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Slühenöe Kastanien. i von Eduard Oppel. Zu den stattlichsten Laubbäumen zählt unsere Roßkastanie, die soeben ihre Tausende und Abertausende von Blütenkerzen ausgesetzt hat. Kein Naturfreund sollte verabsäumen, sich dieses geheimnisvolle Mysterium der blühenden Kastanie einmal näher anzuschauen. Nicht am prachtvollen Gesamtbilde des mit seinen wuchtigen Besten weit- ausladenden Baumes allein soll man seine Freude haben, die Natur will auch im kleinsten gewürdigt sein, und sie ist darin oft am allergrößten I Wer die Blüten aufmerksam betrachtet, findet zweierlei Färbung: gelb oder rot. Die gelb getupften Blüten sind die jüngere». Die gelben Saftmale reizen die Insekten, hier vor allem die Hummeln, die für ihren Liebesdienst der Pollenstaubübcrtragung den Universal- Vank der Blumen in Form von Honigseim   erhalten. In wunderbarer Weise Ist die Blüte dem Anflug der Hummeln angepaßt. Die unten stehenden Blüten sind vornehmlich weiblich, die oberen entwickeln da- gegen hauptsächlich die männlichen Organe, während in der Mitte beide Geschlechter vereinigt auf einer Blüte vorkommen, wenn auch wieder aus biologischen Gründen die Narbe und die Staubfäden zu verschiedener Zeit reis werden. Dadurch, daß die weiblichen Blüten mehr am Grunde der Rispe sitzen, haben die Früchte besseren Halt. Auf die Intimitäten der interessanten biologischen Einrichtungen der Einzelblüte wollen wir nicht näher eingehen. Die Heimat der Roßkastanie(Aesculus hippocastamim) war lange umstritten. Manche vermuteten sie in Persien  , Indien   oder im Himalaja,  - andere behaupteten, der Baum sei 1575 oder 1576 durch den Botaniker Clusius   über Konstantinopel   nach Wien   ge- kommen: wieder andere wollten wissen, daß dieser Forscher zuerst die Kastanie aus Samen gezogen habe, den er 1576 von dem kaiser  - lichen Internuntius David von Ungnad aus Konstantinopel   erhalten habe. 1565 schon soll der alte Botaniker Matthiolus   den Baum erst- mals als Lastanca equina(von lateinisch Equus= Pferd) abgebildet haben. Andere führen den Namen auf Linne zurück. Aesculus  (ober esculus von eckere= essen) hieß bei den Alten die immergrüne Speiseeiche, Linne übertrug den Namen auf die Kastanie, denn das Beiwort liippocastanum(mit dem griechischen hippos Pferd zu­sammenhängend) findet sich zuerst in der Linneschen Nomenklatur. Jedenfalls fütterten die Türken schon lange die Früchte an die Pferde, und wahrscheinlich hat dieser Brauch zu dem Namen geführt. Auch heute noch soll die Kastaniensrucht, gemahlen unter das Pferdefutter gemengt, gut gegen allerlei Krankheit sein. Die Rinde ist arzneilich und enthält Gerbstoff. In pulverisierter Form wurden die Früchte früher schon zu Kleister und statt Seise benutzt. Die Alten kannten also manche Eigenschaften der Roßkastanie schon zieenlich genau, wenn es auch noch lange dauerte, bis di? Wisien- fchaft zu einer besseren technischen Verwendung der Kastanien kam. Den medizinisch wirkenden Klebstoff hat schon vor etwa zwei Men- schenaltern ein gewisser Klose in Berlin   hergestellt(Gl'dian)! er wurde auf Heftpflastern wie so vieles gegen Rheumatismus   ge- priesen. Dem Genannten war aber auch gelungen, nach Auswässerung der Bitterstoffe aus den stärkemehlhaltigen Früchten ein für feine Bäckereien geeignetes Mehl herzustellen. Erst in den letzten Jahr- zehnten haben andere wissenschaftliche Untersuchungen dazu geführt, die Kastanien durch Gewinnung von Stärke, Zucker und Alkohol und zur Anfertigung von Heilmitteln, Pottasche, Farbstoff, Seife und kos- metischen Präparaten auszunutzen. Wenn man die chemische Zusammensetzung der Kastaniensrüchte berücksichtigt(sie enthalten in 56,8 Proz. Trockensubstanz 4,3 Proz. Eiweißstoffe, 1,6 Proz. Fett, 41,3 Proz. stickstoffreie Extraktstosse, 1 Proz. Mineralien, 2 Proz. Rohfaser, also eine Zusammensetzung ähnlich der unseres Getreides), so muß man sich wundern, daß die Noßkastanie nicht weit mehr als Viehfutter nutzbar gemacht wird. Zu den kastanienartigen Gewächsen gehören übrigens auch die Ahornbäume. Mehr aber dürste der zur engeren Familie zählende Rotholzbaum(Erythroxylon coca) der Anden Südamerikas  interessieren. Die Indianer beizen seine Blätter mit Kalk und ge- nießen sie als Kautabak. Die darin enthaltenen Alkoloide, Kokain und Hygrin, die eigentümlich berauschend auf das Nervensystem wirken, befähigen sie dann, auch schwere Arbeit mit Leichtigkeit zu verrichten. Seit der Wiener Professor Koller(1884) nachgewiesen hat, daß eine etwa zweiprozentige Lösung betäubend auf damit betupfte Hautstellen