Auf ähnliche Weise ist wohl auch der höchst interessante periodische Wechsel der Haarfarbe zu erklären, den man in freilich recht jeltenen Fällen unter nervösen Einflüssen zu beobachten Gelegenheit hatte. So wurde 3. B. bei einem schwachsinnigen Mädchen, bei dem Zeiten der Erregung und der Ruhe abzuwechseln pflegten, regelmäßig festgestellt, daß in ersteren Perioden das Kopfhaar heller, in letzteren dunkler, in ersteren gelbblond, in letteren goldrötlich erschienen. Bei einem Geistestranten sah man jedesmal vor Eintritt schwerer Erregungszustände, bei einem anderen Patienten vor jedem Anfall eines heftigen Nervenschmerzes eine bestimmte Haar strähne ergrauen und einige Tage nachher die Verfärbung wieder verschwinden!
Neues vom jungen Goethe.
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die franzöfifche Königin Marie Antoinette wäre in der Nacht vor ihrer Hinrichtung völlig ergraut; tatsächlich war sie schon vordem grau gewesen! Immerhin liegen doch auch einzelne einwandfreie Ein überaus wertvoller Beitrag zur Kenntnis des jungen Goethe Beobachtungen eines ziemlich plötzlichen Ergrauens vor, das also wird uns in den acht unbekannten Briefen und einem unveröffentohne einen Haarwechsel, mithin ohne einen Ersatz des farbstofflichten Gedicht dargeboten, die Paul Zimmermann in seiner Schrift haltigen Haares durch ein farbstofffreies zustande gekommen sein" Boethes Briefe an E. Th. Langer" mitteilt. Bisher war mußte. Da man sich nur schwer vorzustellen vermag, wie aus dem nur ein einziges Zeugnis dafür bekannt, daß der spätere Wolfen. farbigen Haar sein natürlicher Farbstoff plötzlich verschwinden foll, bütteler Bibliothekar und Freund Leffings Ernst Theod. Langer zu so muß in solchen Fällen das Ergrauen offenbar auf andere Weise Goethe während seiner Leipziger Studentenzeit in naher Beziehung entstehen. Man nimmt an, daß unter dem starken seelischen Eindruck gestanden hat. Der Dichter selbst erwähnt in Dichtung und Wahrdas Haar eine Art Ernährungsstörung erleidet; die Elemente, aus heit" den starken religiösen Einfluß, den er auf ihn gehabt. denen es sich zusammensett, trodnen ziemlich plötzlich ein und Langer war der Nachfolger Behrischs, des intimisten Freundes schrumpfen, es bilden sich zwischen ihnen Lücken, in welche atmo- von Goethe in Leipzig , in der Hofmeisterstelle bei dem Grafen sphärische Luft eindringt; ein solches, reichlich mit Luftbläschen ange- Lindenau . Goethe trat ihm in der späteren Leipziger Zeit, als er fülltes Haar sieht aber auch grau refp. weiß aus. von der schweren Krankheit ergriffen wurde, sehr nahe, und an Langer ist der erste nachweisbare Brief gerichtet, den Goethe nach seiner Rückkehr nach Frankfurt schrieb. In diesem Schreiben vom 8. September 1768 blidt er auf seine Liebe zu Käthchen Schönkopf mit folgenden Worten zurück: Meine Herzensangelegenheiten! Was die für eine Tour genommen? Wenn ich es selbst wüßte, so wollte ich es Ihnen fagen; aber ich begreife mich selbst nicht. So falt ruhig, wie man nur am Morgen beim Erwachen nach einer wohldurchschlafenen Nacht sein kann, ist jego meine Seele, still, ohne Verlangen, ohne Schmerz, ohne Freude und ohne Erinnerung. Seht, Langer, ich erinnere mich Eurer nicht mehr, als man sich eines Menschen er innert, den man zum ersten und letzten Male im Konzert oder beim Souper gesehen hat. Ich weiß, daß ich Euch liebe, und doch kann ich es nicht fühlen, ich muß mir es erst fagen. Und so geht mir's mit allem. Meine Liebe, diefe unglückliche Leidenschaft, die mich zu piel, zu viel gekostet hat, als daß ich sie je vergessen sollte, ist ver scharrt, tief in mein Gedächtnis begraben, talte 3erstreuung drüber geworfen, ich denke manchmal daran, ganz gleichgültig. Ein Glück für meine Situation, und Lieber, ich fürchte, es wird nicht lange dauern, die zerstreuung wird menfliegen, und es wird ganz vor mir offen stehen, das Grab meiner Liebe. Meine Einbildungskraft wird mit meinem Blute leber dig werden, und ich werde sein, was ich lange voraussah, mitten im Genusse, der mich mit paradiesisch beladenen 3weigen umaibt, ein Tantalus ." In dem folgenden französisch geschriebenen Brief spricht er dann von den vielen dichterischer Arbeiten, mit denen er sich zu zerstreuen und zu trösten suchte, und er wähnt auch seine Beziehung zu dem frommen Kreis der„ Brüder", dessen Mittelpunkt Fräulein von Klettenburg bildete.
