fuhrt, fließt der See doch nicht über. Wahrscheinlich nimmt derUeberfluß des zufließenden Wrissers seinen Weg durch seitliche, anden Böschungen des Scebeckens vorhandene Spalten.Auch die Eigenarten des Bauerngrabens sind aus dem Gesteinzu erklären, in dem er liegt. Der Gips zeigt ebenfalls Karst»erscheinungen. Das den Gips durchdringend« Wasser löst ihn zumTeil auf und führt ihn weg. Die dadurch entstehenden größerenund kleineren Hohlräume erweitern sich immer mehr und fallenschließlich in sich zusammen. An der Oberfläche macht sich dannein solcher Einsturz als Erdfall bemerkbar. Die Erdsälle sind auchim Gipsgebiet äußerst häufig. Sie haben trichterförmige Gestaltund sind entweder trocken oder von Wasser erfüllt. Auch das See-decken und der Trichter des Bauerngrabens sind solche Erdsälle.Werden nun durch Einstürze im Innern des Gebirges die Abzugs»kanäle des Bauerngrabens verstopft, dann staut sich das Wasserzu einem See auf. Gelingt es den stetig arbeitenden Wassern, sichneu« Durchlaßöfsnungen zu nagen, so können sie wieder abfließenund durch Klüfte und Höhlungen zur tiefer gelegenen Goldenen Au«vordringen, um hier als Quelle erneut ans Tageslicht zu kommen.Im Frühjahr 1921 war der Bauerngrabcn noch von Wasser erfüllt,im Sommer lag er jedoch völlig trocken und wurde beackert.Wenn der See mit Wasser gefüllt ist, dann leben auch Fischein ihm. Sie kommen wohl aus den tiefer liegenden fischreichenWasieransammlungen, mit denen der Bauerngraben in Verbindungsteht. Das Entstehen und Verschwinden des Sees geschieht nichtplötzlich,„über Nacht", wie es im Volksmund heißt; das Wasserkommt allmählich. Bei starken Niederschlägen wird das Ausfüllenallerdings rascher vor sich gehen als in trockenen Jahreszeiten. Auchdas Verschwinden des Wassers geht nur allmählich vor sich, wenndurch die lösende Wirkung des durchsickernden Wassers die Spaltenin der Nähe der verstopften Stellen größer geworden sind, so kanndurch Einsturz eines vielleicht nur ganz kleinen Hohlraums dieWassermasse sich Bahn brechen. Der Bauerngraben ist der einzigederartige See in Deutschland.polizeibericht.Von IosephRoth.Vor«in paar Tagen starb im Wartesaal vierter Klasse desSchlesischen Bahnhofes der zweiundvierzig Jahr« alte ukrainisch«Dauer Oleksa Solonenko. Ein Paket Briese aus der Heimat, einenPaß mit zweiunddreißig Sichtvermerken und Stempeln und«ineHalskette aus amerikanischem Doublegold fand bei ihm die Polizei.Aus den Papieren des Toten— so berichtete sie— geh« hervor, daßOleksa Solonenko nach zweiundzwanzigjährigem Ausenthalt in Bra-silien in seine ukrainisch« Heimat, nach Ostgalizen, zurückkehren wollte.Dieser Bericht ist aber unvollkommen. Ich möchte ihn ergänzen.Oleksa Solonenkos Dorf ist eine Straß« mit sechsundsiebzigHütten und einer Dorfkapelle, die wie ein Spielzeug ans der Knaben-zeit eines Heiligen aussieht. Hinter dem Walde allerdings blinkt dasSchloß wie ein Punkt, den der lieb« Gott mit echter, weißer Sonnen-tinte hingetupst hat, nachdem er die beiden Häuserzeilen des Dorfessertiggcschrieben hatte. Im Schloß wohnt der polnische Graf und ineiner der sechsundsicbzig