beurteilen als die des Ingenieurs, die fich zum größten Teile unterAusschluß der Oeffentlichkeit vollzieht und nur ihre Ergebnisse derstaunenden Menge darbietet.Alles technische Schaffen beruht auf Anschauung. Es fordertvom Ingenieur die Fähigkeit, plastisch denken zu können. Raum-und Formvorstellung müssen ihm gleichsam angeboren sein. Darüberhinaus soll er in allen Zweigen der Technik bewandert sein. Mathe-matik und Mechanik sind sein tägliches Rüstzeug. Er soll die Wärme-theorte, das Verhalten der Gass und Dämpfe und die kinematischenVorgänge kennen. Er soll auf dem Gebiet der Hydraulik so gutbewandert sein wie auf dem der Elektrotechnik. Selbstverständlichstellt auch hier die Praxis Spezialaufgabsn, so daß nur ein kleinerTeil aller Kenntnis jeweils benötigt wird. Die Konstruktionen desIngenieurs sollen so einfach wie nur irgend möglich sein und dabeidennoch den höchstmöglichen Lcistungsgrad erreichen.„In der Be-schränkung erst zeigt sich der Rteister." Dieser Satz gilt ganz be-sonders für den Ingenieur. Oft hat er bei seinen Arbeiten diewidersprechendsten Forderungen zu erfüllen. Das verlangt eineungeheure Denkarbeit. Es ist ganz falsch zu glauben, daß die Kon-struktionen, die in stillem Schaffen erdacht, durchrechnet und schließlichiiezeichnet wurden, nun auch mit dem ersten Hieb den an sie ge-tellten Anforderungen und den in sie gesetzten Hoffnungen ent-prechen. Der praktische Versuch gibt die Quittung darüber, obrichtig gedacht und richtig gerechnet wurde, er läßt auch erkennen,wo bessernde Hand anzulegen ist. Hier mischt sich die Wissenschaftmit der Erfahrung.Wie sich die technische Arbeit vollzieht, möge nun an einemganz einfachen Beispiel erläutert werden: Ein Schlosserlehrling, dermit großem Interesse bei der Sache war, wurde vom Schöpferwillenergriffen und er beschloß, sich ein Paar Rollschuhe zu bauen. Ueber-oll, wo er Rollschuhe sah, stahl er mit den Augen, soviel er konnte.Eines Tages macht« er sich daran, eine Zeichnung anzufertigen.Rein gefühlsmäßig— die Geheimnisse der Festigkeitslehre warenihm noch nicht geläufig— zeichnete er feine Rollschuhe so, wie esihm zweckmäßig erschien, machte Einzclzeichnungen für jedes Teilmit genauen Maßangaben, wie er es in der Werkstatt gesehen hatte.Und dann begann eine Zeit des heimlichen Bauens. Denn es standihm die Werkstatt mit all ihren Einrichtungen nicht offiziell zurVerfügung. Cr wurde also zum Verbrecher an der geheiligtenFabritdisziplin. Jede Minute, die er irgendwie verwenden konnte,war seinem heimlichen Wert gewidmet. Groß« Mühe verursachtebe Materialbesriiaffung. Nach und nach wurden die Teile fertig.Das Oberteil, auf den, der Fuß ruhen sollte, bestand aus einfachen!Blech. Gummipuffer, die zur Lenkbarkeit nötig waren und die ge-borig« Federung bewirkten, wurden aus einzelnen Scheiben des zumAbdichten verwendeten Gummis hergestellt. Da ihm keine Kugel-lager zur Verfügung standen, war er bestrebt, die Reibung durchbesondere Konstruktion der Räder zu vermindern, kurz jeder einzelneTeil wurde unter Berücksichtigung der vorhandenen Mittel sorgfältigdurchdacht. Und dann kam der große Tag, an dem die erste Probe-fahrt gewagt werden konnte. Eine abgelegene Asphaltstraße wardie Fahrbahn. Zunächst klappt? die Sache auch. Er bewegte sichleicht auf dem glatten Pflaster vorwärts, es ließen sich Kurvenfahren, kurz alles schien wunschgemäß gelungen zu sein. Nach demAbschnallen der Rollschuh« aber zeigte es sich, daß sie infolge derBelastung in der Mitte durchgebogen waren, auch hatte es den An-schein, als ob sie zuletzt nicht mehr so leicht gerollt wären wie amAnfang. Nun begann eine Zeit des Besserns. Die Fußblech«wurden versteift, die Gummipuffer durch Vollgummi, der