wirkt und schmerzunempsindlich macht, ist das Kokain bei Operationen, besonders bei den Augen, zu großer Be- deutung gelangt. Jetzt entfaltet die Roßkastanie, 26 bis 25 Meter hoch, ihre wun- dervollen Blütenkandelaber aus der pyramidenförmigen Blätter- kröne. Es wäre wünschenswert, daß der Baum, der keine be- sonderen Anforderunge', an die klimatischen Berhältnisse stellt, noch viel mehr bei uns angepflanzt und gepflegt würde, nicht nur seiner Schönheit, sondern auch seines Stutzens wegen. Das Srot. Bon Alfred Hein  . Iwan schlich heim. Er hatte ein halbes Pfund Brot für 20 000 Rubel kaufen können, nachdem er drei Stunden ge- wartet, zwei Stunden sich geprügelt, dabei einen Ritzer durch das Messer eines Raufenden erhalten, dann die Fensterscheiben der Verkaufsstelle zerschlagen, das Geld hingeworfen und das Brot ergriffen hatte; dann schrie es:Polizei!" er lief, lief, lief. ein Schuß zerfetzte seinen Mantel, aber er entkam. Nun war er zu Haus. Sein Weib wie schlaff die jungen Brüste ge- worden sind und wie welk die süßen Blütenkelche der Hände schrak vom Strohlager auf. Ein ausgeplünderter Lager- boden die Wohnung. Durch Dachluken blinzelte fahl der reg- nerische Tag.Nun wird die Erde weich für Maruscha, mein Kleines, mem Letztes..." nickte die Frau; etwas ewig Stump- fes lag über ihrem Gesicht. Iwans Hände machten eine tröstende Geberde, die eine hielt das Brot--- da schnappte die schmale knöcherne Hand der jungen Frau danach, die Finger gruben sich wonnig tief in das knitschige Mehl und lechzend biß der grämige Mund hinein. Sie und schlang, schlang und. Wie in einem Kindesantlitz träumte auf dem ihrigen das Wohlgefühl des einen riesigen Appetit(hier aber war es Hunger) stillenden Schmausens. Iwan sah lächelnd zu. Sie ward wieder schön. Dann wurde das Gesicht bange und trüb: Das Brot ward viel zu schnell kleiner und kleiner. Daß aber gar Iwan ein Stückchen nötig hätte, der Gedanke kam ihr nicht. Nun saß sie, die Hände wohlig vor dem Bauch gefaltet, den letzten Bissen recht oft im Munde wälzend, mit Zunge und Gaumen behaglich schmatzend. Und ihre braunen Augen leuch- teten.... Iwan schaute mit großem, gutem Blick auf die Immer-schöncr-Werdende. Abendsonne bricht durch das Grau des Regenhimmels. Und Gold fällt auf feines Weibes Blond. Da war's wie einst im Palais des Nikolai-Prospekts. Er sah nur diesen Frauenkopf, umgoldet wie früher die Lumpen am Leib der Frau verhauchten in der Dämmerung. So still glänzte es auch im Zimmer von ihrem Haar, wenn er aus dem Bureau heimkam. So friedselig... Iwans Magen krampfte sich zusammen, aber sein Herz war weit.Ganz fort ist das Glück nicht", flüsterte er.Iwan, ich habe dir nichts übrig ge- lassen?!" erinnerte sich die Frau plötzlich und ward rot vor Scham.  Du bist so schön..." Requiem. In der Wohnung des k. k. Kommerkompofiteurs Wolf- gang Amadeus Mozart in Wien   erschien eines Tages im Jahre 1791 ein grau gekleideter Mann und erteilte mit ge- heimnisvoll wispernder Grabesstimme dem Meister den Auf- trag, eine Seelenmesse zu komponieren; Er solle sich jedoch keine Mühe geben, den Namen des Auftroggebers zu erfahren. Dieser werde das Geheimnis seines Namens niemals ent- schleiern. Heute wissen wir, daß der Besteller guten Grund hatte. sich im Dunkel zu bergen. Es war ein Graf Walfegg, der das Werk zur Totenfeier für feine Gemahlin als feine eigene Komposition aufführen lassen wollte, und der mysttsche Bote entpuppte sich unter dem Mikroskop der späteren Forschung als seiner gräflichen Gna- den würdiger Kammerdiener. Dem Meister Wolfgang, dessen Geist damals bereits ganz und gar in jenseitigen Welten weilte, erschien der geheimnis- volle Fremde aber als Sendbote des Todesengels: aus himm- tischen Sphären kam ihm die Weisung, sich selbst die Toten- messe zu schreiben, auf daß er würdig sei, vor das Angesicht Gottes zu treten. Mehr und mehr wird seine Seele erfüllt von dem Todesgedanken.Das Requiem schreibe ich für mich," äußert er auf einem Spaziergange zu seiner Gattin. Hat die deutsche Tonkunst nicht am Ende die Pflicht, jenem gräflichen Fant ob seiner kindischen Eitelkeit dankbar zu fein? Hätte der Meister die Sehnsucht des gläubigen Menschen der sich seiner Unvollkommenheit bewußt ist, nach Erlösung durch die göttliche Gnade je in Klängen von solcher Inbrunst eingefangen, wenn ihm dabei der Tod der gewiß höchst ehren- wehrten, zu ihren Ahnen versammelten Gräfin Walfegg vor» geschwebt hätte? So müssen die Kleinen im Geiste meistens sehr wider ihren Willen dem Genie als Mittel dienen, um seine Sen- dung zu vollenden. Heinz Michaelis.