Hütten Oleksa Solonenko. In Oleksas Hütteleben Zwe, Schweine, ein Großvater, eine praugesprenkelte, schwarzeKatze, Frau Katharina und zwei Kinder, Niklta und Iossip.. OleksaSolonenko ist erst zwanzig Monate verheiratet.Oleksa hat fünf Morgen mit Weizen, Mais, Rüben und Klee.Den Weizen trägt er zur Mühle, die Maiskolben hängt er über denWinter am Dachrand seiner Hütte auf. Dann sieht das Dach auswie«ine große, kantige Narrenkapp« aus Stroh mit vielen Kukuruz-troddeln. Von den Rüben nähren sich die Schweine, der Großvaterund die Kinder. Und den Klee verkauft Oleksa an den Wirtshaus»juden.Oelksa ist ein bescheidener Mensch: Wenn der Inspektor mitblanken Spiegelstiefeln vorüberzieht, hält Oleksa den Hut in derHand: Wenn ein Gcndarmeriewachtmeister vorbeirasselt, hält Oleksaden Hutjn der. Hand: wenn der Gras trab, trab durch die Felderreitet, hält Oleksa den Hut in der Hand, so lange, bis Roß undReiter nur noch wie eine große, schwarze Hummel am Horizontrandkleben.Manchmal hat der Graf den verblüffenden Einfall, umzukehren.Hält Oleksa nicht immer noch den Hut in der Hand, heult des GrafenRohrstäbchcn durch die Luft und trifft Oleksas Backe.Gefällt dem Grafen Oleksas Schwein, so wird es für die Schloß-küche geschlachtet.Gefällt dem Grafen Oleksas Schwein aber nicht, so gefällt ihmOleksas Frau.Und außerdem muß Oleksa jährlich soundsoviel Weizen an daspolnische Schloß liefern. Dafür bekommt er ein« Quittung. Diedarf er sich aufheben.Der Agent von der amerikanischen Gesellschaft hat rote Haareund ein gesprenkeltes Gesicht. Er sieht aus, als hätte der Himmelauf ihn Sommersprossen regnen lassen. Der Agent spricht mit OleksaSolonenko. Oleksa beschließt, nach„Bransolia'' auszuwandern. DieS.hiffskarte gilt nach Pernambuco, Brasilien.»In Brasilien trifft Oleksa aus Nitita Kolohin, Iwan Laszcuk undPantalemon Petriw. Sie arbeiten bei einem Plantagenbesitzer, der„Sennor" heißt. Sie bauen Mais und Weizen, und die Maiskolbenhängen nicht an den Dachrändern wie Troddeln, sondern an Stangen-gerüsten. Sonst sind keine Aenderungen zu bemerken. Alle, die hievarbeiten, sind ukrainische Bauern. Sie haben ein« griechische Kirche,wie daheim.Oleksa ist ein bescheidener Mensch: Wenn der Schreiber vomAmt vorübergeht, hält Oleksa den Hut in der Hand: wenn der Haus-Verwalter mit breitem Strohhut, lang und dünn, wie«in lebendiggewordener Regenschirm, den Weg beschattet, hält Oleksa den Hutin der Hand; wenn der Aufseher zu schimpfen beginnt und Fluch»dampf prustet, hält Oleksa den Hut in der Hand: wenn der Sennortrab, trab durch die Felder reitet, hält Oleksa den Hut in der Hand,so lange, bis Roß und Reiter nur noch wie eine große, schwarz«Hummel am Horizontrand kleben.Fünfzehn Jahre lebt Oleksa in Brasilien. Briefe nach Hausechreibt Pantalemon Petriw, der etwas gelernt hat. In den Briefenteht, daß Katharina die Schwein« pslcgen soll und die Jungenprügeln. Er, Oleksa, würde bald nach Hause kommen und ihnenschon zeigen.Darauf erwidert Katharina: Ein Schwein ist bereits erstickt, dieKinder wachsen, der Großvater lebt höchstens noch zwei Wochen,und Nastja, die