nachlangem Suchen gefunden war, ersetzt. Dann kamen wieder Probe-fahrten. Die Äiche ging schon wesentlich besser und nun wollteer den Angehörigen seine Arbeit vorführen. Man ging also zur„Rennbahn". Siegesgewiß schnallte er seine Rollschuhe an undfuhr stolz davon, um schon noch wenigen Minuten auf der Nase zuliegen: ein Rad hatte sich gelöst. Die Befestigung der Räder war,wie sich nun herausstellte, völlig unzulänglich. Die sein erdachtereibungsvermindernde Konstruktion war die Ursache. Aber derJunge war zähe. Er spart«, bis er sich Kugellager beschaffen konnte,und nun bestanden die Rollschuhe ihre Prüfung in langen Dauer-fahrten nach jeder Richtung.Bei der Herstellung van Apparaten und Maschinen für denMarkt wird in ganz ähnlicher Weise verfahren. Hier wird jedochnach allen Regeln der Wissenschaft die Festigkeit der Teile vorherberechnet. Trotzdem können sich bei besonderen Konstruktionen dieBerechnungen als unzulänglich erweisen. Aehnlich wie dem simplenRollschuh erging es in neuester Zeit einem Transportwagen, der zurBeförderung äußerst schwerer Maschinenteile konstruiert war. Trotzder sorgfältigsten Berechnung und trotz der scharfen Abnahmeprüfungdurch Koriphäen der Jngenieurwissensckaften vermochte der Wagenden ihm zugedachten Lasten nicht zu widerstehen und er bog sich inder Mitte durch. Es gibt aber auch Teile, die jeder Berechnungspotten, z. B. die sehr komplizierten Zylinderhaubcn der Diesel-motoren. Hier kann auch nur der Versuch endgültige Auskunftgeben. Die Materialfrage ist eine äußerst wichtige Angelegenheit.Von der richtigen Beschaffenheit des Materials hängt sehr viel fürden Erfolg ab. Wenn schließlich die erste Maschine eines neuenTyps auf dem Prüffeld läuft, dann beginnt die Zeit des Probierensund Verbesserns, die Nerven und Ausdauer erfordert. So Hot derErfinder des Dieselmotors mit einem Stabe tüchtiger Fachleute fünfJahr« lang geprüft und verbessert, ehe die Maschine den Anforde-rungen entsprach. Und wenn solch eine Molchine auf dem Probier-stand endlich das leistet, was sie leisten soll, ist die Arbeit noch langenicht beendet. Die moderne Industrie ist auf Massenproduktion ein-gestellt und verlangt daher, daß die einzelnen Teile so geformt find,daß fie auch in Massen erzeugt werden können. Die Teile müssenfür werkstattmäßige Bearbeitung geeignet sein. Sie sollen den ge-ringsten Kostenauswand verursachen. Das Moment der Wirtschaft-lichkeit darf bei der ganzen Arbeit keinen Augenblick neben den reintechnischen Fragen vernachlässigt werden. Da gibt es denn nochmanche Aenderung. Gußteile müssen andere Formen bekommen,bei einigen Teilen erweist sich das benutzte Material für die Massen-fabrikat'ion als ungeeignet. Solche und andere Mängel müssen be-seitigt werden, ehe sich die Herstellung einer neuen marktfähigenMaschine gewissermaßen„von selbst" vollzieht.Damit dürfte auch der Unterschied zwischen der rein Handwerks-mäßigen Herstellung der Rollschuhe durch unseren Lehrling und derErzeugung hochwertiger Maschinen für den Markt klar gewordensein. Vom genialen Gedanken bis zum fertigen Werk ist ein weiter,unendlich mühevoller Weg und wer ihn geht, muß sich von vorn-herein darüber klar sein, daß seine Leistung in der kapitalistischenWirtschaft als etwas Selbstverständliches hingenommen wird, für dieman ihn einfach bezahlt, und daß er, genau so wie eine alt« Ma-schine,„ins alte Eisen" wandert, wenn seine geistige Spannkraftnachgelassen hat._was öie wüste kekrt.Don Sir Francis Pounghusban d*)Auf dem Rücken meines Kamels sitzend oder ein Stück Wegsabseits von meiner klein. m Karawane gehend, beobachtete ich tag«lich die Sonnenuntergänge in ihrer stets wechselnden Pracht. Nichtein Sonnenuntergang war wie der