Eeschonicien der Verkrüppelten, will der Mensch seine Schuld noch vergrößern? � Unheimlicher wird die Stille, riesenhoster wächst die Dunkel- heit über das Land, undurchdringlich und schwarz. Der Zug hält, wir sind in Scharnhorst. Der kleine Bahnbos tst kaum erleuchtet. Französische Posten gehen auf und ab. Dffi- ziere kommen. Die Schaffner reißen die Türen auf. Es ist Paß- und Gepäckkontrolle. Gegenüber steht ein langer Güterzug. Französische Train- soldaten reißen Fahrräder, Maschinenteile, Kisten aus den Wagen, stauen sie auf und fahren sie aus kleinen Handkarren weg. Sie sind erregt, schimpfen und heben die Hände. Manche lachen uns zu und sag«» mit ihren hohen, singenden Stimmen:„Nix gut, Sol- dat mx gut." In unser überfülltcs Abteil, in dem schläfrige Ar- beiter neben dicken Bauernfrauen sitzen, tritt jetzt ein junger sran» zösischer Unteroffizier. „Nix Zollbores?" sogt er und lacht verschmitzt in den kaum durchdringlichen Tabaksq'ualm. Nichts, nichts," einige Arbeiter halten ihm ihre leeren Rucksäcke hin und er schlägt die Tür wieder zu. Es geht nicht überall so lustig zu. Aus der ersten und zweiten Klasse steigen bepelzte Männer und brseidete Damen, große Koffer trägt man fort. Dort scheint man strenger zu sein, laut und pol- ternd hört man derbe deutsche Echimpsworte und schrille franzö- fische Kommandostimmen. Endlich pseift unsere kleine Lokomotive wieder, die Abteile werden zugeschlagen, und wir sahren weiter— ins freiere Deutschland . Die Zarben öer Dlumen. von Dr. Hanns Krofft- München . Sehr glücklich unterscheidet unser« Sprach« zwischen der all- gemeinen Bezeichnung„Blüte" und der etwas eingeschränkteren Bezeichnung„Blume". Nur solche Blüten nennen wir Blumen, die sich durch Form und namentlich durch Färbung vom Grün der Betäubung abheben und unserem Auge aufsällig sind. Bier Fünftel der deutschen Blütenpflanzen bringen Blumen hervor, der Minderheit sind Blüten eigen, die klein, grün oder grünlich, jedenfalls aber sehr unscheinbar sind: die Familie der Gräser, Riedgräser und Binsen, die Mehrzahl der Laubbäum« hehören hierher. Die Blumen behalten fast immer die Farbe bei, die sie beim Ausblühen besitzen, nur wenige Blumen ändern während ihrer Blütenzeit noch ihre Farbe. Bon den einheimischen Pslanzen gehört hierher zum Beispiel die Blumen- kröne der Lungen kräuter, sie ist nach dem Aufgehen rot, um sich dann aber bis ins Blauvislette zu färben, ein Borgang, den wir in ganz ähnlicher Form auch bei der Frühlingeplatterbfe antreffen. Die häufigsten Blumenfarben sind in unseren Breiten weiß und gelb. Kirchner gibt an, daß von den Blumen Deutschlands je 29 Proz. gelb und weiß, 16 Proz. rot, 12 Proz. blau und violett, S Proz. grün und gelbgrlln, 4 Proz. lila, 1 Proz. braun und 4 Proz. deutlich mehrfarbig sind. Die weißen Farbenlöne nehmen zu, je weiter nach Norden und je höher im Gebirge man vordringt, hat schon die Alpenflora 32 Proz. weiße Blumen, so steigt ihre Zahl in den baltischen Ländern auf 33. in Lappland auf 43 und in Grönland sogar auf 69 Proz. Umgekehrt treten in südlichen Ländern die weißen Blumen gegenüber den farbigen mehr und mehr in den Hintergrund. Die Berwandtschaftskreise der Pflanzensamilien zeigen hinsichtlich ihrer Blütenfarben bald bunte Mannigfaltigkeit, bald Beschränkung. So blühen