Buleht ist auch noch allen Ernstes die Frage aufgeworfen wor den, ob nicht vielleicht auch die Form des Kopfhaares in einer ge wissen Beziehung zu dem Gesamtzustand des Nervensystems, wie er in dem jeweiligen Temperament des Menschen zum Ausbruck tommt, ſtehe. Es gibt bekanntlich Menschenraffen mit ausschließlich ledigem, andere mit ausschließlich straffem Kopfhaar. In der Tat haben nun z. B. die durchschnittlich lebhaft veranlagten Negerrassen äußerst frause Haare; Indianer und Chinesen, Völker mit straffem Haarwuchs, hingegen, besigen ein mehr ernsthaftes, oft melancholisches Temperament Auch unter den Europäern fann auf die häufig gelockthaarigen Südländer mit ihrem feurigen Tempe rament, andererseits auf die schlichthaarigen Slawen mit dem vor wiegend melancholischen Grundzug ihres Wesens hingewiesen wer den. Vielleicht trifft auch hier der Boltsmund instinktiv das Richtige, wenn er sagt: Krause Haare, frauser Sinn!
Das Orakel zu Delphi.
Die Schulweisheit von heute tischt der Jugend immer noch alte aufgewärmte Ammenmärchen auf. Dahin gehört auch die Wundermär von dem im Altertum hochangesehenen Orakel zu Delphi, mofelbft der Offenbarungsgott Apello durch Priestermund weisfagte. Allgemein befannt sind die doppelsinnigen Wahrsprüche, weniger bekannt die Geschäftstüchtigkeit des heiligen Priesterkollegiums, das überall seine Agenten hatte, die den Gott über politische Konftellationen und jeweilige größere Unternet, mungen der Griechenstaaten sowie des Auslandes ständig informierten.
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Man sieht mich ven seiten der Brüder als einen Menschen an, der einen guten Willen und einige Rührung hat, der aber noch zu fehr durch die Anfänglichkeit an die Welt zerflottert ist. und man betrügt sich nicht," schreibt er am 24. November 1768. Ich bin Ihnen viel schuldig, Longer. Gemiß, ich weiß, was in mir Ihre Bredigt gewirkt hat. Liebe und Kondescendenz gegen die Religion, Freund fchaft gegen das Evangelium, heiligere Berchrung gegen das Wort. Benua , alles, was Sie tun fonnten. Freilich bin ich mit allem dem fein Christ, aber ist das die Sache eines Menschen, mich dazu zu Mein feuriger Kopf, mein Wih, machen? Ich hoffe das Beſte. meine Bemühung und ziemlich bearündete Hoffnuno. mit der Zelt ein quter Autor zu werden, sind jetzt daß ich aufrichtig rede- die Das Drakel erfreute sich e'nes regen Zuspruches sowohl von wichtigsten Hindernisse an meiner gänzlichen Sinnesänderung und privater wie von staatlicher Seite. Bor jeder wichtigen Aktion wurde des eigentlichen Ernsts, die Winte der Gnade begieriger aufzuder Gott zu Delphi befragt, besonders wenn es sich darum handelte, nehmen." Nach der schweren Krankheit, die ihn gegen Ende des die Massen durch ein Gott will es" zu gewinnen oder zu begeistern. Jahres ergriff, wandte fich Geethe dann immer eifriger dem ChristenDafür erhielt der Gott, d. h. das Priesterfollegium, zahlreiche Gaben, tum zu und berichtet darüber dem Freund, der zuerst das Religiöse fofort nach erfolgtem Weissagungsspruch, wie besonders dann, wenn in ihm weckie:„ Mich hat der Heiland endlich erhascht, ich lief ihm das Unternehmen von Erfolg gefrönt war. Gelang aber das zu lang und zu geschwind, da friegt er mich an den Haaren. Ihnen Unternehmen nicht, dann hatten die Befrager den Spruch falsch jagt er geiß auch nach, und ich mill's erleben, daß er Sie einholt, verstanden, ihn sich falsch ausgelegt. Im Verlauf der Jahre wander- für die Art möchte ich nicht gut fagen. Ich bin manchmal hübsch ten ganz unermeßliche Schäße von allen Seiten nach dem Heiligtum, ruhig darüber, manchmal, wenn ich stille, ganz stille bin und alles und fast jeder Stadtftaat hatte dort