Nummer 27 s. Füll --- x_ � X�sJ ilnterhaltungsbeilage öes Vorwärts <4 <« Kriegeröentmals-Enthüllung. Ein Stimmungsbild aus Bayern . Von Oskar Maria Graf . Zu einer imposanten Feier kam es neulich, als in unserem Pfarrort das Kriegerdenkmal für die Gefallenen aus unserem Gau enthüllt wurde. Die Bauernschaft aus allen umliegenden Dörfern strömte zusammen. Ein offener Gottesdienst am Fuße des Denk- mals wurde abgehalten. Vollzählig marschiert« der Veteranen- verein auf. der Gesangoerein unter der rührigen Leitung des Herrn Hauptlehrers Nagel leistete Vorzügliches und eine eigene, fehr umfängliche Musikkapelle schmetterte durch die sahnen- und gir- landengezierte Dorfstraße. Die Böller krachten unausgesetzt vom frühen Morgen bis zum Mittag. Fünf Majore in feldmarschmäßiger Uniform, von denen einig« hier Güter haben und einige meistens ihre Sommerfrische hierorts verbringen, und der Bezirksamtmann, der als Rittmeister im Feld eine Trainkolonn« befehligte, waren zugegen. Pfarrer Mair predigte kernig. Unvergeßlich werden feine Worte jedem bleiben. „Indem daß wir versammelt sind, christliche Zuhörer und Feld- sollatcn, vor dem Denkmal unserer Gefallenen, möchte ich schließen: Unser verstorbener Landesherr, den wo unser Herrgott eingesetzt hat und den wo die Juden ins Grab'bracht haben, er lebe Hochl— Hoch!— Hochl" so schloß er und alle stimmten begeistert ein. Schier war's als ob die Luft erzitterte.— Im Namen der Frontsoldaten und des Kyffhäuserbundes legte Major Ammetsberger einen Lorbeerkranz nieder, ebenso der Be- zirksamtmann, die Vereine und die anderen Majore, die verschie- denen Dörfer und die Pfarrei.— „Bauernburschenl Männer und Kameraden!" Hub Ammets- berger alsdann an:„Ich möchte an diesem Grabe wiederholen, was ich als Soldat immer gesagt habe: Lieber bayrisch sterben, als prcißisch sterben!" Ein mächtiger Beifall erscholl. Er wartet« bis es ruhiger ge- worden, und fing von neuem an:„Dieses Denkmal, meine lieben Kriegskameraden, wird aushalten, länger als wir allesamt und wird uns immer zeigen, daß wir tapfere Bayern jederzeit wieder los- gehen, wenn unser Landesherr uns zu den Fahnen ruft. Zuvor aber, möchte ich euch ans Herz legen, Männer und Weiber,— zuvor heißt's unser Land auskehren und den alten militärischen Geist zusammenzuhalten. Die Volksverräter müssen weg!" Er- neuter Beifall.„Unser tapferes Bayernland muß judenrein werden!" Furchtbarer Beifall. „Und als Führer der vierzehnten Kompagnie fühle ich mich verpflichtet", rief Ammetsberger mit erhobener Stimme,„euch aus die Disziplin aufmerksam zu machen und euch daran zu erinnern, daß wenn der Saustall mit Berlin nicht bald aufhört, seine königliche Hoheit mir persönlich gesagt hat, daß wir dann allein angreifen!" Während des brausenden Jubels wischte sich der alte Major den Schweiß aus dem Gesicht und rief dann noch lauter:„Männer und Kameraden! Ich möchte bei dieser Gllegenhcit erinnern, daß eine hohe Persönlichkeit zum heutigen Freudentag für jeden Krieger und Frontsoldaten Freibier bis zu zwei Maß und ein doppeltes Essen gestiftet hat!"„Hoch!— Hoch!— Hoch!", schrie alles ringsherum. „Und zum Schluß möchte ich euch auffordern mit mir cinzu- stimmen" endete Ammetsberger jetzt und schwang Säbel und Helm: „Unsere königliche Hoheit, unser tapferes Bayernland und unsere Gefallenen ste leben— Hoch!— Hoch!— Hoch!" Die Zurufe endeten nickt und alles klatschte in bester Stimmung, sämtliche Majore und der Bezirksamtmann schwenkten immer noch ihre Helme und fuchtelten mit den blanken Säbeln in der Luft herum. Dummerweise fing die Mustk zu früh an und trotz seines er- regten„PM! Pfffff!" kam der Veleranenvereins-Hauptniann Hungerer nicht mehr zu Wort. Ammetsberger, der die bedrohliche Wendung erkannte, vertröstete ihn aber auf nachher in der Post- Wirtschaft. Der Gesangverein gab nach das„Heil unferm König, heil!" zum besten und unter den Klängen eines Marsches setzte sich mit gefaßtem Schritt und der„Wacht am Rhein" der lange Zug in Bewegung. Im großen Saal beim Post-Wirt gab es für ieden zwei Portionen Schweinsbraten mit Knödel und je eine doppelte Portion Kalbs - oder gefüllten Brustbrate» ohne Bezahlung. Zugleich wurden bei dieser Gelegenheit die Kyffhäuser -Abzeichen ausgeteilt uich so kam endlich Hungerer zu Wort und sprach: „Kameraden! Feldsoldaten, tapfere Bayern !... Indem wo mir grab vollzählig bei diesem Freidenfeste beieinander sind, inöchte ich an das Silentium erinnern. Erstens hat der Herr Major Ammetsberger freundlicherweis' mit den anderen Herren die Kyff- häuser-Abzeichen mitgebracht! Der Orden kost' achtzig Mark für jeden, wert ist er seine Hundert!... Tapfere Bayern !