die Doldenblüfigen oft nur weiß oder gelb, alle Mieren- artigen weiß, alle Hartheugewächse aelb. ebenso die meisten Zungen- blütigen unter den Korbblütlern. In der Familie der Rosen- und Nelkcnblütigen ist der Farbenreichtum ein großer, nur die blaue Farbe fehlt hier gänzlich. Halten die Berwandtschaftskreise an bestimmten Forben starr fest, so zeigen die Blumenfarben im all- gemeinen viel Neigung zum Variieren. Das ist in der freien Natur besonders leicht an solchen Blumen zu beobachten, deren normale 'Blütensarbe blau ist; meist hält es nicht schwer— denken wir nur an die Leberblümchen, das Vergißmeinnicht, die Kornblume— von Ihnen Exemplare aufzufinden, die rosa oder weiß blühen. Auch rote Blumen zeigen, wie zum Beispiel dos Heidekraut oder die japanisch« Quitte, nicht selten eine Abänderung in weiß. Alle Blumenfarben sind Pigmente, also gewöhnliche Absorption»- färben. Die Farbstosfe, um die es sich dabei handelt, haben ihren Eitz im Innern der mit wässerigem Sait erfüllten Zellen, deren Wände glashell und durchsichtig sind. Sind die Zellen in ollen ,ihren Bestandteilen völlig farblos, so ist dos natürlich auch das Blatt, 'das aus ihnen zusammengesetzt ist. Es erscheint un, aber nicht wasserhell, sondern infolge seiner inneren Struktur undurchsichtig weiß. Jedes Blatt enthält nämlich in seinem Innern zwischen den Zellen sehr viele mit Lust erfüllt» Räumchen und die zahlreichen dichtstehenden Grenzflächen zwischen Zellwänden und Lusträumchen bringen den Eindruck einer weiße» Fläche hervor. Die Farbstoffe sind in den Zellen der Blumenblätter entweder an kleine Körnchen von bestimmter Gestalt gebunden, die man Chromatophoren oder Farbstofsträger nennt, oder sie sind im wässerigen Zellsaft gelöst. Von an die Körner gebundenen Färb- stosscn kennen wir nur zwei, cinen grünen und einen gelben. Die grünen Farbstofsträger sind die bekannten Blattgrünkörner(Chloro- phyllkörner), die auch den Blättern und krautigen Stengeln ihre grüne Farbe verleihen; die gelben werden als Chromoplaste(Färb- stofftörner) bezeichnet. Die Vlotigrünkörner haben eine eiweißartige Grundlage, die mit der» Farbstoff durchtränkt ist. lieber die nähere Beschaffenheit dieses Blattgrüns oder Chl irophylls hat der Münchner Chemiker Pros. Dr. Willstättcr ausgedehnte Untersuchungen angestellt, die ergaben, daß das Blattgrün zu aus einem Gemisch von zwei einander nahe verwandten grünen und zu aus einem Gemisch von zwei gelben Farbstoffen besteht. Einer dieser beiden gelben Farbstoffe, dos Karotin, bildet auch den Hauptbestandteil der gelben Farbstofsträger. Die zweite Gruppe der im Zellsast gelösten Blumensarbstofse gehört zum weitaus größten Teil zu den sogenannten Anthoeyanen, die in verschiedenen Farbentönen von Blau, Violett und Rot auf» treten. Ihrer chemischen Natur nach sind die Anthoeyane Glykoside, das heißt ätherorfige Abkömmlinge von Zuckerarten. Bei Hydrolyyse zerfallen sie in Zucker und die eigentlichen Farbstoffbildner, von denen man drei kennt, das Cyanidin, das Pelargonidin und das Delphidin. Diese unterscheiden sich durch ihren Sauerstoffgehalt und danach ändert sich ihre Färbung vom Scharlachrot des Pelargonidins zum Karminrot des Cyanidins und zum Bordeauxrot des Delphinidins. Weitere Farbentöne kommen durch Einwirkung anderer Zellinhaltsstoffe, wie