seinen eigenen Tempel, der mit Gute fühle, was aus der ewigen Quelle auf mich geflossen ist". Eine Gold- und Silberbarren und schwerwiegenden Weihegeschenken mehr überaus wichtige Stelle über Goethes schon damals ganz selbständige oder weniger angefüllt war. Ja, das Drafel wurde geradezu eine Kunstanschauung findet sich in dem Bericht über feine Mannheimer Art Nationalbant der Griechen. Den Börsenkurs bestimmten Reise, den er in einem französisch geschriebenen Briefe vom 30. Nozwei Städte: Babylon und Delphi. Zum Schutz der Edelmetall- vember 1769 gibt. Er schildert den gewaltigen Eindruck, den die vorräte wurde der ganze Tempelbezirk für heilig und unverletzlich Laokoon- Gruppe auf ihn gemacht habe und stellt sich im Gegensatz zu erklärt, zahlreiche Wächter hüteten ihn, wer ihn unbefugterweise be- berühmten Kritifern, wie Leffing, Herber, Klok. Schon hier taucht die trat, wurde auf der Stelle getötet. Ein solcher Reichtum an Gold Sehnsucht nach Rom auf. Sein Leipziger Liederbuch übersendet er und Goldeswert hatte sich zu Delphi angehäuft, daß der Gott " sogar dem Freunde mit folgenden Worten: Hier sind denn meine Lieder. daran ging, hohe Summen zu einem beträchtlichen Prozentsatz aus Ihre Liebe zu mir soll sie Ihnen schäßbarer machen, als sie an fich zuleihen, wie z. B. bei Kriegsunternehmungen und dergleichen mehr. nicht sind, hoffe ich. Die Geschichte meines Herzens in fleinen Ge Religion" und Krieg waren ein eng verbundenes Geschäft, Schwäche mälden! Wenn je Gedichte nicht unter Batteur' Grundsatz und Leichtgläubigkeit die beste Geldquelle dafür. gegangen find, so sind's diese, nicht ein Strich Nachahmung, alles Natur. Und darum werden sie mir und meiner. Freunden ewige Denkmale meiner Jugend sein." Aus Straßburg schreibt er dann am 29. April 1770 über sein ruhiges Herz, das durch die Liebe zu Friederite noch nicht neuen Stürmen ausgefekt war und über sein Interesse an der Kunst, wobei der Ruf erklingt:„ Nach Italien , Langer! Nach Italien ! Nur nicht übers Jahr. Das ist mir zu früh; ich habe die Kenntnisse nech nicht, die ich brauche, es fehlt mir noch viel. Paris foll meine Schule sein, Rom meine Universität. Denn es ist eine wahre Universität; und wenn man's gesehen hat, hat man alles gefehen. Darum eil ich nicht hinein." Und fiber feine Studien: Was ist studiere? Buerst die Distinktionen und Subtilitäten, wodurch man Recht und Unrecht einander ziemlich ähnlich macht. Das heißt, ich studiere auf einen Doktor der Rechte. Und dann such ich unter der Hand mir eine kleine literarische Kenntnis der großen Bücher zu verschaffen, die der gelehrte Böbel teils bewundert, teils verlacht, und beide, weil er sie nicht versteht."
Aber mit zunehmender Aufklärung war auch das Griechenvolf nicht mehr so fromm und gottesfürchtig" wie ehedem, so daß es seine heilige Schen vor dem Tempelbezirk eines Tages abwarf. Das Nachbarvölfchen der Phofer stürmte das Heiligtum und plünderte die Schaghäuser gründlich aus. Infolge dieses Tempelraubes" fo mehrlagt ein religiös empfindender Geschichtsschreiber wurde Griechenland so von Edelmetall angefüllt, daß der Wert desselben bedeutend fant und der Lurus fich steigerte! Mit den geplünderten Schätzen warben die Phoker Söldner an und führten gegen fast ganz Griechenland die sogenannten heiligen Kriege, rund 10 Jahre lang! ( 355-346.)
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3war genoß das Heiligtum zu Delphi noch bis in spätere Zeiten ein gemisses Ansehen, aber der alte Glorienschein war mit dem Verschwinden der Schätze ziemlich dahin. Mit dem Hinscheiden des Heidentums erlosch der wundertëtige Ort, und Theodofius der Große Schloß 390 n. Chr. für immer feine Pforten.
Dr. M.