Me Maifeiern.Bon Max Schütte.Als 1889 der Internationale Arbeiterkongreß In Parts beschloß,den 1. Mai zum Weltfeiertag zu machen, hörte man vielfach fragen,warum denn gerade dieser Tag dazu ausersehen sei. Auch fehltees nicht an Skeptikern, welche in der Maifeier als etwas am grünenTisch Ausgeklügeltes sahen, ihr daher keine große Wirkung undDauer versprachen. Aber diese Anschauung ist falsch. Die Maifeierist uralt, und der Pariser Beschluß, sie gewissermaßen wieder zubeleben und ihr eine neue große Bedeutung zu geben, durchaus be-rechtigt.Der Mai war von jeher der Lieblingsmonat der Völker. DasAnbrechen der schönen sonnigen Jahreszeit und ihr Sieg über dieWinterkülte machte ihn zum.Wonnemond", und kein anderer Mo-nat ist in der Poesie, namentlich auch in der Volksdichtung, so ge-feiert worden wie er. Auch unsere Vorfahren, die alten Gennanen,wußten ihn in ihrer rauhen Heimat zu schätzen und widmeten ihmeinen sinnigen Kult. In ihrer Mythologie, die ja leider unseremVolke trotz ihrer großen Schönheit viel zu wenig vertraut ist, hielteneinst der große Götter- und Menschenvater Odin oder Wuotan undseine liebliche Gemahlin Frigg im Beginn des Mai auf dem Brockenoder Blocksberg ihre Hochzeit, und in der Nacht zum 1. Mai hieltendie Götter und Göttinnen dort ihren alljährlich wiederholten Ein-zug. So war denn diese Zeit eine heilige, und die ersten zwölfTage und Nächte des Mai dienten zu Opferfesten und ähnlichenFeieni, dienten aber auch zu Versammlungen der freien Männer,denen die Wahl der Fürsten, Beschluß über Krieg und Frieden,Wehrhaftmachung der Jugend und dergleichen oblag, so daß wirdas„Maifeld" als ein Wahrzeichen des Frsiheitssinnes der altenDeutschen betrachten dürfen. Erst als nach dem Siege des Christen-tiuns dos Königtum im Bunde mit der Kirche immer mehr erstarkte,verlor es dauernd an Bedeutung. Das Christentum schritt nun mitMacht gegen die prächtigen Schöpfungen des nordisch-germanischenHeidentums ein. Da wurden die herrlichen Göttergestalten infinstere Teufel, Kobolde und Heren verwandelt, oder— was nochschlimmer war— zu christlichen Heiligen umgebildet. Auf den1. Mai wurde die Heiligsprechung der frommen Walpurgis verlegt,welche 779 als Aebtissin des Klosters Heidenheim bei Eichstätt ihreTage beschlossen hatte, und so die Walpurgisnacht geschaffen. Deralte Götterglauben, der sich an sie knüpfte, war aber durch alleVerfolgungen nichts so leicht auszurotten und gewann noch dadurchan Nahrung, daß seine Anhänger in ihr trotz aller Verbote auf demBlocksberge und anderen Kultstätten heimlich Feiern abhielten und,um die Christen abzuschrecken, sich oft unheimlicher Vcrmummungenbedienten. Goethe, der ja auch im„Faust" die Walpurgisnacht zuihrem Recht kommen läßt, stellt diese in der Dichtung„Die ersteWalpurgisnacht" trefflich dar und läßt die dem Heidentum Treu-gebliebenen zum Allvater singen:„Und raubt man uns den alten Brauch,Dein Licht, wer kann es rauben!"So erhielt sich der Zauber der Walpurgisnacht im Volks-glauben an die Hexen, die in ihr auf Ziegenböcken, Katzen, Kröten,Besenstielen oder Ofengabeln durch die Luft nach dem Blocksbergereiten, um mit dem Teufel Buhlschaft zu treiben, und zeigte sich bisin die neueste Zeit darin, daß man in vielen Gegenden, namentlichländlichen, mit Kreide drei Kreuze an die Türen malte, um denBesuch von Unholden fernzuhalten. An den alten Kult erinnern auchnoch viele Stätten im Harz, so die