Nummer 15
Heimwelt
20. April 1922
Unterhaltungsbeilage des Vorwärts
Aufruf.
Wir wollen die neue, die beffere Zeit!
Nun wohlan!
So hebt Euch aus Reue, aus Schuld und aus Ceid, Du Weib und du Mann!
Wir wollen das Große, das Lichte der Welt! Nun wohlan!
So trennt Eure Lose vom schmutzigen Geld, Du Weib und du Mann!
Wir wollen es wissen, was Mensch ist und heißt! Nun wohlan!
So hebt von den Kissen den schlafenden Geist, Du Weib und du Mann!
Wir wollen erfassen den ewigen Schein!
Nun wohlan!
So schafft in die Gaffen den Himmel hinein, Du Weib und du Mann!
Die gelungene Heiratsstiftung.
Ostafrikanische Stizze von Oberst Dr. Nigmann. Was für uns Theater oder in jeßiger Zeit das Kino ist, das ist für den Mohren das Schauri, die öffentliche Gerichtssitzung.
Wie zur Zeit unserer Altvorderen findet im Innern Afritas der Rechtsspruch öffentlich statt. Der Bezirkschef, beraten von einem anderen Europäer und von einer Anzahl angesehener Eingeborener, entscheidet über die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wie über die geringeren Straftaten der Eingeborenen. Eine Verfügung bestimmte über die Handhabung der Eingeborenenrechtsprechung: Nächst dem gefunden Menschenverstand ist, unter weitester Berüd fichtigung der Eingeborenensitten und-gebräuche, das heimische Recht nur als Anhalt zu benüßen." Wer diese drei Faktoren in der angegebenen Reihenfolge halten ließ, vor allem die Eingeborenengebräuche fannte und berücksichtigte, dessen Rechtsprechung fand ein unbegrenztes Bertrauen. Zu solch einem Bezirkschef pilgerten dann wohl die streitenden Parteien oft viele Tagesmärsche friedlich zufammen zur Station, in dem festen Bertrauen, daß dieser ihren Rechtshandel unbedingt richtig lösen würde, und trollten dann ebenso beruhigt wieder selbander nach Hause.
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Heute wehte wiederum am Mast der Station unter der großen Reichsdienstflagge eine fleine, schräg schwarz- weiß- rot gestreifte, die Schauriflagge, ein Zeichen für die Station und die ganze Umgegend, baß Gerichtstag war. Als ich zur Schauristelle hinwandere, sehe ich schon von weitem, daß ein großes Zuschauerpublikum da ist; rings um die Schaurihalle standen, saßen und hockten die Mohren in diden Reihen, ein Zeichen, daß heute etwas Interessantes zur Verhandlung stand.
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Kapitel für sich; es ist ganz unglaublich, aber der Mohr hat überall einen„, Ndugu". Fraglos würde er auch etwa auf dem Mars unter den dortigen Wesen sofort freudestrahlend einen dugu" zu be grüßen Grund haben. Dies nur nebenbei.)
Nun waren inzwischen eine Reihe von Jahren vergangen und Johari war ein hübsches erwachsenes Mädchen geworden. Sittsam machte sie ihre Berbeugung und fing an: Bana natata Schauri" ( Herr, ich bitte um Rechtsspruch).
Ich antwortete:„ Na, was gibt's, Johari?"
Johari: Herr, deine Regierungsleute( fie meinte die Askari) haben mich damals mitgenommen."
Ich: Gewiß, Johari, sonst wärst du ja verhungert."
Johari: Kweli( Gemiß). Sieh, ich habe doch nicht Bater und Mutter, da ist doch die Regierung mein Bater."
Ich:„ Gewiß, Johari."
Johari: Ja, umb du, Herr, bist doch hier der oberste Regierungs mann und unser Babba"( Baber).
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Ich: Ja, das bin ich."
Johari:„ Herr, ich bin nun groß. Ich möchte heiraten und Rinder friegen."
