Aber der Doktor fachte: Mach feine Geschichten!" Rode erholte fich rasch. Er lag in der Stube des Wirtes zwei Stunden lang auf dem Sofa und fonnte um halb neun im Rafino beim Kuttelfled- Essen der Kegelbahn fein. Es war ihm etwas Ichwammig zumut und er flopfte öfter auf seinen Ranzen. Es ist nichts drin!" sagte er. Nach dem Unfall war ihm nämlich etwas Menschliches passiert. Die Rutteln famen. Große Schüffeln lagen voll bedeckt mit ihnen, die Sauce schwamm braun und fett darüber, es roch nach Würze und Fleisch, und den 3ß überfiel die Rührung, daß es einen Gott und eine Köchin gab, die der Menschheit, resp. ihm solche Dinge bereiteten.
Er aß. Aber es schmedie ihm nicht. Er wurde traurig und betlommen. Er fagte sich zwölfmal: Rutteified ift eine gute Gottesgabe!" Aber heimlich wünschte er fich, er läge zu Hause in seinem Bett. Als dieses Gefühl zu starf in ihm wurde, sprach er feinem Nachbar davon. Der nannte ihn einen Berräter und ging ihm mit gutem Beispiel voran. Da aß Bauch weiter, ganz gefnidt und melancholisch. Er war wirklich ein Verräter. Um fich sah er seine Freunde mit lautem Frohsinn in die Schüffeln hauen. Er trant zwei Glas Kirsch. Aber seine innerliche Schwäche stieg.
heißt, Selbstmord oder Tod durch Krankheit muß die Folge einer Sünde gegen den heiligen Geist eines Weltallrhythmus sein. Das ist gewiß der Fall bei einer Aufiehnung gegen das Gebot des Schlafens: Jolange wie möglich!"
„ Hund!" herrschte er da das frante Gefühl in seinem Innern an, gegen das er ohnmächtig war. Er wurde jähzornig, und jäh- pathischen Nervengeflechte, die überall wirfen) targemacht werden, zornig aß er weiter und es geschah, daß er glaubte, er ertränte. Die Rutteln hoben sich vom Teller hoch, wogten um ihn wie eine braune Flut. Sie spielte zu feinem Munde hin und schlug ihm an die Lippen. Er war am Erstiden.
Aber feinen Ruf hörte niemand. Man bemühte sich von allen Selten um ihn. Er lag mit dem Kopf tief hinten über die Lehne feines Stuhls. Sein Geficht war dunkelblau. Man riß seine Kleider auf und legte ihn aufs Bett des Rafino- Verwalters. Die Kutteln wurden falt. Niemand kehrte zu ihnen zurüd.
Man verfchlafe ruhig die Hälfte des Lebens, man wird die andere Hälfte doppelt genießen. Das ist ein guter Sag, der den einzigen Rachtell hat, daß er von mir ftammt. Ich füge hinzu, wer ausgeschlafen ist, arbeitet doppelt, dreifach so schnell und genießt hundertfach so intensiv. Das Glüd ist geradezu eine Frage des Ausgeschlafenfeinst Wieviel Eheglüd zerstört der beiderseitige morgendliche Müdigkeitsfater, wieviel Beleidigungen, ja Verbrechen wären vielleicht ungeschehen, wenn das Gesez des Ausschlafens höher ftinde denn alles Rafonnement! Was wollen soziale For derungen, Geld, Ehre, Pflicht fagen gegen die oberste Pflicht gegen fich felbft, gegen bas föftlichste, persönlichste und ökonomischste Gut: die Gesundheit! Unfere Gefundheit ist unser, des Staates, unserer Lieben, des Weltgedankens einziges Glüd. Nur auf ihr beruht die Tüchtigkeit und Brauchbarkeit einer Ration, nur auf ihr die Kultur im letzten Sinne. Sie ist die naturgegebene Grundbedingung aller Werte. In welcher Weise ein verkürzter Schlaf fie schädigt, fann leicht an der doppelten Beziehung des Lebensurnerven( der fymderen negartige Gespensterfingerchen für die einfache Reizbarkeit und innere Gefretionstätigkeit der Zelle bis zum Aufleuchten föniglichster Akkorde in unserer Hirnorgel die wundersamsten Klingel. züge umtaften. Im Schlafe stellen sie die wogende Klaviatur der Tagesnötigungen ab und begeben sich in die Schmiede- und Brau ftätten des mehr automatischen und negativen Lebens. Wer fie on hier verscheucht, um bewußtes Leben dem Schlafe abzulisten, tauscht Erschütterungen, Verschiebungen, Riffe im Fundament des Lebens ein. So wird allgemein die Regeneration beschädigt, na bummler sind immer blaß, und Bleichfüchtige haben ein infinitives, mentlich die Neuerzeugung des Blutes. Nachtarbeiter und Nachs. ständiges Schlafbedürfnis, weil sie sich nach der im Schlafe einge furen find höchft gefährliche Abmagerungsturen, weil alle Anbil leiteten Erneuerung des Blutes ahnend sehnen. Schlafentziehungsdung, Reubildung, aller Ersatz durch die fleinen Nachtwächter des Sympathifus verhindert wird. Darum hat der jugendlich wachsende Mensch der Vollblüte einen fo gottgefegneten Schlaf, weil die Jue gendzelt die Zeit des feurigsten Zelltausches und Neuerfazes ist, und berum braucht der Alternde weniger Schlaf, meil leider bei ihr die Meulenze feiner Bellausfaaten nicht wiederkehren, thre geheime Selbfterzeugung erfchöpft ift, und das Greifenleben dem oft herois fchen Ablauf einer wundervoll gearbeiteten Uhr( ohne Reparatur möglichkeit) gleicht.. Wir haben hier direkt forrespondierende Be meife bafür, daß der Schlaf die Zeit der Wiedergeburt des Leibes und feiner Millionen Maschinenrädchen ist wer fann hier etwas fürzen wollen zugunsten dieses nimmer ruhenden Wirbelfturmes bewußter Gedanken, die doch immer gegen den Granit der Unbe greiflichkeit anpraffen?