Tochter des Schusters, hat ein Kind vom Grasen be»kommen und ist in die Stadt gegangen, als Amme.Diesen Brief liest Pantalemon Petriw, der etwas gelernt hat,dem Oleksa siebzehnmal vor, und» dann kann Oleksa Wort für Wortden ganzen Brief auswendig.Um sich zu überzeugen, daß dem wirtlich so sei, läßt sich Oleksaden Brief noch einmal vorlesen.Dann bekam Oleksa keine Briese mehr, und die Zeitungenschrieben, es sei Krieg.Nach fünf Iahren erzählt der Verwalter, daß zwar der Kriegaufgehört� aber die sfleoolution begonnen habe. Die Bauern hättendas Land aufgeteilt, und die polnischen Grafen wären futsch.Da bekam Oleksa Sehnsucht nach Katharina, dem Schwein undden Buben. Er wollte wissen, ob wenigstens einer von ihnen imKriege Gefreiter geworden.Am Abend desselbigen Tages kommt Pantalemon Petriw miteiner Mundharmonika daher und bläst eine alt« Kolomejka.'Also packt Oleksa Solonenko seine Ersparnisse— achthundert»sechsundvterzig Dollar— zusammen und klettert in Pernambuco ausdem Zug.Wenn ich nach Haus« komme, denkt Oletia, ziehe ich in despolnische,, Grafen Schloß und rede portugiesisch.„No, Sennor,"werde ich sagen.Damit die Leute sofort wissen, daß ich portugiesisch spreche, taufeich mir einen neuen Anzug.An«ine silbern« Kette mit Herzanhängsel heftet er eine riesigeZwiebeluhr, die so laut hämmert, wie ein fleißiger Dachdeckergehilf«.In die linke obere Rocktasche schiebt Oleksa ein schönes, rotesTaschentuch mit dem amerikanischen Sternenbanner in der Mitte.In Berlin muß Oleksa Solonenko sich nach einem Paßvisumumsehen. Er steht zwei Tage vor fünf Aemtern, dann zwei Stundenvor einem Herrn, der genau so aussieht, wie der polnische Graf.Dann kann er»veiterfahren: vom Schlesischen Bahnhof aus.Wer weiß, ob man ihn dort wird fahren lassen, denkt Oleksa.Sei» Zug geht erst in fünfeinhalb Stunden. Also kann er noch«inen Tee trinken.Während er den Tee schlürft, hört er plötzlich Pantalemon Petriwdie Kolomejka spielen. Und er sieht«in totes Schwein. Und seinSohn ist wirklich Gefreiter. Und der Graf reitet durch die Felderund hat den verblüffenden Einfall, umzukehren. Oleksa hat aberden Hut nicht abgenommen, weil er ja soeben aus„Bransolia" gekommen ist.Davon wird dem Oleksa so zum Sterben heiß, daß er stirbt.Er steht im Himmel, und der Himmel ist eigentlich ein riesiges,blaues Taschentuch mit einem amerikanischen Sternenbanner. Unddie Sterne sind aus rotem Doublegold.Da nimmt Oleksa den Hut ab und hält ihn in der Hand.„Warum hältst du so den Hut in der Hand?" fragt ihi, derlieb« Gott.„Lielxr Gott," sagt Oleksa,„vielleicht reitet der Herr Gras vor-über....."Cs muß...vorwärts, vorwärks unverzagt,ob sich Kolken vor dir türmen,ob der Fels zum Himmel ragt,dennoch, dennoch mußt du stürmen!Tief hinein in dunkle Nacht,trotzend Mühen und Beschwerden!endlich doch der Sieg dir lacht—es muß durchgebrochen werden!Jeden Schritt vom Felsgesteinmußt du mühsam lo» dir ringen.Schwingst du keck die Waffe dein,wirst den Felsen du bezwingen.Nimmer rasten, nimmer ruh»,Schritt für Schritt mit den Gefährten,stark durch einig-gleiches Inn!—Ts muß durchgebrochen werden!Mai Riad-