Ich:„ Dieser Wunsch erscheint mir nicht unberechtigt, Johari." Johari:„ Herr, bu bist mein Babba, du mußt mich jetzt verheiraten."
Das war entschieden der Höhepunkt der Berhandlung. Einige hundert Negeraugen hingen voller Spannung an mir, was nun wohl tommen würde. Ein das Protokoll führender Leutnant schüttelte sich innerlich vor Vergnügen, weidete sich im Innern sicher an meiner Verlegenheit, wahrte aber mit Aufbietung aller Kräfte die Würde seines Amtes.
Ja," sagte ich, denn helpt dat nig. Da muß was geschehen." Und dann mendete ich mich zu meinem schwarzen Sol( eingeborener Feldwebel):
„ Sag mal, Mohamed Achmed, weißt du nicht Rat? Haben wir nicht unter unseren Astaris, oder unseren Regiernugsboten jemand, der eine Frau braucht?"
,, Herr," erwiderte Achmed, da ist der Spielmann Saidi, dessen Frau ist doch gestorben, der wird gewiß wieder heiraten wollen." „ Na, dann laß mal Saidi holen." Saidi wird geholt. Inzwischen wende ich mich wieder zur Johari: Sag mal, Johari, hast du denn auch eine Mafungo, ein Heiratsgut?"
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Mit traurigem Gefichtchen antwortet fie:
Nein, Herr, ich bin ja„ mastin ya Muungu", ein armes Kirchenmäustein."( Der Ausbruck Mastini ya Muungu" ist sehr hübsch; er heißt eigentlich ein Armer Gottes" und bedeutet, daß die ganz Armen unter Gottes besonderem Schutz stehen.)
,, Na," sagte ich ,,, da du ein Regierungskind bist, Johari, so muß die Regierung wohl was für dich tun. Da will ich dir in deren Namen eine Rifundo, eine Morgengabe, stiften. Sieh, ich schreibe hier einen Bettel für den bana Askari( weißen Unteroffizier), der die Regierungsrinderherde verwaltet.( Wir hatten auf Station eine Zunächst famen einige Erbstreitigkeiten, ein Vergleich zwischen größere Herde, aus der an ordentliche Eingeborene gelegentlich einzwei Besigern einer gemeinsamen Herde, eine Holzerei beim abend- zelne Etüde unentgeltlich zur Hebung der Viehzucht abgegeben lichen Bombetopf, ein harmloser Diebstahl, lauter Kleinigkeiten, die wurden.) Mit dem Zettel gehst du zu ihm, und dann darfst du dir schnell erledigt wurden und auch nichts besonders Interessantes aus der Herde zwei schöne Rinder aussuchen. Sie find deine Kifundo, woaren. Aber jetzt ging eine Bewegung durch die Zuschauer: es also dein Eigentum." erschien ein nettes junges Negermädchen, die Bibi Johari( Fräulein Juwel").
Selig sah die kleine Johari aus; das war ein Besik, mit dem fie faum hatte rechnen können. Mittlerweile erschien auch Herr Saidi, ein braver, netter Astari.
Johari war uns befannt. Sie war als etwa neunjähriges Kindchen von einer Asfariabteilung aufgegriffen worden, als diese zum „ Gaidi, ich möchte die Bibi Johari verheiraten. Sieh mal, fie Ordnungstiften zwischen zwei Dörfern, die sich befehdeten, entfandt ist doch ein nettes Mädel, und Mali ( Befit) hat sie auch, sie hat von worden war. Sei es, daß die Eltern der Johari bei dieser Stammes. der Regierung zwei schöne Rinder geschenkt bekommen. Willst du fehde umgekommen waren oder sonstwie, das arme fleine halbver fie heiraten?" hungerte und ganz verlassene Ding wurde von den gutherzigen Astaris mitgenommen und auf Station bei einem Ndugu"( gleich Stammesbruder) abgegeben, der sie aufzog.( Die Ndugus" sind ein
Damit war der Verspruch fertig.