Zwei Aerzte behandelten den Ih. Er erwachte. Da fing er an zu weinen. Dr. Bacleffe beugte sich über ihn nieder. Er ftam melte:„ Bring mir Kutteln... Ich bin... fein Verräter... ständiges Ich will brav... essen... denn. essen... denn... hab..." Dann machte
er nur noch einmal röchelnd?„ tch..." Bauch war tot.
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Aber weiter: ein bißchen Nachlaß in der Spannkraft der fleinen Greifentlauen des Nervus sympathicus, und alle Blutgefäße büßen es an Brallheit und Elastizität: im schlappen Gummi der Gefäße aber fucht der Kalt, der leicht bröckelnde, das Leben brechende Kalk feine Ablagerungsstätten. Schlaffürzung heißt sie rufen, diese Da monen der Herzqualen und des Schlaganfalles!
Der Schlaf ist ein attiver Zustand unseres Nervenmechanismus. Er tritt ein, wenn eine Hemmung einschnappt, welche das Bewußt Jein für Seit und Raum erlöschen läßt, dafür das Ichgefühl aber zum Beispiel intatt läßt. Um alle Rervenapparate liegt ein folationsgespinst wie um jeben unserer elettrischen Drähte. Diele Hemmung garantierenden Gewebe find teils stabil, definitiv, dem Willen unerreichbar, automatisch, oder sie können wie im Reich des Bewußten mehr oder weniger unter die Herrschaft des Willens treten Im Reiche des Gehirns und Rückenmarks wird biefer folationsapparat von dem Blute her in Szene gefeßzt unter Leitung des Urnerven aller dynamischen Spannungen im Belebten, dem Nervus sympathicus. Diefer Urnero ist der eigentliche Bater des Lebens und die eigentliche, alle Gefäße, alle Organe, auch alle Hirn. ganglien versorgende oder umspannende Martoniplatte der Ber fönlichkeit. Bon ihr greift auch die Fauft des Weltallrhythmus in das Gefüge von Wachsein und Schlafen. Denn eine Starre aller Ferner: ein bißchen leberstunden der forgfamften Detailarbeiter dieser kleinen Markonibündel im Gehirn schieben die Hemmungen des Lebens( der trophischen Falern jener Nerven) in den Bert und eine verminderte Qualitätsarbeit in ein, welche genügen, um Willen und Vorstellen, Handeln und stätten des Bewußten Denten so welt zu dämpfen, daß ihre brüderlichen Mitarbeiter in allen Spinnstuben der lebenregulierenden, inneren Gefretion ist die den tiefen Aderschächten ber reparaturbedürftigen Drgangehäuse unirtung, Neurofen, Selbstvergiftungen, Buder- und Steinbildung gestört zu Worte und zum Werte fommen. Im Bewußten ist die ist die Folge. Unruhe, im Unbewußten der Ausgleich, die Pause, die Erholung. In dieser Definition des Schlafes als einer Lebensphase, eines Hemmungsvorganges zum 3wed des Ausgleiches, liegt eigentlich schon der Beweis für die ungeheure Notwendigkeit, sich dem Rhyth= mus vom Sonnengang möglichst anzupassen, das heißt, eigentlich unendlich viel mehr zu schlafen, als es der Sohn des gestohlenen Sonnenlichtes( der Elektrizität) fich zubilligen möchte. Und das nach dem allgemeinen Gesez des fettigen Berfalles der Funktionselemente aller Organe durch Mißbrauch. Mißbrauch ist es aber unter allen Umständen, seine Hirnganglien und seine Willenselemente fich gegen ein so universelles Grundgefeß, wie es der fos mische Rhythmus ift, stellen zu wollen. Wohl gestattet das Leben eine gewisse Freiheit, eine Art fynkopischer Auffehnung gegen den Taft der Welt, aber der bewußte Mißbrauch diefer Spielbreite führt zur Ausstoßung aus dem Tafte, felbständig oder gezwungen, das
*) Aus des Berfaffers Auffahsammlung Ewige AlltägIlchreiten"( E. Rowohlt, Berlin ), die wie alle feine populären Schriften glänzend geschrieben und auch da voller Anregungen sind, wo man seinem kühnen Fluge( wie bei den okkultiſtiſchen Problemen) nicht Folge leiften will und fann.
Albert Banfelow hat im Archiv des Rünftlerver eins Juna- München, bem der junge Wilhelm Busch als eifriges Mitglied angehörte, bie Aneinzeitung aufge föbert und in ihr bisher unbekannte Beiträge Buschs ermittelt.
Wenn andere flüger find als wir, Das macht uns selten nur Bläsier, Doch die Gewißheit, daß sie dümmer, Erfreut fast immer.
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