andere. Jeder hatte sein- eigeneSchöntjeit, entweder durch die stärkere Wirkung einer besonderenFarbenichottierung oder durch ein: ungewöhnliche Farbcnzusammen-stellung. Ich beobachtete jede einzelne Farbe, wie sie bis zu ihrerhöchsten Stärke wuchs und dann vor der Schönheit der Nacht ver-blaßte. War der Tag vorbei, so enthüllte die Nacht jenes' höhere,weitergreifende L?ben, das vom Tageslicht gemeinhin verborg«»wird.Dann verblaßte mählich die Glut des Sonnenuntergangs. Sternum Stern erschien, bis das ganze Himmelsgnvölbe voll diamantnerLichtpunkte glitzerte, lieber mir und rund um mich her erglänztendie Sterne am saphirblouen Himmel in einem Feuer, das nur über-troffen wird von den Sternen der einsamen Höhen des Himalaja.Tief- Ruhe herrscht über dem Ganzen— eine tiefere Ruhe als selbstdas Schweigen in den Bergen, denn dort läßt sich oft das Krachendes Eises vernehmen. Hier aber in der Wüste ist die Still« so tief,daß nach einem Marsch von vielen Wochen wir auf einem Platzemit Gras und Bäumen das Gezwitscher der Vögel und das Ge-summe der Jnsek'en wie der brausende Länn einer Straße Londons ertönte.In dieser ungestörten Stille, wo das Auge frei in jede Richtungschweifen und das Bild festhalten kann, durch wochenlanqe Streckenvon jeder menschlichen Niederlassung getrennt, hatte ich oft dieEmpfindung, als sei ich mehr mit d-m Sternenhimmel verbundenals mit dieser Erde. Dos Körperliche, Materielle schien auf ganzmerkwürdig? Art zurückgedrängt, und ich war im Geist unter denSternen. Sie dienten uns als Führer in der Wüste und ich wurd«allmählich aanz vertraut mit ihnen. Ich fühlte mich nicht wenigerals einen Teil der Sternenwelt denn als dieler Erde. Das Gefühl,an die Erde gef-sselt zu sein, war ganz geschwunden. Ich nahmmeinen Platz im großen Weltall ein. Mein Heim war der gesamt«große Kosmos vor mir. Der Kosmos, nicht die Erde war dasGanze, zu dem ich gehörte.In dieser ungestörten Stille, in der glänzenden G:meinschaftmit dem Himmel schien mein Geist stärkerer und kühnerer Regungenfähig zu werden. Fessellos erhob er sich gerad?auf zum Zenit inunendliche Höhe. Er bahnte sich seinen Weg in der ganzen Runde,in all« Richtungen, in alle Fernen. Ich wußte, daß man die Höh:und Entfernung der höchsten und fernsten Sterne gemessen hat.Ich wußte, daß die gemessene Meilenzahl so ri-sig ist, daß sie alleBegriff« übersteigt. Ich wußte auch, daß die Zahl der Sterne,neben jenen paar Tausenden, die ich sah, nach Hunderten von Mil-lionen zu zählen ist. Dos alles versetzt« in Erstaunen, und dieKenntnis davon erfüllte mich mit Bewunderung vor dZr Unend-•lichkeit des Universums der Sterne. Aber nicht nur die Größedieser Welt machte Eindruck auf mich. Was mich tief bewegte,war die fühlbare Gegenwart eines mächtigen, alles durchdringendenEinflusses, der den Lauf der Himmelskörper ordnete und jedeseinzelne Teilchen durchdrang.Wir können nicht Tag für Tag die Sonne bei ihrem Unter-gang betrachten und nach ihr die Sterne auftauchen, in den Merl»dian sich erheben und in regelmäßiger Aufeinanderfolge am«nt,aegengesetzten Horizont verschwinden sehen, ohne von der dob«iherrschend?» Ordnung einen tiefen Eindruck zu erholten. Wirfühlen, daß das Ganz« einer bis ins kleinste genauen Ordnungunterworfen und nicht etwa Chaos und Zufall ist. Tief drängtsich uns das Gefühl auf von der Gegenwart einer Kraft, die da»Ganze erhält, stützt und leitet. Und durch diese Kraft, die so fest, s»ruhig und so beständig Ist, fühlen auch wir uns beruhigt und ge-festigt. Die Sorgm und Leiden des täglichen Lebens sind zumSchweigen gebracht.*) Mit Erlaubnis des Verlags Brockhaus entnehmen wir di«Textprobe dem soeben erschienenen Werk„Das Herz derNatur" von Sir Francis Pounghusband.