Teufelskanzel, der Hexenaltarund der Hexenbrunnen auf dem Brocken, der Hexentanzplatz mitdem Teufelswaschbscken und die Roßtrappe, in der man unschwerein dem Odin, dem das Pferd heilig war, geweihtes Mal erkennenkann. Die romantische Szenerie der Berg- und Felslandschaft er-höht den Reiz der zauberhaften Vorstellung. Neben den unheim-lichen, gespenstischen Zügen behielt die Feier des Maibeginns aberauch viele freundliche, heitere, die ebenfalls auf die alten Götter-feste zurückgehen. In vielen Gegenden, namentlich Deutschlandsund der skandinavischen Länder, wurde der Maikönig oder Mai-graf, meist der vornehmste Bursche des Ortes, gewählt, verbargsich Im Walde, wurde von den Genossen gesucht und mit Blumenund Maiengrün geschmückt zum Kampfe gegen den König Wintergeführt. Hatte er ihn mannhaft niedergerungen, so erkor er die lieb-liche Maibraut und führte sie zum Tanze, und ein fröhliches Gelagebildete den. Abschluß der Maifeier. Solche Bräuche stammten ausder alten Heidenzelt und hatten vielfach noch bis in unsere TageRachklänge, so im Maibrunnenfest am Rhein, im Maitanz inSchwaben und im Maireiten in Dänemark, sind freilich auch oft ImPfingfeste aufgegangen, das gleich anderen christlichen Festen nochviele Erinnerungen an das Heidentum bringt. Ebenfalls auf sehralte Zeit zurück gehen die Bauernregeln vom Wetter im Mai und'der Kult vieler Pllanzen. Daß eine der reizendsten Frühlings- 1gaben den sinnigen Namen„Maiblums" oder„Maiglöckchen" führt.ist ein schönes Zeichen für den poetischen Sinn unseres Volkes.Ueberall erkennen wir, daß die Völker dem Mai eine hohe Ver-ehrung entgegenbrachten, die„Maienwonne" schätzten und dabeiganz besonders das Friedens- und Freiheitsgefühl siegreich werdenließen. Solche Gefühle sind es denn auch, die auf den Maifeiernunserer Tage zum Ausdruck kommen und um die Arbeiter der ver-schiedenen Länder in so schwerer Zeit ein Band inniger Gemein»samkeit schließen.Noöerne Ernährungslehre.In der Deutschen Chemischen Gesellschaft zu Berlin sprach kürzlichProf. Max R u b n e r, der Berliner Phnsiologe, über Emähnmgs-fragen. Indem er eine allgemeine Ernährungslehre entwickelte, be-tonte er die besonderen Gesetze und Regeln der menschlichen Ernäh-rung bei der Auswahl und Zusammensetzung der Nahrungsmittel.Es ist jedem Tierzüchter bekannt, wie sorgfältig einzelne Tierartenihren Nahrungsbedarf nach ihrem besonderen Geschmack zusammen-suchen. Der bestimmt gerichtete Geschmack(oder Geruch) aber istArt- oder auch Rasseeigenschaft. Während es sich bei den Tierenim wesentlichen um instinktive Handlungen handelt, liegen beiMenschen die Verhältnisse verwickelter infolge des weitgehenden Ein-flusies geistiger Vorgänge.Rubner sah dabei ab von der hohen hygienischen Bedeutungvon Geschmack und Geruch. Eine geschmacklose Kost ist, auch wennsie gesundheitlich völlig unbedenklich ist, eine Unmöglichkeit für jedeDauerernährung. Im stärksten Hunger überwindet der Menschzwar alle geschmacklichen Bedenken, aber es kommt dabei doch ebennur zu ungenügender Ernährung und bei längerer Dauer zum Zu-sammenbruch der Gesundheit. Wie der Mangel an Geschmack, sokönnen auch stark hervortretende Geschmäcke ebenso hinderlich für diedauernde Ernährung sein. Geschmack als Empfindung betrachtet,ist keine sich gleichbleibende Größe, zweifellos auch nicht immer eineinfacher Reiz, sondern ein geistiger Akt. Im Verlangen nach Nah-rung ist der Geschmackseindruck am