Gerbsäuren und Metallsalzen zustande. Gerade auf der Grundlage dieser Anthoeyane beruht wohl in der Hauptsache die farbenprächtige Vielgestaltigkeit der Blumenfarben. Der Schein. Von Else Feldmann , Wien . Im Garten der Blindenanstalt spielten die Kinder. Man sah sogleich, daß es blinde Kinder waren, denn ihr« Be- wegungen waren langsam und vorsichtig; sie spielten Ball und Haschen, und sie jauchzen, weil sie jung waren und weil es Früh- fing war. Biele von ihnen hatten einen Schein. Das waren die, die nach Scharlach oder anderen Krankheiten oder nach Unfällen er- blindet waren. Sie alle waren Kinder armer Eltern, und sie wuchsen in dieser Anstalt heran und wurden von öffentlichen Mitteln erhalten. ' Die einen Schein hatten, waren die fröhlicheren, sie hatten eine Hoffnung. Jede dachte, sie werde einmal sehend werden. Und sie konnten herankommen und sagen: Seht, mein Schein wird heller und heller; ich werde sehenl Diese Kinder, die nachts in ihren weihlackiertcn Betten lagen und träumten: O sehen!... Aber schlimmer war«z für die, die blind geboren waren. Ihre Mütter hatten an einer Krankheit gelitten, und es war bei der Geburt auf die Augen des Kindes nicht acht gegeben. Sie lernten Lesen und Schreiben, aber je älter sie wurden, desto mehr fehlte ihnen der verlorene Sinn— und sie schlichen traurig im Hause umher. Es war ein Mädchen unter ihnen, ein ganz stilles, kleines Müd- chcn mit blonden Locken und großen offenen, blauen Augen. Aber diese Augen waren stockdlind— es war eine blind Geborene und sie hatte nicht die leiseste Spur eines Scheins. Diese- Mädchen war von einer seltenen Güte. In der Gemein- samkeit der blinden Kinder weilte ihre Seele bei allen. Allen hals sie, alle tröstete sie— und sie wurde von allen geliebt wie eine gute Schwester. Einst kam ein alter weiser Mann, der in fernen Ländern viel für die Blinden getan hotte und sah sich die Anstalt an. Man führte die Kinder vor und zeigte ihm das gute Mädchen. „Nun,»nein Kind," sagte er,„ich höre, du bist so gut. Ach, könnte ich dir etwas Schönes und Kostbares schenken." „O Herr, seid Ihr ein. Zauberer?" fragt« das Mädchen. „Nein," sag!« er,„aber manchmal wünschte ich, ich wäre einer; dann würde ich dich sehend machen. Kein Opfer sollte mir dafür zu groß sein." „Mein Herr," sagte das Kind— es war so bescheiden—„ich wünschte imr nichts anderes als«inen Schein, wie ihn so viele Blind « bei uns haben." „Du bist so schön," sagte der alte, weise Mann; wenn du zwanzig Jahre alt wirst, wirst du den Schein haben..." Es vergingen die Jahre, aber der Schein zeigt« sich nicht; die Augen des Mädchens blieben blind und tot. Da lernte sie in ihrem neunzehnten Jahre einen jungen Mann kennen; der verliebte sich in ihr« Schönheit und noch mehr in ihre Sanftheil und Güte. Und sie wurde seine Frau. Als sie zwanzig Jahre alt war, erwartete sie«in Kind. Sie lag im weihen Bett und man brachte ihr das Neugeborene. „Sieht es?" war ihr« erst« Frage. „Es sieht!" erwiderte der Arzt. „Ich bin gerettet," sagte sie,„denn es wird groß werden und sehen und mir erzählen, was es in der Welt gibt. Ich werde nicht mehr ganz blind sein. Ich werde cinen Schein haben wie viele > andere Blinde. Denn mein Kind wird mein Schein sein...."
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