— Feld- soldatenl— In Trete fest!— Anno siebzig bei Sedan hat's ge» kracht wie zum heiligen Fest und den ganzen Vormittag. Kriegs« kameraden!.. Feldsoldatenl Das bayrische Militär hat sich heite gezeigt, indem wo wir unser Denkmal enthüllt haben... Außer- dem möchte ich das Wort ergreifen, indem daß Berlin nicht maß- gebend ist!-- die älteren Kameraden werden mir zustimmen und das wissen... Silentium!... Frontsoldaten, tapfere Bayern !... Denktö Ls noch an die Franzosen?... Sowas mutz aufhören! Unsere Helden sind unvergeßlich, möcht ich erinnern!— Sowas ist ein Saustall!... In Treie fest! Der Veteranenverein. gibt absolut kein Pardon und ich möcht««rinnern, daß die Juden anno siebzig nicht einen Pfifferling dabeig'wefcn sind und vier- zehne erst recht nicht!... Ich möchte dos Wort ergreifen!... sowas hat sich aufgehört! Die Feierlichkeiten, möcht ich mit Herrn Major Ammetsberger einsUmmen, daß die doppelte Portion Schweinsbraten und die doppelte Portion Kalbs - oder Brustbraten zechfrei sind. Und so möchte ich einstimmen, in Treie fest, mit mir einstimmen: Unser« königliche Hoheit, Kronprinz Rupprecht, und unser Veteranenverein, der Bauernstand, sie leben— Hoch!— Hoch!— Hock! Der Jubel war nun auf ganzer Höhe. Nachdem aber in später Nachtstunde die Herren Militärs sich verabschiedet hatten, kam es zwischen Kurbel und dem Hungerer zu einem lzeftigen Aufeinander, weil Hungerer beim„Frangaise" das Verlangen stellte, daß die gesamte Tänzerschaft auf sein„Stillgestanden!" stramm stehe. „Ja, HimmiherrgottsakramentI...Du ha st sa Deiner Lebtag keine Käsern' g'sehn und viel weniger was anderes!... Und da reißt' das Maul auf!", brüllte ihn der Kurbel an. Und— peinlich zu sagen— er hatte recht. Der ungediente Äeterancnvereins-Hauptmann Hungerer wollte tief gekränkt sein Amt auf der Stelle niederlegen. Aber, indem daß er so schwunghaft reden konnte, wußte man ihn zu beschwichtigen und das schone Fest durfte einen hormonischen Ausgang nehmen. Aufnahme ins Zrauengefängnis. Von Marie Härder- Hamburg. Joden Tag neue Gesichter— sechs oder fünf oder dreizehn, wie es gerade kommt. Frauen und Mädchen, alte und junge; manchmal recht alt, manchmal auch sehr jung, so jung, daß man die Zähne aufeinanderbeißt, wenn man sich das junge Gesicht hinter Gitter- fenstern denkt. Und all« sind sie nach den starren und harten Pa- ragraphen des rächenden deutschen Strafgesetzbuches verurteilt worden: ein oder zwei oder vier Wochen— Monate— Jahre. Man fühlt sich versucht, die Hände zu Fäusten zu ballen und sich oder jenen an den Kopf zu hämmern, ringend»ach Klarheit durch all diese Wirrnisse und Rätsel. Ja, Rätsel!! Nicht zu lösen durch ab- solute Härte, auch nicht durch klug geformte Paragraphen; ihnen näher kommend schon durch ein rvarmes und gütiges Wort, nicht rein verstandesgemäß, um Gottes willen! Dadurch ist genug ge- sündigt worden und wird noch weiterhin genug verdorben statt gut gemacht. Aber menschlich mitfühlend, ohne eine Spur von Neu- gierde. So tut man noch manchen Einblick: Eine Siebzehnjährige, schmächtig, unterernährt: l-ä Tage Gefängnis. Von klein auf in ärmlichsten Verhältnissen gelebt, in denen sie sich auch körperlich nicht entwickeln konnte, wurde sie jung aus der Schule genommen und verdiente ihren Unterhalt anfangs als Plätterin. In der Plätterei entwendete sie eines Tages drei Hand- tücher, um sie der aus dem Krankenhaus kommenden Mutter zum Geburtstag zu schenken. Aus Furcht vor Entdeckung ging sie nicht wieder an ihre Arbeit zurück. Nun natürlich kam sie gerade in Verdacht. Anzeige— Verurteilung— Strafe: 2 Tage Gefängnis; aber Strafaufschub ihrer Jugend wegen. Nun ging sie als Dienst- mädchcn in Stellung. Weil sie kaum etwas anzuziehen hatte, kaufte ihre Brotaeberin ihr ein Kleid, das sie abverdienen sollte. Als ste etwa ein Jahr gearbeitet und sich das Kleid noch immer nicht ver- dient hatte, Heimweh nach der Mutter sie aber schon lange quälte, zog sie ein Kleid ihrer Arbeitgeberin an<ihr eigenes war ver- schloffen) und auch Schuhe von ihr. Außerdem nahm sie sich das
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten