Er ging.
Es war ein Brief von Walters Regiment, ein Brief, in dem man ihr schrieb, daß er tot sei, gefallen auf dem Feide der Ehre". Er habe einen Kopfschuß erhalten und ohne zu leiden sofort einen schnellen Tod gefunden, den schönsten Tod, den ein Soldat finden tann." Allen sei er lieb gewesen, und sein Andenken werde unvergessen sein.
S
Nun wußte fie es, daß den ersten Brief kein Zufall ihr zu gespielt hatte, Walter war tot.
Nun war da eine große Leere in ihrem Leben, die nie wieder gefüllt werden konnte.
Und sie dachte daran, daß sie noch kurz vorher gebetet hatte, Gott möge ihr helfen, sie wisse nicht, wie sie es Walter fagen folle. War dies die Erhörung ihres Gebets?
Sie hatte sich einen festen Kinderglauben bewahrt, und fle neigte das weiße Haupt, und ihre Lippen stammelten: Was Gott tut, das ist wahlgetan," dann begannen ihre Tränen zu fließen. ( Aus dem soeben im Vorwärts Verlag erschienenen Roman Die Frauen aus dem Alten Staden Nr. 17" von Senni Lehmann. Breis geb. 12,50 M.)
Staaten, befonders die germanischen Staaten, zerstörten einander.. Die Erde ward gewiß nicht wüst und leer, dazu war das Erbe zu reich, aber was hätte gebaut werden können im Zufammentlang jener noch reinen ursprünglichen Erscheinungen selbst! Deshalb also:
Heute fuche das Zukunftsfähige einander! Was start und echt. fich fühlt, das trachte einander zu erkennen und zu verstehen und gemeinsam zu bauen. Sonst ist alles Wirken erfolgarm und wird wieder wie vor zweitausend Jahren um das Beste betrogen. Lernen wir aus dem Schicksal von Roms Staat und Hellas Kultur und Jesus Lehre und der Barbarenvölker junger Kraft. Einigen wir heute das Hochwertige!
Welches ist dies?
Kraft des Arbeitervolles, Geschicklichkeit des Werk- und Ber maltungstechnifers, Seele des Künstlers, Lebensanschauung des Sozialismus. Ein Bau fann werden. Die Menschheit ist noch jung. Gestern hat sich erst die ganze Menschengeschichte abgespielt, und es war erst vorgefterr, daß die Menschen von den Bäumen stiegen und aufrecht gingen. Wir haben noch ein Morgen.
Baradiese werden verloren und wiedergewonnen. Es gibt Beiten des wirren Aufbruches und des zerstreuten Wegesuchens und
Die Weihnachtskerze und ihre flammende Wanderns auf verschiedenen Pfaden. Jeßt aber zufammenbauen!
Fahne.
Bon Dr. Wagner Roemmich, Hamborn .
Bor beinahe zwei Jahrtaufenden hat ein junger Galiläer in fühnen und feurigen und anregenden Worten feine Mitmenschen aufgefordert, sich zu einer weltumfassenden Gemeinschaft zu ver binden. Er wollte diese Einheit nicht von außen nach innen bauen, er organisierte nicht, er baute von innen nach außen. Ein hilfreich Seine und unbegrenzt zufammengehörigkeitsgefühl predigte er. feiner Anhänger Gedanken über Welt und Mensch wurden durch viele Länder und viele Jahrhunderte geführt. Das Neue, das Wesentliche, die Menschenliebe als Lebensstil, dies konnte sich nicht durchsetzen. Dem größten Identiften, dem innerlichsten Menschen, ward gegeben der größte äußerliche Erfolg, wie ihn nie ein organifierender Materialist errungen sein ideales Wert aber lebt nicht,
lebte nie.
-
Wer nimmt den Gedanken auf? Wer gibt ihm das organische Rückgrat? Jene, die man heute Materialisten nennt! Denn die anderen, die ein triumphierend Halleluja beten, sehen diese Aufgabe gar nicht. Unfreiwillige Spötter find fie.
Der große Gedanke der Menschenliebe war das Rind der großen Lehre seines Volkes von der Gerechtigkeit. Auch die Zeit war günftig. Roms Weltreich bestand, meisterhaft in Berwaltung und Recht und Verkehr Der große Rahmen des Weltvolfes war gebaut, er wartete geradezu auf den großen inneren verbindenden Gedanken. Aber jener Mann, der diefem Weltstaat ein lebendiges und bewußtes Weltbürgertum hätte schaffen förmen, trat felbst nicht hinaus in die große Welt, die feine Gedanken geklärt und seine Gefühle gefestigt hätte und die feiner Lehre das Wurzelland gegeben hätte. Und die Träger jenes Staates fahen fremd auf die Schwärmer. Erlösung und Verdammnis und Himmelsglaube traten in den Vordergrund der Lehre und boten ihnen nichis. Da war es geschehen um das Große, um das Niegewesene, das hätte entstehen können. Die mas terielle Römerarbeit zerfiel. Der ideale Jefusgedanke verkümmerte. Er war wie ein junger Gott, der auf die Erde herabgestiegen ( fein Göttlichkeitsmythus ist das richtige Bild), bald aber verftimmt über deren Wesen Sein Tod war ein jäher Abbruch, war feine Bollendung, war vielleicht eine Erlösung für ihn selbst. Der Künder folcher Lehre fonnte nichts gelten im engen fleinen Baterland, in diefem Palästina des Nationalismus und der Reaktion, des Klerifalismus und Muckertums. Welch reiche Farben und reife Formen hätte fein Denken und Fühlen entfaltet, wenn er durch die Hellenische Kultur noch hätte wandeln können, er mit seinem frohen offenen Wefen, das nach Seligkeit und Glüd verlangte! Wie hätte die Gewalt und Bucht seines Wortes sich gesteigert, wenn er selbst, jenem vorderasiatischen Winkel entrückt, dem Bolt des Römerreiches den verbindenden Gedanken hätte einhämmern können, er in seiner greßgeschnittenen Persönlichkeit!
Daß solch ein Mensch wie ein Fanatiker den Märtyrertod erringen mußte, das ist die schmerzensreichste Trauerhandlung der Menschengeschichte und daß man sagt, dieser allzu frühe Tod habe die Menschheit erlöft, das fann beinahe flingen wie größter Hohn zum größten Leid.
Wie ein trauriger Scherz wirkt es aber, daß später eine chriftliche und sich römisch nennende, aufs Jenseits gerichtete Kirche sich ein irdisches Weltreich neu zu bauen versuchte, und doch ist dies Reich des Papstes ein nachträgliches Aufflammen jener verpakten Möglichkeiten gewefen.
Ohne Fühlung liefen nebeneinander her die großen Erscheinungen der Menschengeschichte. Roms Staat, Jefus Lehre, Hellas Kultur, der heranstürmenden Barbaren frische Kraft störten und verkannten und widerftritten einander. Und doch war alles wie Gefchaffen, um einander zu stüßen und sich ineinander zu fügen. Erst die Hinterlassenschaften dieser großen Erscheinungen trafen einander. Aber aus Roms Erbe ist vom Nutzen römisch- deutschen Raiserreiches, römisch- päpstlicher Kirche, römischen Rechtes zu reden eine halbe Berlegenheit. Jefus Lehre ward zu Christentum und Christentümern. Heffas Schüler in abendländischer Kunst und Bhilofophie schufen keine Bolfskultur. Die von den Barbaren geschaffenen
Von der alten Gerechtigkeit zur Menschenliebe, diese aber ist hilfrelch Zusammengehörigkeitsgefühl, bildet den Gemeinwillen und führt zum Gemeinglüd. Nicht Einzelfeelen retten, fondern Gemein volt alücklich machen!
Es war einmal eine Weihnachtsferze, und sie wurde zur flam menden roten Fahne. Was könnte aus einer Kerze auch anderes werden, wenn sie leuchten will?!...
Da, wo der Hunger ist.
Moskauer Brief von R. Sipasti.
Dieser Brief, der mit geringen Rilegungen wiedergegeben wird, ist im Berliner Sowjetblatt Nowy Mir erschienen. Red. d. Heimwelt".
