar etwas über diese Nichtachtung ihrer heiligsten Gefühle. Mit welchem Hochgefühl hätten z. B. ble Leser des Lokal- Anzeigers" diese allerhöchste Bifantrie verschlun gen, aber die höhere Einsicht fiegte. Das Wohl des Staates über alles. Der deutsche Untertan weiß, mas er seinen Fürsten schuldig ist, auch wenn er sie in Unterhofen sieht. Ehre, wem Ehre gebührt! Ich weiß überhaupt gar nicht, warum unsere lieben Alldeutschen immer auf die treulofen und verräterifchen Mitbürger schimpfen, fle tun ihnen bitter Unrecht. Im Grunde seines Herzens liebt der deutsche Spießbürger immer noch Wilhelm und fein ganzes Haus. In stillen Stunden probiert er feine Orden IV- XV. Klasse vor dem Spiegel und freut sich über den schönen Anblick. Und dann grollt er der Republit, die feine Bürgertugenden mit Medaillen be lohnt, in der es keine richtigen Paraden und feine Kommerzienrats. titel mehr gibt, und die ihn als freien Staatsbürger anspricht, womit er doch nichts anzufangen weiß. Heimlich sehnt er sich nach den Seiten, wo er so wunderschön regiert wurde, alles wurde ohne ihn beforgt und selbst im Anpfiff des Schuhmanns spürte er noch die liebevolle Fürsorge seiner Obrigkeit. Aber er braucht nicht zu perzagen, neues Leben blüht aus den Ruinen, schon kommen die ersten Paraden wieder, das Straßenbild wird wieder belebt durch bunte Uniformen und blante Knöpfe. Die Ordenfabriken liefern in beliebiger Menge, je nach Portemonnaie und Knopflochweite. Die Geschäfte gehen gut und in den patriotischen Erbauungsstunden lauscht er den Herren Wulle und Knüppel- Kunze, die das neue teutsche Kaiserreich predigen und ihm für den nächsten Rachefrieg die Armee lieferungen versprechen. Ja, es gibt noch deutsche Männer, die für die alten Ideale kämpfen und leiden. Da wohnt in der großen Passage Unter den Linden ein waderer Mann, Fischer heißt er und malt wunderschöne Bilder, wiffen Sie, ungefähr so: Eine junge Tränen, so groß wie Taubeneier, fulfern über ihre föstlichen lila Dame in Schwarz umarmt das Bild eines Husarenleutnants und Wangen. Und darunter steht: Auch im Tode unvergessen! Und dann stehen und hängen die Bilder von Männern in Uniform, mit großen und fleinen Achselstücken, bie sehr naturgetreu gemalt sind. Aber das schönste Stück ist ein rührendes Bild, da kniet der Kaiser an einem Grabe, feine Schnurrbartspißen sehen melancholisch zum Himmel, mit der linken Hand zeigt er auf einen Kranz mit der In schrift: Ich habe es nicht gewollt!" Eie glauben nicht, wie er greifend das wirkt. Hier fann unsere Jugend den immer wieder Die Gedichtsammlung: Flamme"( Diederichs Verlag , Jena ; geforderten vaterländischen Unterricht lernen, hierher soll man fie Preis 12 M.) ist ein Buch der Zeit, vor allem in ihren ersten Ge- führen und für deutsches Wesen begeistern. Und Herrn Fischer dichten: Abkehr vom Krieg, Heimkehr und Gelöbnis, Der Aufbruch sollten unsere Deutschnationalen zum Prepagandachef machen. Dann ( schon auf Revolutionsfeiern der Arbeiterschaft vorgetragen) und wird es schon gehen.

Gerrit Engelfe hat auch schöne Terzinen geschrieben. Das sei erwähnt, damit ihn niemand zu denen zählt, die ein Neues suchen, weil ihnen die Fähigkeit zum Alten mangelt, weil ihre Gestaltungs­fraft, wenn sie nach den strengen Geboten der alten Form gebunden wäre, nicht mehr Kraft sein könnte.

In den Gedichten des jungen Gerrit Engelte redt fich proletarische Unkraft, Weltenschöpfung empor. Das Ruhig- Starte seiner Dich tung läßt den Menschen ahnen, der sich in lächelnder Betrachtung über das breite Leben erhoben, bis Verachtung, bis Neuwollen in ihm aufbrach und ihn hinabzog, bis er, ein doppelter Idealist, als Eigener und Einzelner zum Kämpfer und der Dichter zum Wild Starken wurde.

Der Rhythmus des neuen Europa " heißt das Buch, das ein Freund nach dem Tode herausgab, ohne daß der Dichter die legte Feile anlegen" fonnte.( Das Buch erschien in Diederichs Ber­fag, Jena . Preis zirka 8 M.)

Der Arbeiterschaft, gerade der sozialdemokratischen, und vor allem der Arbeiterjugend, ist Karl Bröger fein Fremder. Die Sehnsucht, die im Herzen des Proletarierfindes feimte, wuchs auf zum starten Glauben an den Menschen im Herzen des gereisten Mannes, in der Seele des Dichters. Der Sozialismus Brögers ist Religion.

Die Gedichtsammlung: Die vierzehn Nothelfer"( Franz Hender- Verlag, Zehlendorf ; zirka 7 M.) wird besonders in der katho­lischen Arbeiterschaft Anklang finden. Den Inhalt der Legenden bindet ein freier breitströmender Rhythmus.

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