ausgeprägtesten, im Sättigungs-zustand kann er abgestumpft sein oder sich in Ekel verwandeln. Erist erworben und durch Belehrung veränderlich. Käse stößt durchseinen Geruch und Geschmack ab, aber wenn man uns gelehrt hat,er sei ein gutes Nahrungsmittel, so kommen wir über den üblenSinneseindruck hinweg. Die anerzogenen Geschmacksurteile könnenfür das ganze Leben nochhalten. Besteht eine Kost aus mehrerenNahrungsmitteln, die als getrennte Gerichte gegeben werken, sokann man wochenlang und länger eine solche Kost gsnießen; sie hörtaber auf, günstig zu sein, wenn man alle Speisen zusammenmischtund diese einheitlichen Gemenge darbietet. Unerträglich ist diegleiche Zubereitungsweise, z. B. täglich wiederkehrende Breiformen.Dieser Mangel einer richtigen Auswahl führt zur Berweigerung derNahrungsaufnahme. Neben einer Geschmacksermüdung, wie sie beigleichbleibenden Reizen eintritt, kommt hier der Ausfqll des Kauensund der Mangel an Anregung durch die Speichelabsonderung in Be-tracht. Die Zusammenhänge sind verständlich, da das Unluftgefühlan sich schon auf die Absonderung sehr vieler Verdauungssäfte im-günstig wirkt und außerdem der Ausfall des Kauens die Speichel-absonderung lahmlegt. Außerdem bedeutet der Abwechslungsdrangdie größte und wichtigste Sicherung gegen einseitige Ernährung, dieleicht zur unzureichenden Kost wird.Die Ansprüche der Geschmacksqualitäten ändern sich mit derMenge aufzunehmender Nahrung. Je größer die Nahrungsmengen,um so einfacher die Ansprüche und um so weniger spielen dieseelischen Momente eine Rolle. Je weniger der Bedarf und je mehrtie geistige Anspannung eine Rolle spielt, um so mehr sinken derAppetit und die Absonderung und um so mehr wird es nötig, durchschärfer reizende Kombinationen den„Appetit" auf der zur Erhal-tung des Körpers richtigen Höhe zu halten. Dasselbe Nahrungs-gemisch kann ohne alle tieferen Besonderheiten durch diese Einflüsse,die vom Gehirn ausgehen, bei dem einen vollwertig sein, bei demanderen minderwertig: die menschliche Ernährung findet also ihreErklärung niemals aus den Tierexpcrimenten, sondern kann nur amMenschen selbst studiert werden. Das seelische Moment spielt inso-fern eine Rolle, als durch tie Erziehung bestimmte Vorlieben undAbneigungen geweckt werten können, wie auch das Vorbild derEltern in der Nahrungswahl von ausschlaggebender Bedeutung ist.Der durch seelische Momente mehr oder minder getrübten Nah-rungswahl steht als unabweislicher Instinkt der eigentliche Hungergegenüber, der ein Organhunger ist und mit den Bedürfnissen derZellen zusammenhängt. Die Stillung des Appetits erfolgt zunächstmeist schon seelisch, indem der Hungernde, der sich an den ge-deckten Tisch setzt, ohne weiteres die vorher gefühlte Begierde nachNahrung weniger empfindet. Weiter findet eine Stillung der Be-gierde durch Füllung des Magens statt. Sobald ter Magen stark ge-füllt ist, hört der Hunger auf, obwohl die Zellen noch gar keine Nah.rung erhalten haben. Ist die Nahrung aber minderwertig, so kommtsehr bald, auch wenn der Magen noch nicht leer ist, das allgemeineHungergefühl wieder und steigert sich bei Speisen, die geringen Ge-schmackswert haben, zu einem Widerspiel der Empfindungen, indemsich Ekel an der Nahrung und allgemeines Gefühl des Nahrungs-bedarfs streitet. Jni allgemeinen sinkt, wenn man von Japan ob-sieht, der Anteil der Animalien nicht unter ein Zehntel und gehtnicht über 40 Proz. der Nahrung in die Höhe.