-
Wir fahren zurück aus Ssemejfin nach Ssamara, über Felder ohne Weg und Steq wir schwimmen in einem Ozean von Staub. Schwere schwarze Wolten Staub ziehen über die nadte Erde. Wir lassen Trupps von Flüchtenden hinter uns. Wir stolpern über Pferdekadaver, über ganze Rudel verhungerter Hunde. Schwärme von eroken Fliegen bedecken die Pferdeleichen. Es waren die Pferde der Flüchtenden. Sie famen von weit, weit her, und hier auf dem Wege nach Sibirien trepierten sie, bedecken den ganzen Weg.
Das
Die Flüchtenden reifen wie die Zigeuner, auf einem Wagen lebend und ihre Habe in Backen mit sich schleppend. Sie bringen Eicheln mit, hier eine Kostbarkeit, 15 000 Rubel das Bud. Pferd geht voran, langsamen nachdenklichen Schrittes, als wäre es betrunken, und dahinter schwanken die Menschen, ebenso langfam und fraftlos. Bleibt das Pferd stehen, stehen auch die Menschen und warten bis es weiter geht, anzutreiben wagt man es nicht!.... Und so gehen fie, gehen sie ihren endlosen Weg.
Nachts spannt man die Pferde aus und zündet ein Feuer an. Man flyt schweigend, ist unbeweglich und schweigend die ganze Nacht auf der nackten schwarzen Erde.
Beim Morgengrauen macht man sich von neuem auf den Weg. In Efamara verfauft man das nun überflüffig gewordene Pferd, verjagt die zu nichts taugenden Kinder und wandert zum Bahnhof, Wenn Gott will, erobert man einen um auf den Zug zu warten. Blah auf dem Dach oder auf dem Buffer, wenn man nur fährt. Man fragt nicht, wohin es geht, nach Turkestan , nach Mostau, nach Sibirien . Nur fort, fort! Nur nicht mehr die tahle Erde sehen, nicht mehr den Tod vor Augen haben. Wieviele so flüchten, weiß niemand; man sagt, so fluten fie ununterbrechen seit April.
-
Tiefe Gruben, gewaltige Abfallhaufen, Berne von Schmuh und und in diesem menfchlichen Erfrementen von einem Arschin Höhe- Schmuh haufen fie, haufen Menschen. Von weitem hält man sie für Kehrichthaufen, für Lumpen. Nähert man sich, so unterscheidet man menschliche Gesichter, böse scharfe Augen. Wolfen von Staub, Schwärme von Fliegen, und alles umgeben von entsehlichem Ver wefungsgeruch. Das ist der Bahnhof von Ssamara.
Menschen, Menschen, Menschen, wieviele wohl? Der ganze Bahnhof, der Plazz, der Bahnsteig, alles überschwemmt. Hier ist die Unbeweglichkeit des Hungers und des Todes.
Unser Wagen steht in der Mitte der menschlichen Masse. Mir Wir müssen tönnen nicht aussteigen, ohne auf Leiber zu treten in die Stadt. Die Liegenden protestieren nicht einmal, bewegen sich gar nicht. Betrachtet man dieses Menschenmeer, so glaubt man Tote vor fich zu haben, so abfolut fehlt jedes Lebenszeichen. Ich fannte Sfamara in früheren fatten Tagen. Das war eine starke, solide und gleichzeitig fröhliche Stadt, eine Kaufmannsstadt. Zur Zeit der Getreidezufuhr war es eine betrunkene Stadt. Jezt ist es eine Ruine. Nicht wiederzuerkennen. Leere Etraßen, halb eingestürzte Häuser, völlig zerstörte Brücken. Hier war der Bürgertrieg. Tschechoslowaken tobten in Ssamara, ehe die rote Armee sie vertrieb. Koltschaf war 30 Werft vor der Stadt, da baute man Barrikaden in den Straßen. Alles das hatte ungeheuer tiefgehende Folgen Und nun der Hunger.
Slamara ist nun eine gestorbene Stadt.
In den Straßen maffenweise Kinder, fie liegen direkt auf dem Pflaster, massenweise verhungerte Hunde, maffenweise Särge, ein